Indien – ein Mosaik der Religionen. Kaum ein anderes Land kennt eine größere Vielfalt
an Glaubensrichtungen. Buddhismus, Hinduismus und Islam sind nur einige von ihnen.
Wir sprachen mit dem Erzbischof von Bhopal, Leo Cornelio, über die Gesellschaft der
vielen Kontraste. Warum gilt das Christentum auf dem indischen Subkontinent immer
noch als Exot?
„Es ist eine Gesellschaft mit vielen Kontrasten und der
christliche Grundgedanke ist, dass wir alle Kinder Gottes sind und dass man den armen,
niedrigen Kasten helfen muss. Hier haben wir einen Konflikt, da die indische Gesellschaft
immer noch in ihrem Kastensystem denkt. Daher ist das für sie nicht verständlich.
Die Extremisten denken dann immer, dass das was wir in den Dörfern machen nur dem
Zwecke der Konversion dient und das ist ein falsches Ideal.“
Laut indischem
Gesetz sind alle Menschen gleich. Das Kastensystem ist seit der Unabhängigkeit Indiens
1947 offiziell abgeschafft – dennoch in den Köpfen der Bevölkerung fest verankert.
Das indische Höchstgericht hat nun die sogenannten Kastenräte für nicht verfassungskonform
erklärt. Sie stehen seit langen im Widerspruch zum indischen Rechtssystem. Inwieweit
sich die Gesellschaft dem unterordnen wird, wird sich zeigen. Von einer Kirchenferne
kann man in Indien nicht sprechen. Jeder, dem man auf der Straße begegnet, ordnet
sich irgendeiner Religionsgemeinschaft zu – auch die jungen Menschen.
„98%
der jungen Leute in Indien praktizieren Religion. Sie glauben an Gott und sie Glauben
an die Religion, egal ob Hinduismus, Islam oder Christentum. Warum? In Indien ist
es ein Naturell, dass man einer Religion angehört. Man kann nicht verstehen, dass
man an keinen Gott glaubt. Der Glauben gibt den Menschen Identität.“
Auch
die Situation der indischen Frau ist vielschichtig. Obwohl auch sie laut indischem
Gesetz gleichberechtigt werden muss, wird sie in vielen Teilen des Landes unterdrückt.
Viele indische Frauen sind Analphabeten, da ihre Ausbildung größtenteils ungefördert
bleibt. Sie gehören immer noch zur unteren Klasse. Erzbischof Cornelio weiß über diese
Problematik Bescheid. Die Kirche in Indien unternimmt bereits erste Schritte zur Eingliederung
der Frau.
„In der Kirche nehmen in verschiedenen Verantwortungsbereichen
auch die Frauen teil. Wir haben jetzt auch Frauen als Messdienerinnen. Wir machen
hier viel, aber in der indischen Gesellschaft und auch aus der historischen Geschichte
heißt es immer: Mädchen sind die zweite Klasse. Diesen Eindruck muss man langsam verändern
und diese Gedanken aus der Gesellschaft verbannen.“
Trotz der allgemeinen
Toleranz unter den verschiedenen Religionen, sind vor allem Christen immer wieder
Ziel hindu-fundamentalistischer Anschläge. Christen im Land werden diskriminiert.
Das hat auch die Geschichte des Landes zum Hintergrund. Indien wurde lange Zeit von
den Kolonialmächten ausgebeutet und unterdrückt. Viele verbinden das Christentum mit
der Zeit der Kolonialherrschaft: bestimmt, beherrscht und aufgedrängt. Für sie ist
das Christentum Religion der Herrschaft. Doch Cornelio glaubt daran, dass das Christentum
fester Bestandteil des bunten Mosaiks der Religionen werden kann.
„In Indien
sind die Leute sehr religiös und sie respektieren alles, wenn sie sehen, dass wie
Männer Gottes sind und Menschen, die anderen dienen, dort wo die Notwendigkeit groß
ist.“