Johannes Paul II.: Licht und Schatten eines Pontifikates
Geliebt wurde und
wird er vor allem im katholischen Polen, doch auch Kritik an Johannes Paul II. gab
es nicht wenig und zwar schon zu seinen Lebzeiten. Ein Kollegengespräch über diesen
auch kontroversen Papst mit Stefan Kempis.
„Er war ein sehr umstrittener
Papst. Das ging schon los, als er 1978 im Oktober auf den Stuhl Petri gewählt wurde.
Einige in Deutschland sagten damals schon: Das ist doch ein Mann, der aus einer totalitären
Struktur kommt in der Kirche, der in Polen eine Art Wagenburgmentalität erlebt hat.
Und es könnte sein, dass sich das an manchen seiner Entscheidungen zeigt. Tatsächlich
gab es immer wieder Bischofsernennungen, wo viele Kritiker – auch im deutschen Sprachraum
– gesagt haben: Das ist verheerend. Ich erinnere, und das ist nur ein Beispiel von
vielen, an den ehemaligen Erzbischof von Wien, Kardinal Hermann Groër. Solche Entscheidungen
haben, das muss man auch bei einem seligen Johannes Paul im Rückblick nicht beschönigen,
die Kirche in Österreich schweren inneren Prüfungen ausgesetzt. Kardinal Schönborn
kann heute sicher noch ein Lied davon singen, wie schwer das war.“
Umstritten
war ja auch etwa die Heiligsprechung des umstrittenen Opus Dei-Gründers Josemaria
Escrivà und Johannes Pauls Freundschaft zum nachweislich pädophilen und kriminellen
Ordensgründer der Legionäre Christi, Marcial Maciel. Durch letztere geriet im Übrigen
ja auch das Seligsprechungsverfahren zeitweise ins Stocken. Auch bei Hermann Groër
wurden die Missbrauchsvorwürfe 1995 bestätigt. Schon damals forderte das Kirchen-Volksbegehren
in Österreich eine grundlegende Erneuerung der katholischen Kirche. Heute haben wir
das Theologen-Memorandum – wo würde Papst Johannes Paul II. da anecken?
„Er
würde sicher mit den gleichen Themen anecken, mit denen er schon zu seinen Lebzeiten
der große unbequeme innerhalb der Kirche war, nämlich mit seinem Festhalten am Zölibat
in der römisch-katholischen Kirche, mit seiner – zwar von der Wertschätzung der Frau
unterfütterten, aber doch sehr klaren Haltung gegen di Priesterweihe für die Frau.
Das sind Positionen, mit denen auch Benedikt XVI., sein enger Mitarbeiter über ein
Vierteljahrhundert hinweg, sich heute innerkirchlich bei Manchen keine Freunde macht.
An Klarheit hat es Johannes Paul II. nie fehlen lassen während seines Pontifikates.
Nicht nur darum, aber auch darum hatte er auch innerkirchlich sehr klare Gegner gehabt.
Und all das darf man jetzt im Jubel der Seligsprechung auch nicht vergessen.“
Nach
wie vor ungeklärt ist ja, wie aktiv der polnische Papst den Kommunismus auch politisch
bekämpft hat und ob zum Beispiel Vatikangeld an die polnische Gewerkschaft Solidarnosc
geflossen ist. Genauere Antworten dazu wird es wohl erst in Jahrzehnten geben, wenn
die Johannes Pauls Akten im Geheimarchiv des Vatikans freigegeben werden, oder?
„Wie
viel Johannes Paul II. jetzt zum Sturz des Kommunismus beigetragen hat, ist sehr umstritten.
Manche Bücher tun ja fast so, als habe er mit der CIA in seinem Büro zusammen gesessen
und Satellitenfotos von russischen Panzerbewegungen in Richtung polnischer Grenze
ausgewertet. Aus den schriftlichen Quellen ergibt sich bisher nur, dass er eigentlich
erstaunlich wenig Einfluss hatte, weil die meiste Zeit in Polen der sehr dominante
Primas Wyszynski von Warschau saß, dessen zweiter Mann der Erzbischof von Krakau Wojtyla
lange Zeit gewesen war. Es war also eigentlich Wyszynski und nicht der Mann im fernen
Rom, der über Wohl und Weh der polnischen Kirche und ihren Umgang mit dem damaligen
kommunistischen Regime entschied. Es kann aber auch durchaus sein, dass man den Einfluss
von Johannes Paul II. in dieser Sache überschätzt hat.“
Stefan, du hast
viele Angelus-Gebete mit Papst Johannes Paul hautnah miterlebt und auch mit vielen
Fans und Kritikern gesprochen, die direkt mit ihm zu tun hatten. Ein, zwei persönliche
Einsichten?
„Ich habe zum Beispiel Gespräche mit Professoren in Erinnerung,
einem Professor, der damals zu einer Aids-Konferenz in den Vatikan anreiste, ein guter
Katholik und Professor aus Deutschland, der dem Papst irgendetwas zur Moraltheologie
im privaten Gespräch sagte, und daraufhin sei Johannes Paul mit rotem Gesicht aufgebraust
und habe gerufen: Ich bin doch hier der Papst! Also es gab auch diesen, von vielen
als starr empfundenen Johannes Paul, es gab nicht nur den, den wir uns im Rückblick
als eine Art Großvater seiner Kirche in den letzten Amtsjahren in Erinnerung behalten
haben, sondern auch den kraftstrotzenden und manchmal auftrumpfenden Papst Wojtyla.
Es tut seiner Seligkeit keinen Abbruch, wenn man sagt, er war eine Persönlichkeit
mit sehr vielen Facetten, eine sehr reiche Persönlichkeit. Und wie das so oft ist
bei vielen großen Menschen der Kirchengeschichte werfen sie auch sehr lange Schatten.“