Die Vatikanischen
Museen haben ihr Angebot für Menschen mit Behinderungen ausgeweitet: Blinde Besucher
erhalten Spezialführungen, bei denen sie Kunstwerke aus den weltberühmten Sammlungen
ertasten können. Für Gehörlose steht eine Person zur Verfügung, die die italienische
Gebärdensprache beherrscht. Erarbeitet hat das Programm die Kunsthistorikerin Anna
Maria Serlupi Crescenzi, sie leitet die Abteilung für Didaktik an den Vatikanischen
Museen.
„Die Blinden haben bei uns seit Anfang der 90er Jahre die Möglichkeit,
Statuen aus unseren Sammlungen tastend zu erfahren, und zwar im Museo Gregoriano profano.
Dort gibt es viele antike römische Statuen – und viel Ruhe. Denn diese Form der Annäherung
durch Tasten braucht viel Zeit, das sind Rhythmen, die denen eines eiligen Massentourismus
nicht entsprechen. Das war der Anfang. Wir waren damals Avantgarde. Dann haben wir
dem einen neuen Baustein hinzugefügt: wir stellen den blinden Besuchern jetzt auch
Gemälde und Fresken aus unserer Pinakothek vor. Zunächst das Engel-Fresko von Merlozzo
da Forli, das wir auf einer eigens angefertigten Relieftafel reproduziert haben. Und
dann die Grablegung von Caravaggio.“
Das Gemälde wurde als Relief angefertigt.
Mit ihrem Fachwissen rekonstruierten hauseigene Restauratoren auch die Zusammenstellung
der Farben, wie sie Caravaggio benutzt haben muss.
„Die Blinden können
die Aloe und die Myrrhe aus der Farbe riechen, die Pinselstriche fühlen, wir geben
ihnen ein Stück Leinen, wie es im 17. Jahrhundert gewebt wurde. Da kann man lernen,
aber eben auch fühlen. Es steckt nicht nur Wissen drin, sondern auch Leidenschaft:
das Schlüsselwort für jede Form von Wissensweitergabe.“
Das Personal,
das die Spezial-Führungen für Blinde und Gehörlose durchführt, ist sorgfältig ausgewählt
und auf die Wahrnehmung mit allen Sinnen geschult: Hören, Riechen, Tasten. Ein Sprecher
und ein Musiker stimmen die blinden Besucher mit einem Bibeltext und gregorianischen
Gesängen auf das Werk ein, dann informiert der Museumspädagoge über den Künstler und
die Epoche. Anna Rita de Bonis, eine blinde Kunstinteressentin:
„Es macht
mich unendlich froh, diese Reproduktionen sehen zu können, diese prospektivischen
Reliefs. Ich habe gelernt, dass man auch Gemälde mit dem Tastsinn sehen kann. Das
war vorher ja noch nie irgendwo möglich. Höchstens konnte man mal eine Skulptur ertasten.
Ich habe verstanden, dass wenn man eine Sache nur machen will, dann kann man das tun.
Es war viel Arbeit notwendig, aber nun können auch wir Blinden Gemälde und Fresken
auf unsere Art erfahren.“