Kirchenaustritte in Bayern: Im Dialog das Vertrauen wieder gewinnen
Immer mehr Christen
wenden sich von der Kirche ab. Allein in Bayern, dem Heimatland von Papst Benedikt
XVI., sind im letzten Jahr rund 60.000 Katholiken ausgetreten. Die Missbrauchsfälle
sowie die Skandale rund um die Piusbruderschaft seien aber nicht die einzigen Gründe
für diese Austrittswelle, sagt der Jesuitenpater Stephan Lipke im Kölner Domradio.
Lipke leitet die katholische Glaubensorientierung im Bistum München und Freising und
hat deswegen beruflich mit Austritten und Wiedereintritten zu tun:
„Ein
Grund scheint mir zu sein, dass dem bei Vielen ein langer Prozess der Entfremdung
vorausgegangen ist. Wenn ich von der Kirche nur wüsste, was in solchen Zusammenhängen
in der Zeitung steht, würde ich auch austreten. Warum sollte ich drin bleiben? Es
geht also um Entfremdung - und dann kommt so eine Sache hinzu. Aber man muss auch
sehen: Es sind im letzten Jahr auch Menschen ausgetreten, die sich ein, zwei Jahre
vorher noch als engagierte Katholiken verstanden haben. Das ist natürlich schon alarmierend.“
Die
Schuld an dieser Entfremdung könne aber nicht allein in der Kirche in Rom gesucht
werden. Auch die deutschen Bischöfe haben jetzt laut Lipke jede Menge zu tun:
Die Bischofskonferenz müsse den Prozess des Dialogs in Gang bekommen. Dadurch müsse
unter anderem die Möglichkeit geschaffen werden, Kritik zu üben, ohne gleich als Nestbeschmutzer
angesehen zu werden. Wichtig sei für Lipke, dass auch die Bischöfe versuchten, mit
den Leuten direkt ins Gespräch zu kommen.
„Viele fühlen sich nicht verstanden
und haben das Gefühl, man geht auf ihre Sorgen nicht ein. Bei Engagierten ist das
nicht zuletzt die Sorge um die eigene Pfarrei. Andere sagen: Ich vertraue den Bischöfen,
ich vertraue dem Papst, ich vertraue dem Pfarrer nicht mehr. Seit dem Missbrauchsskandal
ist das noch dramatischer geworden.“
Das Wiederherstellen des Vertrauens
zur Kirche könne aber nicht von heute auf morgen gelöst werden, es sei ein schwieriger
und auch langwieriger Prozess:
„Es gibt nicht eine Lösung, die man jetzt
aus dem Hut zaubern könnte und sagen könnte, das muss man nur machen und damit wird
sich das ganze Problem erledigt haben. So bequem wird das nicht sein. Sondern: Zuhören
und Schritt für Schritt überlegen, was muss geändert werden, was muss anders erklärt
und vermittelt werden? So wird das zu einem langsamen Weg, Vertrauen wiederzugewinnen.
Vertrauen geht schnell verloren - aber lässt sich nur nach und nach wiedergewinnen.
Und das ist auch wichtig: dass die Kirche auch an sich arbeitet. Und nicht nur jetzt
ein halbes Jahr, um diese Krise zu überwinden, sondern auf Jahre und Jahrzehnte, eigentlich.
Aber gerade auch in den nächsten Jahren.“
Im Frühjahr des vergangenen Jahres
hat die Kirche in Bayern besonders viele Mitglieder verloren. Spitzenreiter ist nach
dem Skandal rund um Bischof Walter Mixa das Bistum Augsburg. Dort ist im vergangenen
Jahr die Zahl der Austritte im Vergleich zum Vorjahr um fast 73 Prozent gestiegen.