2011-04-08 11:51:15

Johannes Paul II.: Licht und Schatten eines Pontifikates


RealAudioMP3 Geliebt wurde und wird er vor allem im katholischen Polen, doch auch Kritik an Johannes Paul II. gab es nicht wenig und zwar schon zu seinen Lebzeiten. Ein Kollegengespräch über diesen auch kontroversen Papst mit Stefan Kempis.


„Er war ein sehr umstrittener Papst. Das ging schon los, als er 1978 im Oktober auf den Stuhl Petri gewählt wurde. Einige in Deutschland sagten damals schon: Das ist doch ein Mann, der aus einer totalitären Struktur kommt in der Kirche, der in Polen eine Art Wagenburgmentalität erlebt hat. Und es könnte sein, dass sich das an manchen seiner Entscheidungen zeigt. Tatsächlich gab es immer wieder Bischofsernennungen, wo viele Kritiker – auch im deutschen Sprachraum – gesagt haben: Das ist verheerend. Ich erinnere, und das ist nur ein Beispiel von vielen, an den ehemaligen Erzbischof von Wien, Kardinal Hermann Groër. Solche Entscheidungen haben, das muss man auch bei einem seligen Johannes Paul im Rückblick nicht beschönigen, die Kirche in Österreich schweren inneren Prüfungen ausgesetzt. Kardinal Schönborn kann heute sicher noch ein Lied davon singen, wie schwer das war.“

Umstritten war ja auch etwa die Heiligsprechung des umstrittenen Opus Dei-Gründers Josemaria Escrivà und Johannes Pauls Freundschaft zum nachweislich pädophilen und kriminellen Ordensgründer der Legionäre Christi, Marcial Maciel. Durch letztere geriet im Übrigen ja auch das Seligsprechungsverfahren zeitweise ins Stocken. Auch bei Hermann Groër wurden die Missbrauchsvorwürfe 1995 bestätigt. Schon damals forderte das Kirchen-Volksbegehren in Österreich eine grundlegende Erneuerung der katholischen Kirche. Heute haben wir das Theologen-Memorandum – wo würde Papst Johannes Paul II. da anecken?

„Er würde sicher mit den gleichen Themen anecken, mit denen er schon zu seinen Lebzeiten der große unbequeme innerhalb der Kirche war, nämlich mit seinem Festhalten am Zölibat in der römisch-katholischen Kirche, mit seiner – zwar von der Wertschätzung der Frau unterfütterten, aber doch sehr klaren Haltung gegen di Priesterweihe für die Frau. Das sind Positionen, mit denen auch Benedikt XVI., sein enger Mitarbeiter über ein Vierteljahrhundert hinweg, sich heute innerkirchlich bei Manchen keine Freunde macht. An Klarheit hat es Johannes Paul II. nie fehlen lassen während seines Pontifikates. Nicht nur darum, aber auch darum hatte er auch innerkirchlich sehr klare Gegner gehabt. Und all das darf man jetzt im Jubel der Seligsprechung auch nicht vergessen.“

Nach wie vor ungeklärt ist ja, wie aktiv der polnische Papst den Kommunismus auch politisch bekämpft hat und ob zum Beispiel Vatikangeld an die polnische Gewerkschaft Solidarnosc geflossen ist. Genauere Antworten dazu wird es wohl erst in Jahrzehnten geben, wenn die Johannes Pauls Akten im Geheimarchiv des Vatikans freigegeben werden, oder?

„Wie viel Johannes Paul II. jetzt zum Sturz des Kommunismus beigetragen hat, ist sehr umstritten. Manche Bücher tun ja fast so, als habe er mit der CIA in seinem Büro zusammen gesessen und Satellitenfotos von russischen Panzerbewegungen in Richtung polnischer Grenze ausgewertet. Aus den schriftlichen Quellen ergibt sich bisher nur, dass er eigentlich erstaunlich wenig Einfluss hatte, weil die meiste Zeit in Polen der sehr dominante Primas Wyszynski von Warschau saß, dessen zweiter Mann der Erzbischof von Krakau Wojtyla lange Zeit gewesen war. Es war also eigentlich Wyszynski und nicht der Mann im fernen Rom, der über Wohl und Weh der polnischen Kirche und ihren Umgang mit dem damaligen kommunistischen Regime entschied. Es kann aber auch durchaus sein, dass man den Einfluss von Johannes Paul II. in dieser Sache überschätzt hat.“

Stefan, du hast viele Angelus-Gebete mit Papst Johannes Paul hautnah miterlebt und auch mit vielen Fans und Kritikern gesprochen, die direkt mit ihm zu tun hatten. Ein, zwei persönliche Einsichten?

„Ich habe zum Beispiel Gespräche mit Professoren in Erinnerung, einem Professor, der damals zu einer Aids-Konferenz in den Vatikan anreiste, ein guter Katholik und Professor aus Deutschland, der dem Papst irgendetwas zur Moraltheologie im privaten Gespräch sagte, und daraufhin sei Johannes Paul mit rotem Gesicht aufgebraust und habe gerufen: Ich bin doch hier der Papst! Also es gab auch diesen, von vielen als starr empfundenen Johannes Paul, es gab nicht nur den, den wir uns im Rückblick als eine Art Großvater seiner Kirche in den letzten Amtsjahren in Erinnerung behalten haben, sondern auch den kraftstrotzenden und manchmal auftrumpfenden Papst Wojtyla. Es tut seiner Seligkeit keinen Abbruch, wenn man sagt, er war eine Persönlichkeit mit sehr vielen Facetten, eine sehr reiche Persönlichkeit. Und wie das so oft ist bei vielen großen Menschen der Kirchengeschichte werfen sie auch sehr lange Schatten.“


Die Fragen stellte Anne Preckel.

(rv 07.04.2011 pr)







All the contents on this site are copyrighted ©.