Libyen: „Opposition ist reif, aber schafft es nicht allein“
Als „gnadenlos“ kritisiert
die Vatikanzeitung „L’Osservatore Romano“ das Vorgehen des libyschen Diktators Muammar
al-Gaddafi gegenüber der Zivilbevölkerung. Während die Sorge um die Infiltration von
Al-Kaida-Terroristen in Libyen wachse, könne sich die internationale Gemeinschaft
nicht einmal auf eine UN-Resolution einigen, schreibt das Blatt an diesem Freitag.
Es ist die erste Stellungnahme von Vatikanseite zu den letzten Eskalationen in dem
nordafrikanischen Land. Die Kommission „Justitia et Pax“ der deutschen Bischofskonferenz
bescheinigt der EU derweil „Hilflosigkeit angesichts der Ereignisse in Libyen“, was
„einmal mehr die grundsätzlichen Fehler der EU-Migrationspolitik“ aufzeige. Das sagte
der Kommissionsvorsitzende Bischof Stephan Ackermann am Freitag in Bonn.
Auf
schnelles Handeln nicht nur in der Flüchtlingsfrage drängen auch Menschenrechtsorganisationen
wie die Gesellschaft für bedrohte Völker, die zuletzt den Ausschluss Libyens aus dem
Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen forderte. Sie hält Sanktionen gegenüber Libyen
für notwendig. Ulrich Delius ist Afrika-Referent der Göttinger Gesellschaft. Im Gespräch
mit unserem Partnerradio Horeb sagte er: „Viel wird davon abhängen, wie sich
die Europäer insgesamt verhalten, Deutschland allein kann nur begrenzt etwas tun.
Wir haben die Stellungnahmen der Bundeskanzlerin und des Außenministers in diesen
Tagen gehört. Anders war das in anderen EU-Ländern wie etwa Italien, Zypern und Malta,
wo man einerseits große Angst hat vor dem Eintreffen neuer Flüchtlinge aus Libyen,
aber wo man eben auch stetig Geschäfte gemacht hat mit Libyen. Und jetzt müssen die
EU-Länder gemeinsam auftreten, Italien muss seinen Widerstand aufgeben und sich zum
Beispiel einer Politik der Sanktionen anschließen. Es kommt in diesen Stunden und
Tagen vor dem Wochenende darauf an, den Druck auf die libysche Führung zu erhöhen,
um klar zu machen, dass es so nicht weiter gehen kann, dass das Land die internationale
Unterstützung nicht mehr hat!“ Die Wut der libyschen Protestbewegung speise
sich aus jahrzehntelanger Misswirtschaft des al-Gaddafi-Regimes, so Delius:
„Das
sind weitestgehend junge Leute, die verbittert sind über diese gigantische Diktatur,
die Gaddafi und seine Familie in diesem Land errichtet haben; sie haben systematisch
Korruption geschürt. Ich kenne sehr viele Menschen, die sagen: Er hat alles verspielt,
was wir haben, er verscherbelt die letzten Bodenschätze, mit dem Erlös kauft er sich
in Italien Immobilien, kauft sich dort in Unternehmen ein und schafft wahrscheinlich
Milliarden auf die Seite. Das ist der Kommentar vieler verbitterter Libyer.“ Nach
Ansicht des Beobachters kann sich die Situation in Libyen nach einem Umsturz nur verbessern,
auch für Minderheiten wie die Christen. Freilich werde der Übergang in eine Demokratie
nicht einfach vonstatten gehen, so Delius. Man könne und müsse jetzt Vertrauen in
die Protestbewegung setzen. Delius erläutert: „Gleichzeitig empfinden wir aber
das Auftreten der Oppositionsbewegung in den letzten Wochen als dermaßen reif und
eigentlich auch demokratischen Idealen entsprechend. Sie sorgen zum Beispiel dafür,
dass es kein Machtvakuum gibt und dass man für den Erhalt von Recht und Ordnung eintritt.
Das ist alles ein reifes Vorgehen. Und da sollten wir Europäer Respekt vor haben und
anerkennen, dass da eine starke Demokratiebewegung besteht. Wir hoffen, dass die sich
auch langfristig wird durchsetzen können. Libyen war ein Unrechtsregime, das schlimmer
nicht hätte sein können. Insofern kann es eben nur noch besser werden für Libyens
Bevölkerung und auch Minderheiten wie etwa die Christen.“ Die EU bereitet unterdessen
tatsächlich Sanktionen gegen die libysche Führung vor. Im Gespräch seien u.a. Einreiseverbote
und ein Einfrieren der Vermögenswerte in der EU, so die Sprecherin der EU-Außenbeauftragten
Catherine Ashton an diesem Freitag in Brüssel. (or/pm/Radio Horeb 25.02.2011 pr)