Eine Gedenkmesse für
den ermordeten pakistanischen Minister Shahbaz Bhatti feiert in Rom an diesem Sonntagnachmittag
der vatikanische Verantwortliche für den interreligiösen Dialog, Kardinal Jean-Louis
Tauran. In der pakistanischen Hauptstadt Islamabad nahmen am Freitagabend tausende
Menschen, darunter Politiker und Kirchenvertreter, am Staatsbegräbnis des ermordeten
Politikers teil. Zahlreiche Bürger waren nach dem Mord vom Mittwoch auf die Straßen
gegangen, um friedlich gegen Gewalt und Terrorismus zu protestieren.
Bhatti,
der bis dato einzige christliche Minister des Landes, war zuständig für religiöse
Minderheiten. Er geriet ins Visier extremer Islamisten, weil er für Reformen am so
genannten Blasphemiegesetz eintrat. Das Gesetz gegen Schmähung der Religion bezieht
sich auf alle Religionen, wird aber häufig vor allem gegen die christliche Minderheit
Pakistans missbraucht. Bei Beleidigung des Propheten Mohammad ist zum Beispiel die
Todesstrafe vorgesehen. Der sehr dehnbare Paragraph werde oft aus persönlichen Gründen
gegen religiöse Minderheiten verwendet, erläutert Harald Suermann, Referent für Pakistan
beim internationalen katholischen Missionswerk missio, im Interview mit Radio Vatikan.
Und er nennt ein Beispiel:
„Es gab auch einen Fall, wo sich jemand
nicht ausreichend die Hände gewaschen hat, als er einen Koran anfasste. Es hieß, das
sei schon eine Beleidigung des Korans. Also man kann diese Sache beliebig ausweiten.
Und es nicht mal nötig, genauere Untersuchungen durchzuführen, was denn jetzt wirklich
geschehen ist. Denn häufig ist der Mopp schon vorweg und ermordet den Angeklagten,
bevor überhaupt ein Urteil gesprochen wird. Also es ist ein Gummi-Paragraph, der beliebig
eingesetzt werden kann.“
Schon zu Jahresbeginn wurde in Pakistan ein hochrangiger
Politiker der regierenden Volkspartei umgebracht, der Gouverneur der Punjab-Provinz
Salman Taseer. Auch er hatte sich gegen das Blasphemiegesetz ausgesprochen. Warum
nehmen solche Aggressionen in den letzten Monaten zu?
„Die Radikalisierung
ist sicherlich eine Auseinandersetzung zwischen den Islamisten, die in der Region
stärker geworden sind – Afghanistan liegt ja nicht weit – und dem Staat auf der anderen
Seite. Der Staat ist ja eigentlich ein wichtiger Verbündeter gegen die radikalen Islamisten
und steht auf der Seite Amerikas. Wobei gleichzeitig gesagt werden muss, dass der
Staat Kompromisse sucht und nicht mit aller Klarheit gegen diese Attentäter vorgegangen
ist. 3.12 Der Attentäter des Gouverneurs von Punjab ist ja als ein Held gefeiert worden.
Und letztendlich hat der Staat versäumt, dort klar durchzugreifen und zu verurteilen.
Man macht da einen Zickzacklauf und das gibt den Islamisten natürlich immer mehr Spielraum.“
In der Tat ist die Haltung der pakistanischen Regierung in der Blasphemie-Frage
ambivalent. So wies sie Papst Benedikts Forderung, den Paragraphen abzuschaffen, scharf
zurück; zeitgleich brannten bei Demos im Land Bilder des Papstes. Andererseits ging
der Fall von Asia Bibi zumindest in Berufung; die Christin sitzt immer noch im Gefängnis...
„Dass
der Staat sich gegen eine klare Stellungnahme von Papst Benedikt XVI. wehrt, ist ein
Zeichen dafür, dass er natürlich Angst davor hat, klar Stellung zu beziehen gegen
die Islamisten. Er ist ja einerseits abhängig von Amerikas Unterstützung, andererseits
von der in weiten Teilen sehr islamistischen Stimmung im Volk. Kompromisse mit den
Islamisten zu schließen bedeutet, den Islamisten mehr Raum zu geben.“
Viele
der mehrheitlich muslimischen Pakistani sind für Beibehaltung des Paragraphen. Auch
deshalb setzte sich Bhatti nicht für eine Abschaffung, sondern eine Änderung des Gesetzes
ein – eben in die Richtung, dass das Gesetz zum Beispiel nicht für persönliche
Rachezwecke missbraucht werden kann. Halten Sie eine solche Änderung in der nächsten
Zeit für realistisch?
„Es wäre ein wichtiger Schritt in diese Richtung,
aber ich habe nicht die Hoffnung, dass das in nächster Zeit geschehen kann. Dafür
ist die Stimmung zu islamistisch und der Staat im Moment noch zu schwach.“
Was
kann denn überhaupt getan werden, um die Akzeptanz gegenüber religiösen Minderheiten
wie der Christen in Pakistan zu erhöhen?
„Die Kirche tut Einiges auf diesem
Gebiet und zwar schon seit Jahren und in zweierlei Hinsicht: Einerseits wird die Kirche
Initiativen ergreifen für den Dialog. Auch wir von missio unterstützen viele von diesen
Initiativen, bei denen es darum geht, mit Muslimen ins Gespräch zu kommen. Und das
Interesse zu zeigen, dass man zusammen leben kann, dass man gemeinsame religiöse Werte
hat, dass man keinen Kreuzzug gegen die Muslime vorhat. Auf der anderen Seite gibt
es Menschenrechtsgruppen, die auch von der Kirche unterstützt werden – und Bhatti
gehörte ja auch zu solchen Gruppen. Sie setzen sich dafür ein, dass Menschenrechte
beachtet und verwirklicht werden. Dieser Einsatz ist gefährlich, wir zittern oft mit
unseren Partnern, wenn sie die Anträge stellen. Wir bewundern ihren Mut. Aber es bleibt
der einzige Weg.“
Bhatti wird heute schon als Märtyrer gehandelt. Ist das
der einzige Weg zur Religionsfreiheit in Pakistan?
„Bhatti war ein mutiger
Mensch, der für die Gleichberechtigung der Minderheiten eingetreten ist, der Christen,
der Hindus und der Achmadis. Sein Tod ist natürlich ein sehr großer Verlust. Es gibt
die Aussage aus kirchlichen Kreisen, dass sein Blut nicht umsonst vergossen wurde,
dass es Beginn einer Revolution sein kann, einer friedlichen Revolution, die sich
auch über Jahre hinziehen kann. Bhattis Blut wird sicher dieses Engagement stärken.“
Herr
Suermann, vielen Dank für dieses Gespräch. (rv 04.03.2011 pr)