Nach Erdbeben und
Tsunami könnte Japan vor einer nuklearen Katastrophe stehen. Im Kernkraftwerk Fukushima
nördlich von Tokio hat es am vergangenen Dienstag in einem weiteren Reaktor eine Explosion
gegeben, dabei soll massiv radioaktive Strahlung ausgetreten sein. Die Hilfe für die
ohnehin schwer betroffene Bevölkerung könnte dadurch noch schwieriger werden. Reinhard
Würkner ist Referatsleiter der Caritas in Asien und im Augenblick für die Hilfe in
Japan zuständig. Im Gespräch mit Radio Vatikan hat Würkner die momentane Lage im Unglücksgebiet
geschildert:
„Die Lage ist desolat, es ist im Augenblick das totale Chaos
ausgebrochen. Es gibt viele Sachen nicht mehr zu kaufen, Benzin und Lebensmittel werden
knapp, viele Verkehrsmittel funktionieren nicht mehr. Viele Verbindungen in den Norden
sind immer noch abgebrochen. Es gibt kaum Kontakt, bis Sonntagmittag war das Telefonnetz
zusammengebrochen. Die Kollegen in Tokio hatten auch keine Kontakte in die Unglücksgebiete,
sie waren selber am rätseln, was genau los ist. Erst Sonntagmittag klappte das erste
Gespräch zwischen den Kollegen und man konnte sich darüber austauschen, wie nun genau
die Lage ist. Wobei das im Augenblick immer noch unüberschaubar ist, weil man noch
immer nicht das ganze Ausmaß der Katastrophe erfassen kann.“
Fast eine
halbe Million Menschen sind seit dem verheerenden Erdbeben und dem anschließenden
Tsunami von vergangenem Freitag obdachlos. Weitere 200.000 Menschen haben ihre Häuser
in der Gefahrenzone der Atomkraftwerke verlassen müssen. Für Behörden und Hilfsorganisationen
wie die Caritas stellt das eine enorme logistische Herausforderung dar.
„Im
Augenblick geht es darum, jenen Leuten, die in Notunterkünften, beispielsweise in
Turnhallen, Schulen usw. untergebracht sind, eine gewisse Grundversorgung zukommen
zu lassen. Wobei man feststellen muss, dass der japanische Staat sehr viel tut. Es
gibt so eine Art Heimatschutztruppen, deren Hauptaufgabe die Nothilfe ist und die
das auch professionell machen und erfahren sind. Sie kümmern sich auch bis zu einem
gewissen Grad um die Versorgung der Leute, alle werden aber nicht erreicht. Selbst
jene, die erreicht werden, erhalten nur einen gewissen Teil der notwendigen Nahrungsmittel.
Hier wird sich die Kirche einsetzen. Die Caritas in Japan ist verhältnismäßig klein,
das heißt, sie arbeitet überwiegend über die Kirchengemeinden.“
Die katholische
Kirche in Japan hat etwas mehr als eine halbe Million Mitglieder, das entspricht nur
0,7 Prozent aller Einwohner. Angesichts des Ausmaßes der Zerstörung helfen die kleinen
Kirchengemeinden, wo sie können.
„Also die Kirchengemeinden haben auch ihre
Gemeinschaftssäle, zum Teil sogar ihre Kirchen für die Opfer geöffnet, die dort notdürftig
untergebracht werden. Sie werden versorgt, sie bekommen zu essen, Decken, Matratzen,
auf denen die Leute liegen können. Das ist im Augenblick das, was man tun kann. Morgen
wird ein Team nach Norden aufbrechen und sich versuchen durchzuschlagen, um dort mit
den Kollegen vor Ort die Lage zu besprechen und weitere Schritte festzulegen. Das
Problem ist die Atomkatastrophe, die den Tsunami in den Schatten stellt. Daher muss
man erst sehen, was für die Kollegen vor Ort möglich ist. Hinzu kommt, dass es ja
laufend wieder Nachbeben gibt, und das verunsichert die Leute natürlich massiv. Die
Bedingungen, unter denen die Leute im Moment arbeiten, sind äußerst schwer.“
Eine
Atomkatastrophe würde die Hilfe für die Menschen in Japan stark einschränken. Schon
jetzt gibt es Probleme durch die Zwischenfälle im Atomkraftwerk Fukushima Eins und
die kilometerweite Sperrzone.
„Das Gebiet, das rund um die Kernkraftwerke
aus Sicherheitsgründen geräumt wird, wird ja immer weiter ausgedehnt. Im Prinzip darf
da eigentlich gar niemand mehr rein. Das heißt, da ist sowieso nichts möglich. Wenn,
dann gibt es nur außerhalb dieses Gebietes Möglichkeiten. Die Schäden sind ja so enorm,
dass es vermutlich Wochen dauern wird, bis irgendwie alles wieder einigermaßen geregelt
in Gang kommt. Wobei natürlich diese massiven Schäden auch eine massive Belastung
der Psyche mit sich gebracht haben – und zwar nicht nur der Betroffenen, sondern auch
derer, die das nur gesehen haben und nicht unmittelbar betroffen sind. Und das bringt
sozusagen eine gewisse Geschwindigkeitsreduzierung in den ganzen Maßnahmen mit sich.“
Eine
nukleare Katastrophe könnte die Hilfe also noch weiter erschweren. Am vergangenen
Dienstag ist durch einen Brand im Atomkraftwerk Fukushima Eins radioaktive Strahlung
ausgetreten. Regierungsvertreter warnen bereits vor Auswirkungen auf die Gesundheit.
Würkner ist sich dieser Gefahr für sich, die Helfer und die Bevölkerung durchaus bewusst.
„Also das Wichtigste ist natürlich, dass die Strahlung aufhört. Dass man
dann flächendeckend rangehen kann. Wenn das der Fall sein sollte, bin ich sicher,
dass relativ bald aufgeräumt werden kann und es dann in den Wiederaufbau geht. Die
Caritas Japan hat ja auch als wichtiges Ziel ihrer Arbeit die Unterstützung des Wiederaufbaus
ins Auge gefasst. Das heißt, dass die Nothilfen, die jetzt geleistet werden, relativ
begrenzt sein werden. Wesentlich wichtiger ist dann die zweite Phase, der Wiederaufbau.
Wobei man noch sehen muss, wie lange das dauern wird.“
Wenn Sie für die
Opfer der Katastrophe in Japan spenden möchten: Die Caritas hat auf ihrer Homepage
im Internet eine Spendenseite eingerichtet, zu erreichen unter www.caritas.de