2011-04-19 11:57:44

Nigeria: Unruhen zwischen Christen und Moslems nach Präsidentenwahl


RealAudioMP3 Nigerias Präsident Goodluck Jonathan ist bei den Wahlen mit 57 Prozent der Stimmen im Amt bestätigt worden. Dabei brach allerdings der Riss, der Afrikas bevölkerungsreichstes Land (ca. 150 Millionen Einwohner) durchzieht, während der Bekanntgabe der Wahlergebnisse wieder einmal auf: Im mehrheitlich islamischen Nordteil Nigerias kam es zu Protesten und Unruhen. Dort hatte eine Mehrheit für den islamischen Kandidaten, den Ex-General Mohammadu Buhari, gestimmt; die meisten Stimmen für den Christen Goodluck Jonathan kamen hingegen aus dem mehrheitlich christlichen Süden.

Wir haben in Abuja per Telefon Hans-Joachim Brick erreicht – er ist der Vertreter des deutschen kirchlichen Hilfswerkes Misereor in Nigeria. „Die Wahlen als solche waren ja erfreulicherweise friedlich, unter sehr hoher Wahlbeteiligung. Auch erfreulich war zu verzeichnen, dass sehr viele Frauen sich zu den Wahlurnen begeben haben. Man war also optimistisch und froh gestimmt. Als dann aber nach und nach aus den verschiedenen Bundesstaaten die Ergebnisse bekanntgegeben wurden, kam es dann zu Unruhen – damit war teilweise auch gerechnet worden.“

In der Stadt Kano im Norden waren am Montag die Unruhen besonders heftig: Junge Anhänger Buharis griffen Männer an, die sie für Christen hielten, und prügelten sich mit Sicherheitskräften. Gewaltsame Proteste werden auch aus der Stadt Jos gemeldet, wo es in den letzten Jahren immer wieder – und oft aus nichtigem Anlaß – zu Gewalt zwischen Christen und Moslems kommt. In der Stadt Zaria brannte unter anderem eine Baptistenkirche, in Potiskum soll eine aufgebrachte Menge versucht haben, eine Christin anzuzünden.

„Die Menschen hier in Nigeria wählen eben doch primär jemanden aus ihrem Landesteil und ihrer Religionszugehörigkeit. Buhari ist ein Mann des Nordens, ist Muslim, und in den nördlichen Landesteilen ist durchgängig muslimisch gewählt worden. Vor den Wahlen gab es schon Andeutungen: Wenn Buhari nicht Präsident wird, könnte es Unruhe geben, und das ist halt leider auch eingetreten. In den Medien, die ich hier lese, heißt es immer wieder, dass diese Unruhen auch zum Teil geschürt würden von hochrangigen Politikern, die ein Interesse daran hätten, das Land zu destabilisieren, um selber gewisse politische Vorteile daraus zu ziehen. Aber Buhari selber hat ausdrücklich gesagt, er erkenne das Wahlergebnis an, und er sei nicht der Initiator dieser Gewaltausbrüche.“

Die Gewalt ist auch, aber keineswegs nur religiös motiviert: Auch ethnische und soziale Motive spielen eine Rolle. Auch Brick spricht von einer „Gemengelage“: „Nach meiner Einschätzung darf man Armut hier auch nicht vergessen.“ Jonathan, der letztes Jahr nach dem Tod seines Vorgängers Präsident wurde, ruft in einer Erklärung zur Ruhe auf: „Die politischen Ambitionen von wem auch immer“ rechtfertigten nicht „das Blut auch nur eines einzigen Nigerianers“.

„Zum Teil gab es sogar auch hier in der Hauptstadt Abuja Unruhen in einzelnen Stadtteilen; man war also von der dt. Botschaft aus angehalten, diese Plätze zu meiden. Wir deutschen Organisation sind mit der dt. Botschaft immer in Verbindung und bekommen immer die neuesten Lageberichte zur Sicherheitssituation; von daher sind wir gut informiert und können uns entsprechend verhalten.“

Der Erzbischof von Kaduna, Matthew Ndagoso, berichtet von einer angespannten Stimmung in seiner Stadt. Es gebe erste Meldungen über mehrere kirchliche Einrichtungen, die niedergebrannt worden seien. Bisher richte sich die Gewalt vor allem gegen die Polizei und gegen Parteien und staatliche Einrichtungen, doch er sehe die Gefahr, dass danach auch die Christen an der Reihe seien. Immerhin sei aus seiner Sicht „die Demokratisierung Nigerias nicht aufzuhalten“: Immerhin seien die Wahlen der letzten Tage „die transparentesten und fairsten Wahlen, die Nigeria bisher erlebt hat“. Und weiter: „Diejenigen, die nun die Gewalt anzetteln, müssen akzeptieren, dass man sich über Wahlergebnisse nicht hinwegsetzen kann.“

(agenturen/rv/missio 19.04.2011 sk)








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