Überraschung bei der
heutigen Stellungnahme des deutschen Ethikrates zur umstrittenen Frage zur Anwendung
der so genannten Prä-Implantations-Diagnostik. Dabei geht es um die heikle Frage,
unter welchen Umständen ein künstlich im Labor erzeugter Embryo auf genetische Defekte
und damit auf potentielle Krankheiten hin untersucht werden darf. Die Hälfte der Mitglieder
hat in seiner Empfehlung für den deutschen Bundesrat für eine solche Untersuchung
im Falle eines hohen medizinischen Risikos gestimmt. Der stellvertretende Vorsitzende
des Ethikrates, der Moraltheologe Eberhard Schockenhoff, hat im Gespräch mit Radio
Vatikan nicht mit einem derart großen Anteil der Befürworter gerechnet:
"Aus
meiner Sicht ist das Ergebnis überraschend, weil sich die Befürworter und die Gegner
der PID sich annähernd die Waage halten. Auch die Befürworter einer engen Zulassung,
die genau geregelt ist, verfügen über keine Mehrheit im Ethikrat. Das ist doch ein
bemerkenswertes Ergebnis."
Kritiker dieser genetischen Untersuchung sprechen
davon, dass durch eine derartige Untersuchung eine Trennung zwischen lebenswertem
und lebensunwertem Leben gezogen werden könnte. Eine Begrenzung auf bestimmte Krankheitsfälle
könne gar nicht eingehalten werden. Wie stehen Sie zu dieser Kritik?
"Wenn
es nur darum ginge, dass man Tot- und Fehlgeburten schon frühzeitig erkennt, dann
wäre das eine andere Sache. Denn dann würde ein Embryo ja nicht ausgesondert, weil
er nicht leben soll, sondern weil er nicht leben kann, weil er nicht lebensfähig ist.
Bei allen anderen Indikationen - wenn es also um schwere genetische Schädigungen geht,
die nicht unmittelbar die Lebensfähigkeit betreffen, da wäre es tatsächlich so, dass
eine Aussonderung nach dem Kriterium von lebenswert oder lebensunwert vorgenommen
wird. Die Entscheidung darüber steht eigentlich in unserer Rechtsordnung niemandem
zu, auch nicht Ärzten und auch nicht Eltern."
Herr Schockenhoff, als stellvertretender
Vorsitzender des deutschen Ethikrates, was erwarten Sie sich jetzt von der Politik?
"Die
Stellungnahme ist sowohl in der Begründung der Befürworter einer engen Zulassung als
auch derer, die ein Verbot fordern, sehr differenziert. Deshalb wird diese Stellungnahme
auf die Diskussion in Deutschland, auf die öffentliche Debatte einen positiven Einfluss
haben. Die Politik wird das genau studieren. Natürlich werden die Abgeordneten vor
allem nach Argumenten suchen, die ihre eigene Position stützen. Dann wird man sehen,
zu welchen Ergebnissen die parlamentarischen Beratungen führen. Aber das ist nach
dieser Stellungnahme auch wieder ein Stück weit offener geworden als das vielleicht
zunächst schon schien."
Hintergrund In Deutschland gilt
die Präimplantationsdiagnostik als strafbar, weil sie nicht im Embryonenschutzgesetz
angeführt wird. Allerdings hat der Bundesgerichtshof eine Auswahl künstlich befruchteter
Eizellen bei Paaren mit einer Veranlagung zu schweren Erbschäden erlaubt. Um diese
rechtliche Unklarheit zu beseitigen, will sich der Bundestag kommende Woche mit dem
Thema befassen. Dazu liegen bereits drei Gesetzesentwürfe vor, im Juni soll es dann
eine Entscheidung geben. (rv 08.03.2011 ak)