2011-03-06 10:20:17

Vatikan: Gedenken an Shahbaz Bhatti


RealAudioMP3 Eine Gedenkmesse für den ermordeten pakistanischen Minister Shahbaz Bhatti feiert in Rom an diesem Sonntagnachmittag der vatikanische Verantwortliche für den interreligiösen Dialog, Kardinal Jean-Louis Tauran. In der pakistanischen Hauptstadt Islamabad nahmen am Freitagabend tausende Menschen, darunter Politiker und Kirchenvertreter, am Staatsbegräbnis des ermordeten Politikers teil. Zahlreiche Bürger waren nach dem Mord vom Mittwoch auf die Straßen gegangen, um friedlich gegen Gewalt und Terrorismus zu protestieren.

Bhatti, der bis dato einzige christliche Minister des Landes, war zuständig für religiöse Minderheiten. Er geriet ins Visier extremer Islamisten, weil er für Reformen am so genannten Blasphemiegesetz eintrat. Das Gesetz gegen Schmähung der Religion bezieht sich auf alle Religionen, wird aber häufig vor allem gegen die christliche Minderheit Pakistans missbraucht. Bei Beleidigung des Propheten Mohammad ist zum Beispiel die Todesstrafe vorgesehen. Der sehr dehnbare Paragraph werde oft aus persönlichen Gründen gegen religiöse Minderheiten verwendet, erläutert Harald Suermann, Referent für Pakistan beim internationalen katholischen Missionswerk missio, im Interview mit Radio Vatikan. Und er nennt ein Beispiel:


„Es gab auch einen Fall, wo sich jemand nicht ausreichend die Hände gewaschen hat, als er einen Koran anfasste. Es hieß, das sei schon eine Beleidigung des Korans. Also man kann diese Sache beliebig ausweiten. Und es nicht mal nötig, genauere Untersuchungen durchzuführen, was denn jetzt wirklich geschehen ist. Denn häufig ist der Mopp schon vorweg und ermordet den Angeklagten, bevor überhaupt ein Urteil gesprochen wird. Also es ist ein Gummi-Paragraph, der beliebig eingesetzt werden kann.“

Schon zu Jahresbeginn wurde in Pakistan ein hochrangiger Politiker der regierenden Volkspartei umgebracht, der Gouverneur der Punjab-Provinz Salman Taseer. Auch er hatte sich gegen das Blasphemiegesetz ausgesprochen. Warum nehmen solche Aggressionen in den letzten Monaten zu?

„Die Radikalisierung ist sicherlich eine Auseinandersetzung zwischen den Islamisten, die in der Region stärker geworden sind – Afghanistan liegt ja nicht weit – und dem Staat auf der anderen Seite. Der Staat ist ja eigentlich ein wichtiger Verbündeter gegen die radikalen Islamisten und steht auf der Seite Amerikas. Wobei gleichzeitig gesagt werden muss, dass der Staat Kompromisse sucht und nicht mit aller Klarheit gegen diese Attentäter vorgegangen ist. 3.12 Der Attentäter des Gouverneurs von Punjab ist ja als ein Held gefeiert worden. Und letztendlich hat der Staat versäumt, dort klar durchzugreifen und zu verurteilen. Man macht da einen Zickzacklauf und das gibt den Islamisten natürlich immer mehr Spielraum.“

In der Tat ist die Haltung der pakistanischen Regierung in der Blasphemie-Frage ambivalent. So wies sie Papst Benedikts Forderung, den Paragraphen abzuschaffen, scharf zurück; zeitgleich brannten bei Demos im Land Bilder des Papstes. Andererseits ging der Fall von Asia Bibi zumindest in Berufung; die Christin sitzt immer noch im Gefängnis...

„Dass der Staat sich gegen eine klare Stellungnahme von Papst Benedikt XVI. wehrt, ist ein Zeichen dafür, dass er natürlich Angst davor hat, klar Stellung zu beziehen gegen die Islamisten. Er ist ja einerseits abhängig von Amerikas Unterstützung, andererseits von der in weiten Teilen sehr islamistischen Stimmung im Volk. Kompromisse mit den Islamisten zu schließen bedeutet, den Islamisten mehr Raum zu geben.“

Viele der mehrheitlich muslimischen Pakistani sind für Beibehaltung des Paragraphen. Auch deshalb setzte sich Bhatti nicht für eine Abschaffung, sondern eine Änderung des Gesetzes ein eben in die Richtung, dass das Gesetz zum Beispiel nicht für persönliche Rachezwecke missbraucht werden kann. Halten Sie eine solche Änderung in der nächsten Zeit für realistisch?

„Es wäre ein wichtiger Schritt in diese Richtung, aber ich habe nicht die Hoffnung, dass das in nächster Zeit geschehen kann. Dafür ist die Stimmung zu islamistisch und der Staat im Moment noch zu schwach.“

Was kann denn überhaupt getan werden, um die Akzeptanz gegenüber religiösen Minderheiten wie der Christen in Pakistan zu erhöhen?

„Die Kirche tut Einiges auf diesem Gebiet und zwar schon seit Jahren und in zweierlei Hinsicht: Einerseits wird die Kirche Initiativen ergreifen für den Dialog. Auch wir von missio unterstützen viele von diesen Initiativen, bei denen es darum geht, mit Muslimen ins Gespräch zu kommen. Und das Interesse zu zeigen, dass man zusammen leben kann, dass man gemeinsame religiöse Werte hat, dass man keinen Kreuzzug gegen die Muslime vorhat. Auf der anderen Seite gibt es Menschenrechtsgruppen, die auch von der Kirche unterstützt werden – und Bhatti gehörte ja auch zu solchen Gruppen. Sie setzen sich dafür ein, dass Menschenrechte beachtet und verwirklicht werden. Dieser Einsatz ist gefährlich, wir zittern oft mit unseren Partnern, wenn sie die Anträge stellen. Wir bewundern ihren Mut. Aber es bleibt der einzige Weg.“

Bhatti wird heute schon als Märtyrer gehandelt. Ist das der einzige Weg zur Religionsfreiheit in Pakistan?

„Bhatti war ein mutiger Mensch, der für die Gleichberechtigung der Minderheiten eingetreten ist, der Christen, der Hindus und der Achmadis. Sein Tod ist natürlich ein sehr großer Verlust. Es gibt die Aussage aus kirchlichen Kreisen, dass sein Blut nicht umsonst vergossen wurde, dass es Beginn einer Revolution sein kann, einer friedlichen Revolution, die sich auch über Jahre hinziehen kann. Bhattis Blut wird sicher dieses Engagement stärken.“

Herr Suermann, vielen Dank für dieses Gespräch.
(rv 04.03.2011 pr)








All the contents on this site are copyrighted ©.