Afrika: Keimt bald auch südlich der Sahara Protest?
Die Revolutionen in Nordafrika haben langjährige politische Machthaber zu Fall gebracht.
Die politischen Erdbeben mit den Epizentren in Tunesien, Ägypten und zuletzt auch
Libyen sind aber auch südlich der Sahara zu spüren.
In der afrikanischen Presse
ist bereits die Frage aufgetaucht, ob die Proteste in Nordafrika schon bald auf die
Regionen im Süden des Kontinents, die ebenfalls im Griff autokratischer Regimes sind,
überspringen könnten. Solche Tendenzen habe auch der Direktor des römischen Pressedienstes
Misna, Pater Carmine Curci, bemerkt. Wir von Radio Vatikan haben mit dem Geistlichen
über seine Einschätzung gesprochen.
„Es gärt vor allem auf Seite der jungen
Leute, die über das internationale Fernsehen die Ereignisse seit dem 17. Dezember
verfolgen, als die Proteste zunächst in Tunesien, dann in Ägypten und zuletzt in Libyen
losgingen. Die jungen Afrikaner der Länder südlich der Sahara fühlen jetzt selbst
ein wenig diese Wut. Das ist eine Realität, und die Zeitungen haben das aufgegriffen.
Es gibt aber natürlich doch ganz unterschiedliche Voraussetzungen: Während in den
Ländern der Maghreb-Region das Internet, also Facebook und Youtube, eine sehr wichtige
Rolle gespielt haben, haben viele Menschen südlich der Sahara noch keinen Zugang zu
diesen Mitteln.“
Vielleicht nicht das Internet, sondern der internationale
Rundfunk könne für eine mögliche Protestbewegung im Süden Afrikas eine wichtige Rolle
spielen, so Curci. Darin würde den jungen Afrikanern nicht selten Alternativen zu
unterdrückerischen Formen der Politik aufgezeigt.
„Machen wir uns klar,
dass 60 Prozent der afrikanischen Bevölkerung weniger als 18 Jahre alt ist und zu
Hause oder auf der Straße mit dem Bild eines einzigen Präsidenten aufgewachsen ist.
Die kennen nur eine solche Politik. Das Fernsehen ist wichtig, denn es zeigt andere
Formen der Politik auf. Und es spielt auch eine Rolle, dass viele junge Leute studieren:
Der Samen der Demokratie hat in ihren Herzen schon Wurzeln geschlagen!“
Und
was genau wäre es, das die jungen Leute in den südlichen Ländern des afrikanischen
Kontinents auf die Barrikaden treiben könnte?
„Das Problem der Jugendarbeitslosigkeit,
die unterdrückerischen und diktatorischen Regierungen in einigen Ländern südlich
der Sahara, die hohe Analphabetenrate – all diese Elemente können wir leicht an die
Proteste im Maghreb anbinden. Die Leute sind der vielen leeren Versprechungen ihrer
Präsidenten überdrüssig.“
Ein ähnlicher Kontext wie in Nordafrika, aber
doch unterschiedliche Voraussetzungen. Der Misna-Direktor hält dennoch „unterm Strich“
eine breite Protestbewegung auch im Süden des Kontinents für möglich. Und er denkt
dabei auch an Ereignisse vergleichbarer Größenordnung in der europäischen Geschichte,
die weltweite Folgen nach sich gezogen haben.
„Die Tatsache, dass die Menschen
in einigen afrikanischen Ländern jetzt den Wunsch nach Veränderung fühlen, zeigt einen
Handlungsweg auf. Ich möchte daran erinnern, dass in Benin im Jahr 1989 auf Seiten
der jungen Leute der Wunsch nach einem Mehrparteiensystem wach wurde. Damals waren
es tatsächlich junge Studenten, die auf die Straße gingen. Und es ist möglich, dass
wir in den nächsten Monaten – wie schon damals – junge Menschen sehen werden, die
sich in den afrikanischen Städten formieren, um politische Mitbestimmung bei den Entscheidungen
in ihren Ländern einzufordern!“
Anders als Pater Curzi geben andere Beobachter
einer Protestbewegung mit der Kraft zu einer politischer Veränderung im Süden Afrikas
keine Chance. Zwar habe es auch in Mauretanien, Kamerun, Gabon, Sudan, Zimbabwe und
Gibuti in den letzten Wochen Proteste gegeben, schreibt das Päpstliche Missionsinstitut
„PIME“ in einem aktuellen Artikel. In keinem dieser Länder hätten sich jedoch derart
ausgeweitet, dass sie die bestehenden autokratischen Regimes beunruhigen hätten können.
Einer der Gründe dafür sei das starke ethnische Zugehörigkeitsgefühl vieler Afrikaner,
das der Entstehung eines nationalen Bewusstseins im Weg stehe. Ebenso seien Analphabetismus
und Armut dermaßen stark verbreitet, dass allein diese Faktoren eine Organisation
der Proteste unwahrscheinlich machten. Auch traumatische kriegerische Erfahrungen
würden die Menschen immer noch zu sehr belasten – so etwa in der Demokratischen Republik
Kongo und in Angola.