Vom ehemaligen Leiter
der Redaktion, Pater Eberhard von Gemmingen
Darf ich Sie einladen, mit mir
in Jerusalem dorthin zu kommen, wohin Jesus am Abend vor seinem Leiden mit seinen
Jüngern gegangen ist. Zunächst in den Abendmahlssaal und dann in den Ölgarten. Der
Raum, der heute als Abendmahlsaal gezeigt wird, liegt nahe der Stadtmauer von Jerusalem.
Kommen Sie dorthin mit, setzen sie sich auf die alten Treppenstufen in einer Ecke
und schauen Sie mit mir zurück auf das Geschehen dort vor rund 2000 Jahren. Im
Rahmen der Pessach-Feier nimmt Jesus Brot und sagt in feierlicher Weise dazu: nehmt
dies Brot und esst. Das ist mein Leib, der für Euch hingegeben wird. Dann nimmt er
einen Becher mit Wein und spricht darüber: Trinkt dies, es ist mein Blut, vergossen
für euch. Das tun wir bis heute immer, wenn wir Eucharistie feiern. Er gibt uns sich
selbst zum essen und trinken. Ich denke bei der Eucharistiefeier oft „Jesus, Du bist
verrückt. Du gibst dich in unsere Hände, in meine Hände, du weißt doch, was für ein
Mensch ich bin. Du weißt doch, dass ich immer noch und immer wieder vor allem an mich
denke und keineswegs an die Anderen oder an dich. Verzeihen Sie, wenn ich Jesus frage:
Weißt Du, was du da tust. Vermutlich sind die anderen, die dich empfangen, auch nicht
wesentlich besser als ich. Und doch:; Du gibst dich in unsre Hände. Unglaublich. Du
schenkst Dich uns, obwohl wir es so wenig verdienen, obwohl wir dich vermutlich wie
Judas verraten, wenn wir um die nächste Ecke gebogen sind. Also, Jesus schenkt
sich uns, schenkt sich mir, Er schenkt sich durch alle Zeiten und an allen Orten.
Welche Verantwortung lastet auf uns, auf mir. Es geht also nicht nur darum, dass
wir mit Jesus untereinander Brüder und Schwestern werden. Das auch. Aber es geht um
viel mehr. Wir werden durch sein Hingabe an uns zu seinem Leib. Wir werden sein geheimnisvoller,
mystischer Leib. Jede und jeder Einzelne ist eine Zelle. Wenn eine Zelle krank ist,
steckt sie die andere an. Wenn eine Zelle gesund ist, ist sie Stärke für die Umgebenden.
Der Lebenssaft selbst in allen Zellen kommt von Jesus. Der Code, der uns alle prägt,
kommt von Jesus. Und so sollen wir als Jesu mystischer Leib Sauerteig und Sauerstoff
sein für unsere Welt. Wo Christen sind, muss die Welt anders werden. Religion ist
keine Privatsache. Nein: sie schafft Kultur, Zivilisation. Christlicher Glaube hat
Europa geschaffen. Wehe wenn christlicher Glaube verloren geht. Ich fürchte, dass
dann auch Europa verloren geht. Eucharistie ist also nicht nur Brot für mich, sondern
Brot für die Welt, das Zusammenleben, die Sozialordnung, die gesellschaftliche Solidarität.
Wenn wir Eucharistie feiern, dann bauen wir mit an einer humanen Welt. Aber wir müssen
die Eucharistiefeier deswegen nicht zu einer politischen Veranstaltung machen. Je
weniger wir an die gesellschaftlichen Folgen der Eucharistiefeier denken, je mehr
wir uns mit Jesus verbinden, umso bessere Folgen hat dies für unsere die gesamte Gesellschaft.
Nun stehen wir auf, bitte folgen Sie mir hinunter ins Kidrontal, gehen wir über
den Bach und erreichen den Ölgarten. Jesus lässt die Mehrheit der Jünger zurück, macht
nur Petrus, Andreas und Johannes ein Zeichen, mit zu kommen. Dann verlässt er auch
sie , geht ein paar Schritte weiter und dann überkommt ihn entsetzliche Angst. Für
mich ist das Ölbergleiden am leichtesten vorzustellen, wenn ich denke: Jesus wusste,
dass er ausgepeitscht, dass er vermutlich gekreuzigt werden würde. Er hatte wahnsinnige
Angst davor. Und es kam ihn der Gedanke an, jetzt in der Dunkelheit der Nacht zu fliehen.
Er konnte noch einmal davon kommen. Es war eine furchtbare Versuchung. Er war ja schon
damals zu Anfang seines öffentlichen Auftretens versucht worden. Nun konnte er noch
mal in die Dunkelheit der Nacht entkommen. Das war die eine Seite, die andere Seite
war der Wille des Vaters, den er früher klar erkannt hatte. Der Vater wollte, dass
er der Menschheit die Liebe Gottes zeigt, dass er das Leiden annimmt, das Kreuz trägt.
Der Vater wollte das Wohl der Menschheit und dafür den Liebestod Jesu. Jesus wusste
das, aber er hatte dennoch ganz menschliche und maßlose Angst. Wer kann das nicht
verstehen. Dreimal geht er zu Petrus, Jakobus und Johannes zurück. Sie schlafen. Sie
schlafen und er leidet maßlos. Ein Bild der Menschheit. Schlafen wir, schlafen wir
zu oft, zu lange. Es heißt, ein Engel sei gekommen, Jesus zu trösten. War der Engel
seine Mutter, die natürlich ahnte, was in ihm vorging? War der Engel Maria Magdalena,
die sich so tief in ihn hineinversetzen konnte. Bevor das Leiden, die Passion
Jesu physisch begann, durchlitt er sie schon in seiner Seele. Zu diesem Leiden gehört
natürlich auch, dass er sah, wie seine Jünger, die für die er so viel Zeit und Kraft
eingesetzt hatte. Versagten. Sie verstanden ihn nicht, sie stritten um die ersten
Plätze, sie versprachen Treue und hielten sie nicht. Schließlich in der schlimmsten
Stunde Jesu schliefen sie und flohen in die Dunkelheit hinein. Was gilt für uns:
seien wir bescheiden, dann wird es uns am ehesten gelingen, Jesus auch dann treu zu
sein, wenn es etwas kostet. Nehmen wir seine Liebe möglichst intensiv in der Eucharistie
in uns auf, dann wird es uns geschenkt werden, über uns hinaus zu wachsen, wird es
uns geschenkt, ein Anderer Christus zu sein.