Liebe Brüder und Schwestern! Im Mittelpunkt der Liturgie dieses Morgens steht die
Weihe der heiligen Öle, des Öls für die Salbung der Katechumenen, des Öls für die
Salbung der Kranken und des Chrisam für die großen Sakramente der Verleihung des Heiligen
Geistes: Firmung, Priesterweihe, Bischofsweihe. In den Sakramenten berührt uns der
Herr durch die Elemente der Schöpfung. Die Einheit von Schöpfung und Erlösung wird
sichtbar. Die Sakramente sind Ausdruck für die Leibhaftigkeit unseres Glaubens, der
Leib und Seele, den ganzen Menschen umfasst. Brot und Wein sind Früchte der Erde und
der menschlichen Arbeit. Sie hat der Herr als Träger seiner eigenen Gegenwart gewählt.
Das Öl ist Sinnbild des Heiligen Geistes und verweist uns zugleich auf Christus: das
Wort „Christus“ (Messias) bedeutet „der Gesalbte“. Jesu Menschsein ist durch die Einheit
des Sohnes mit dem Vater in die Gemeinschaft mit dem Heiligen Geist einbezogen und
so in einzigartiger Weise „gesalbt“, vom Heiligen Geist durchdrungen. Was bei den
Königen und Priestern des Alten Bundes zeichenhaft in der Salbung mit Öl geschehen
war, durch die sie in ihren Dienst eingesetzt wurden, das ist bei Jesus in ganzer
Wirklichkeit der Fall: Sein Menschsein ist durchdrungen von der Kraft des Heiligen
Geistes. Er öffnet unser Menschsein für die Gabe des Heiligen Geistes. Je mehr wir
mit Christus eins sind, desto mehr werden wir von seinem Geist, dem Heiligen Geist
erfüllt. Wir heißen Christen: Gesalbte – Menschen, die zu Christus gehören und daher
an seiner Salbung teilhaben, von seinem Geist berührt sind. Christ möchte ich nicht
nur heißen, sondern auch sein, hat der heilige Ignatius von Antiochien gesagt. Lassen
wir uns gerade durch die heiligen Öle, die in dieser Stunde geweiht werden, an diesen
inneren Auftrag des Wortes „Christ“ erinnern und bitten wir den Herrn, dass wir immer
mehr nicht nur Christen heißen, sondern es sind.
In der Liturgie dieses Tages
werden, wie gesagt, drei Öle geweiht. In dieser Dreiheit kommen drei wesentliche Dimensionen
christlicher Existenz zum Ausdruck, auf die wir uns nun besinnen wollen. Da ist zunächst
das Katechumenen-Öl. Das Öl für die Katechumenen deutet eine Art von erster Berührung
durch Christus und seinen Geist an – eine innere Berührung, durch die der Herr Menschen
in seine Nähe hineinzieht. So fällt durch diese erste Salbung, die noch vor der Taufe
erfolgt, unser Blick auf die Menschen, die sich auf den Weg zu Christus machen – die
Menschen, die auf der Suche nach dem Glauben, nach Gott sind. Das Katechumenen-Öl
sagt uns: Nicht nur die Menschen suchen nach Gott. Gott selbst ist auf die Suche nach
uns gegangen. Dass er selbst Mensch geworden ist und in die Abgründe des Menschseins
hinuntergestiegen ist bis in die Nacht des Todes – das zeigt uns, wie sehr Gott sein
Geschöpf Mensch liebt. Von der Liebe getrieben, hat Gott sich auf den Weg gemacht
zu uns. „Von der Suche nach mir bist du müde da gesessen… Gib, dass diese Mühe nicht
umsonst sei“, beten wir im Dies Irae. Gott sucht nach mir. Will ich ihn erkennen?
Von ihm gekannt, von ihm gefunden werden? Gott liebt die Menschen. Er geht der Unruhe
unseres Herzens, der Unruhe unseres Fragens und Suchens entgegen mit der Unruhe seines
eigenen Herzens, die ihn das Äußerste für uns tun lässt. Die Unruhe nach Gott, das
Unterwegssein nach ihm, um ihn besser zu kennen, um ihn besser zu lieben, darf in
uns nicht erlöschen. In diesem Sinn sollten wir immer Katechumenen bleiben. „Sucht
immerdar sein Angesicht“, sagt ein Psalm (105, 4) Augustinus hat dazu kommentiert:
Gott ist so groß, dass er unser aller Erkennen und Sein immer unendlich übersteigt.
Das Erkennen Gottes ist nie ausgeschöpft. In alle Ewigkeit dürfen wir mit wachsender
Freude ihn weitersuchen, um ihn immer mehr zu kennen und immer mehr zu lieben. „Unruhig
ist unser Herz, bis es ruht in dir“, hat er am Anfang seiner Bekenntnisse gesagt.
Ja, der Mensch ist unruhig, weil alles Endliche zu wenig ist. Aber sind wir wirklich
unruhig auf ihn hin? Haben wir uns nicht mit seiner Abwesenheit abgefunden und suchen
uns selbst zu genügen? Lassen wir solche Verkleinerungen unseres Menschseins nicht
zu! Bleiben wir immerdar auf dem Weg zu ihm, in der Sehnsucht nach ihm, im immer neuen
Empfangen von Erkenntnis und Liebe!
Da ist dann das Öl für die Krankensalbung.
Vor uns steht die Schar der leidenden Menschen: die Hungernden und Durstenden, die
Opfer der Gewalt in allen Kontinenten, die Kranken mit all ihren Schmerzen, Hoffnungen
und Hoffnungslosigkeiten, die Verfolgten und Getretenen, die Menschen des gebrochenen
Herzens. Über die erste Jünger-Aussendung durch Jesus erzählt uns der heilige Lukas:
„Er sandte sie aus, das Reich Gottes zu verkünden und die Kranken zu heilen“ (9, 2).
Das Heilen ist ein Urauftrag Jesu an die Kirche nach dem Vorbild seiner selbst, der
als Heilender durch die Lande gegangen ist. Gewiss, der Grundauftrag der Kirche ist
die Verkündigung von Gottes Reich. Aber gerade diese Verkündigung selbst soll ein
Prozess der Heilung sein: „die zerbrochenen Herzen heilen“, heißt es in der ersten
Lesung aus Jesaja heute (61, 1). Die Verkündigung von Gottes Reich, von Gottes grenzenloser
Güte soll vor allem dies bewirken: das verwundete Herz der Menschen zu heilen. Der
Mensch ist von seinem Sein her ein Wesen in Beziehung. Wenn aber die Grundbeziehung,
die Beziehung zu Gott gestört ist, dann ist auch alles andere mit gestört. Wenn unser
Verhältnis zu Gott gestört ist, wenn die grundlegende Richtung unseres Seins verfehlt
ist, dann können wir auch nicht wirklich an Leib und Seele gesund werden. Deshalb
geschieht die erste grundlegende Heilung in der Begegnung mit Christus, der uns mit
Gott versöhnt, unser zerschlagenes Herz gesund werden lässt. Aber über diesen Kernauftrag
hinaus gehört auch das konkrete Heilen von Krankheit und Leid zur wesentlichen Sendung
der Kirche. Das Öl für die Krankensalbung ist sichtbarer sakramentaler Ausdruck für
diese Sendung. Von Anfang an ist in der Kirche die Berufung des Heilens gereift, die
sorgende Liebe um Menschen, die an Leib und Seele bedrängt sind. Dies ist auch der
Anlass, einmal den Schwestern und Brüdern zu danken, die über die weite Welt hin heilende
Liebe zu den Menschen bringen, ohne nach Stand oder Konfession zu fragen. Von Elisabeth
von Thüringen, Vinzenz von Paul, Louise de Marillac, Camillus von Lellis bis zu Mutter
Teresa – um nur einige Namen zu nennen - geht eine Lichtspur von Menschen durch die
Welt, die von Jesu Liebe zu den Leidenden und Kranken herkommt. Dafür danken wir in
dieser Stunde dem Herrn. Dafür danken wir all denen, die sich von Glaube und Liebe
her an die Seite der Leidenden stellen und damit letztlich Zeugnis für Gottes eigene
Güte ablegen. Das Öl der Krankensalbung ist Zeichen für dieses Öl der Güte des Herzens,
die diese Menschen – zugleich mit ihrer fachlichen Kompetenz – zu den Leidenden tragen.
Ohne von Christus zu reden, zeigen sie ihn.
Schließlich steht da an dritter
Stelle das edelste der kirchlichen Öle, der Chrisam, eine Mischung aus Olivenöl und
pflanzlichen Duftstoffen, das Öl der priesterlichen und königlichen Salbung, die an
die großen Salbungstraditionen des Alten Bundes anknüpfen. In der Kirche dient dieses
Öl vor allem für die Salbung bei der Firmung und bei den heiligen Weihen. Die Liturgie
des heutigen Tages verbindet mit diesem Öl die Verheißungsworte des Propheten Jesaja:
„Ihr werdet ‚Priester des Herrn’ genannt, man sagt zu euch ‚Diener unseres Gottes’
“ (Jes 61, 6). Der Prophet greift damit das große Auftrags- und Verheißungswort
auf, das Gott am Sinai an Israel gerichtet hatte: „Ihr aber sollt mir als ein Reich
von Priestern und als ein heiliges Volk gehören“ (Ex 19, 6). In der weiten
Welt und für die weite Welt, die Gott vielfach nicht kannte, sollte Israel wie ein
Heiligtum Gottes für das Ganze sein, priesterliche Funktion für die Welt ausüben.
Es sollte die Welt zu Gott hin tragen, auf ihn hin öffnen. Der heilige Petrus hat
in seiner großen Taufkatechese dieses Privileg und diesen Auftrag Israels auf die
ganze Gemeinschaft der Getauften übertragen und ihr zugerufen: „Ihr aber seid ein
auserwähltes Geschlecht, eine königliche Priesterschaft, ein heiliger Stamm, ein Volk,
das sein besonderes Eigentum wurde, damit ihr die großen Taten dessen verkündet, der
euch aus der Finsternis in sein wunderbares Licht gerufen hat. Einst wart ihr nicht
sein Volk, jetzt aber seid ihr Gottes Volk“ (1Petr 2, 9f). Taufe und Firmung
sind Eintreten in dieses die Welt umspannende Volk Gottes; die Salbung in Taufe und
Firmung ist Salbung in diesen priesterlichen Dienst für die Menschheit hinein. Die
Christen sind priesterliches Volk für die Welt. Die Christen sollten für die Welt
den lebendigen Gott sichtbar machen, ihn bezeugen, zu ihm hinführen. Wenn wir von
diesem unserem gemeinsamem Auftrag als Getaufte sprechen, dann ist es kein Grund,
uns zu rühmen. Er ist eine zugleich freudige und beunruhigende Frage an uns: Sind
wir wirklich Gottes Heiligtum in der Welt und für die Welt? Öffnen wir den Menschen
den Zugang zu Gott oder verbergen wir ihn eher? Sind wir – das Volk Gottes – nicht
weithin zu einem Volk des Unglaubens und der Ferne von Gott geworden? Ist es nicht
so, dass der Westen, die Kernlande der Christenheit ihres Glaubens müde sind und,
ihrer eigenen Geschichte und Kultur überdrüssig, den Glauben an Jesus Christus nicht
mehr kennen wollen? Wir haben Grund, in dieser Stunde zu Gott zu rufen: Lass uns nicht
zu einem Nichtvolk werden! Lass uns dich neu erkennen! Du hast uns ja mit deiner Liebe
gesalbt, deinen Heiligen Geist uns aufgelegt. Lass die Kraft deines Geistes neu in
uns wirksam werden, dass wir mit Freude deine Botschaft bezeugen.
In aller
Scham ob unseres Versagens dürfen wir aber nicht vergessen, dass es auch heute leuchtende
Beispiele des Glaubens gibt. Dass auch heute Menschen durch ihr Glauben und ihre Liebe
der Welt Hoffnung geben. Wenn am kommenden 1. Mai Papst Johannes Paul II. seliggesprochen
wird, denken wir voller Dankbarkeit an ihn als einen der großen Zeugen Gottes und
Jesu Christi in unserer Zeit, als einen vom Heiligen Geist erfüllten Menschen. Mit
ihm denken wir an die große Zahl derer, die er selig- und heiliggesprochen hat und
die uns die Gewissheit schenken, dass Gottes Verheißung und sein Auftrag auch heute
nicht ins Leere fallen. Am Schluss wende ich mich an Euch, liebe Mitbrüder im priesterlichen
Dienst. Der Gründonnerstag ist in besonderer Weise unser Tag. In der Stunde des Abendmahls
hat der Herr das neutestamentliche Priestertum eingesetzt. „Heilige sie in der Wahrheit“
(Joh 17, 17), hat er zum Vater gebetet – für die Apostel und für die Priester
aller Zeiten. In großer Dankbarkeit für die Berufung und in Demut ob all unserer Armseligkeiten
erneuern wir in dieser Stunde unser Ja zum Ruf des Herrn: Ja, ich möchte mich im tiefsten
mit dem Herrn Jesus vereinen, auf mich selbst verzichtend und getrieben von der Liebe
Christi. Amen. (rv 21.04.2011 gs)