Das Theologen-Memorandum: Wie beginnt man einen Dialog?
Eine unendliche Geschichte
– das Memorandum der deutschsprachigen Theologen zur Reform der Kirche. Mittlerweile
gehört es für jeden Theologen und Bischof zum Prozedere, in Interviews auf das Memorandum
angesprochen zu werden, so gibt es immer wieder kleine Meldungen über persönliche
Einschätzungen und das Thema verlängert sich in den Medien. Dabei müssten wir auch
einmal über die Form der Debatte, wie sie im Augenblick geführt wird, nachdenken.
Das jedenfalls ist die Ansicht von Manfred Lütz, Psychiater und katholischer Theologe.
Als Mitglied der Päpstlichen Akademie für das Leben war er kürzlich in Rom und hat
sich mit Radio Vatikan auch über die Polemik dieser Debatte unterhalten. Lütz ist
in den Medien vorgeworfen worden, er hätte die Autoren des Reformpapiers aufgefordert,
die Kirche zu wechseln und evangelisch zu werden.
„Das stimmt überhaupt
nicht. Was ich – auch psychologisch – sehr interessant fand: Ich habe in der Frankfurter
Allgemeinen Sonntagszeitung Anfang Februar einen absichtlich unpolemischen Beitrag
in eine zugegebenermaßen polemische Debatte hinein geschrieben und habe anschließend
die Feststellung gemacht, dass das gar nicht geht. Die Leute verstehen auch einen
unpolemischen Beitrag in einer polemischen Debatte polemisch.“
Das ist
aber nicht das einzige, was Lütz an der Debatte schwierig findet. Er hatte den Vergleich
der Reformpositionen mit den Reformationspositionen gemacht, was die Autoren des Papiers
aber als absurd empfinden würden. Und das habe einen Grund:
„Weil – wie
ich glaube – es um Macht geht und um Machtlosigkeit. Ich glaube, dass Theologieprofessoren
in Deutschland sehr viel Macht haben - wenn sie einmal Professor sind, können sie
eigentlich machen, was sie wollen, und lehren, was sie wollen. Ihnen kann keiner mehr
was. Andererseits ist es das Problem dieser Professoren, dass Theologieprofessoren
gar nicht mehr wahrgenommen werden. Sie sind völlig irrelevant. Die großen intellektuellen
Debatten in Deutschland finden ohne katholische Theologieprofessoren statt. Sie finden
sie nicht in den großen Zeitungen und in Talkshows sowieso nicht, die Talkshows wollen
katholische Positionen und laden dann Bischöfe ein. Ich mache mich darüber
nicht lustig. Ich finde, dass das eine wirkliche Tragödie ist. Das sind intelligente
Leute, die forschen und ein Engagement für die Kirche haben.“
Kirchenthemen
kommen vor allem bei jungen Leuten nicht vor, so Lütz, eine bestimmte Generation bringe
immer wieder dieselben Anliegen vor. Lütz hat dafür einen Begriff entwickelt:
„Ich
nenne das die Konservativität der Progressiven in der katholischen Kirche.“ Nach
Lütz gibt es zwei konservative Milieus in der Kirche: die einen konservierten das,
was sie das Katholische nennen. „Und das andere ist immer dagegen, aber hat immer
Forderungen, von denen die Leute genau wissen, dass sie nicht durchschlagen werden.
Dann kann man konservativ im Klageritus verharren, dann ändert sich nichts.“
Das
habe Folgen für die Art der Debatte. Man könne die Dialogbereitschaft immer wieder
fordern, aber bewegen könne sich nichts, schon allein der Form der Debatte wegen.
„Alle,
die unterschrieben haben, wissen doch, dass der Zölibat nicht wegen der Debatte aufgehoben
wird. Und dadurch, dass wir uns jetzt dauernd darüber ärgern, dass er nicht aufgehoben
wird, wird es ja auch nicht besser. Das wissen die alle. Man kann kaum mehr
Argumente austauschen in der Hoffnung, dass die andere Seite das als Argument wahrnimmt
und nicht als Attacke. Wenn Sie das Memorandum einmal psychologisch durchschauen:
Da wird mit einer Sprache gearbeitet und auf die Kirche eingeprügelt, das macht nicht
viel Spaß, dann mit einer solchen Aggressivität zu reden.“
So komme nicht
das zustande, was die Theologen mit ihrem Papier und viele Befürworter danach einfordern:
der Dialog.
„Ein Dialog beginnt nie, wenn beide Seiten dialogbereit sind,
das geht psychologisch gar nicht. Ein Dialog beginnt immer einseitig. Immer beginnt
einer, mit einem anderen Menschen zu sprechen, und je wertschätzender er das tut,
je respektvoller er das tut, desto eher wird der andere Lust haben, zu antworten.
So beginnt Dialog.“