2011-04-10 10:24:01

Nuntius in Ägypten: „Christen sollten sich mehr anstrengen“


RealAudioMP3 Die Christen in Ägypten sollten sich stärker engagieren, um die derzeitigen Umwälzungen im Land mitzugestalten – und zwar im Interesse aller als Staatsbürger, nicht um nur etwas für sich selbst herauszuschlagen. Das meint der Päpstliche Nuntius in Kairo, Erzbischof Michael Fitzgerald, der früher den Päpstlichen Dialograt geleitet hat. Stefan Kempis fragte ihn am Wochenende, ob der Prozess der Veränderung in Ägypten aus christlicher Sicht in die richtige Richtung läuft.

„Naja – ich glaube, wir sollten die Revolution vom 25. Januar zumindest als eine Gelegenheit sehen, die sich nicht nur den Christen eröffnet hat, sondern allen Bürgern Ägyptens. So sollte man das sehen: Christen und Moslems sind als Bürger gleichermaßen davon betroffen, und wir sollten dies nicht von einem einzigen Standpunkt aus analysieren, sondern als Gelegenheit für alle Ägypter, die Gesellschaft zu verändern.“

Aber viele Kopten und Beobachter von außerhalb sind doch besorgt über die Aussicht, dass die Muslimbruderschaft nach den Wahlen im Herbst an der Macht beteiligt sein könnte. Ist diese Sorge grundlos?

„Wir sind in einer Übergangsphase, die von beidem gezeichnet ist, Unsicherheit und Hoffnung. Sorge ist nicht von der Hand zu weisen, denn die Muslimbruderschaft ist eine Bewegung mit langem Atem, seit 1928 schon: Sie hat eine lange Erfahrung hinter sich und ist gut organisiert. Andererseits repräsentiert sie aber auch keineswegs alle Moslems in Ägypten. Vielmehr gibt es eine Fragmentarisierung auf der Seite der Moslems mit vielen verschiedenen Bewegungen. Derzeit versuchen eine ganze Reihe neuer Parteien, sich zu organisieren und sich für die Septemberwahlen vorzubereiten. Ich glaube, das ist eine Gelegenheit auch für die Christen, mitbeteiligt zu werden. Sorge, ja doch, auch nicht ohne Grund – aber das sollte Christen doch zu größeren Anstrengungen anspornen. Ich freue mich darüber, dass innerhalb der katholischen Kirche jedenfalls mittlerweile viel Wert auf politische Bildung gelegt wird. Das hilft ihnen, die Themen zu verstehen, wenn es um das neue Ägypten geht, einschließlich all der Verfassungsfragen. Es gibt viele verschiedene Treffen, die da stattfinden und die Katholiken einbeziehen, und ich sehe, dass da ein großes Interesse besteht.“

Aber das jüngste Verfassungsreferendum war ziemlich geprägt von religiösen Parteinahmen, und die Kopten fanden sich hinterher auf der Verliererseite wieder. Kann sich dieses Szenario bei den nächsten Wahlen nicht wiederholen?

„Ich würde nicht sagen, dass die Kopten auf der Verliererseite waren: Wir wissen doch gar nicht, wie die Leute abgestimmt haben! Zwar stimmt es natürlich, dass es bei diesem Referendum einen religiösen Faktor gab. Viele Moslems sagten, wenn ihr gegen diese Verfassungsänderungen stimmt, dann kippt ihr damit Artikel zwei der Verfassung, der den Islam als Religion des Staates bezeichnet und die Scharia als hauptsächliche Quelle für die Gesetzgebung. In gewisser Weise wurde da eine Ja-Stimme als religiöse Pflicht hingestellt. Aber es gab auch viele Moslems, die damit nicht einverstanden waren – und es ist doch auch gut möglich, dass Christen für die Verfassungsänderungen gestimmt haben, um die Zeit der Unsicherheit hinter sich zu lassen und den Prozess der Bildung neuer Institutionen voranzubringen. Also, ich glaube auch hier nicht, dass man die Sache nur von einem Blickwinkel aus analysieren darf. Ich glaube, wir sollten das wirklich in einem anderen Licht sehen!“

Sind Sie selbst in Kontakt mit der derzeitigen Militärregierung bzw. mit bekannten Führern der Muslimbruderschaft?

„Der Militärrat leitet derzeit das Land und handelt als vorübergehendes Staatsoberhaupt; General Tantawi nimmt darum z.B. die Beglaubigungsschreiben neuer Botschafter entgegen. Aber wir brauchen derzeit nicht mit ihm zu reden, denn unsere Beziehungen sind normal. Was die Muslimbruderschaft betrifft: Da bin ich selbst nicht in Kontakt mit ihren Führern. Es gab Treffen zwischen Christen und den Führern der Muslimbruderschaft, und aus meiner Sicht ist das auch eher eine Sache der lokalen Kräfte und nicht von auswärtigen Institutionen.“

Was gibt es eigentlich Neues vom unterbrochenen Dialog zwischen dem Heiligen Stuhl und der Kairoer islamischen Universität al-Azhar? Kann dieser Dialog wieder aufgenommen werden – und wenn ja, wann denn?

„Ja – aber das muss man getrennt sehen von den Beziehungen zur Regierung. Wie jeder weiß, hatte Ägypten seine Botschafterin beim Heiligen Stuhl zu Konsultationen ins Land zurückgerufen, aber mittlerweise ist sie wieder am Vatikan und hat ihre Arbeit beim Heiligen Stuhl wiederaufgenommen, und ich selbst stehe auch in gutem Kontakt zum Außenministerium hier. Was den Dialog zwischen dem Päpstlichen Dialograt und al-Azhar betrifft, ist er noch unterbrochen. Aber wir hoffen doch, dass er bald wieder aufs Gleis zurückgebracht werden kann. Darum müssen wir mit al-Azhar reden, und ich werde das sehr bald tun, um herauszufinden, was genau der Grund für das Einfrieren des Dialogs war. Ich glaube, wir alle wissen: Je mehr Dialog wir heutzutage haben, umso besser ist es! Darum werden wir versuchen, sie zu überzeugen, dass es besser ist, miteinander zu reden, selbst wenn wir Differenzen haben, als die Beziehungen abzubrechen.“

Haben Sie schon einen konkreten Gesprächstermin mit einem al-Azhar-Vertreter?

„Sagen wir mal so: Da wird jetzt gerade etwas arrangiert. Ja, da ist etwas im Gang…“

(rv 09.04.2011 sk)








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