2011-02-20 13:33:56

Österreich: Auch Geschiedenen Barmherzigkeit vermitteln


Die Ehe ist ein hohes und schützenswertes Gut, gerade auch in der heutigen Zeit. Scheitern ist aber Realität, und gerade in diesem Fall sollten die Kirchen die Barmherzigkeit Gottes vermitteln. Das war der Tenor bei einer ökumenischen Tagung zum kirchlichen Umgang mit Ehe, Scheidung und Wiederheirat, die am Wochenende in Wien stattfand. Für den Wiener emeritierten Weihbischof Helmut Krätzl gehört die Frage des Sakramentenempfangs für wiederverheiratete Geschiedene zu den großen ungelösten Problemen der katholischen Kirche. Krätzl betonte in seinen Ausführungen, dass es eine dringende Aufgabe seiner Kirche sei, Lösungen für diese pastorale Not zu schaffen. Er erinnerte daran, dass Joseph Ratzinger – heute Papst Benedikt – in seiner Zeit als Dogmatikprofessor Anfang der 1970er Jahre als einer der ersten konkrete Kriterien für die Ermöglichung eines neuerlichen Sakramentenempfangs genannt habe. Dazu zählte Ratzinger damals, dass nach der Trennung „die Dinge der ersten Ehe soweit wie möglich gut gemacht worden sind“, so Krätzl.

Ebenso müsse der Tatsache einer beständigen Zweitehe Rechnung getragen werden, wenn „durch Treue zu Partner und Kind neue Verpflichtungen entstanden sind“, ein dringender „religiöser Wunsch“ nach Sakramentenempfang besteht und „kein öffentliches Ärgernis droht“.Später habe Ratzinger jedoch seine Position revidiert; das päpstliche Schreiben „Familiaris consortio“ Johannes Pauls II. habe den Sakramentenempfang nur mehr bei sexueller Enthaltsamkeit in der Zweitehe zugestanden. Für Krätzl enthält diese offizielle Lehrmeinung Defizite: „Wenn man Wiederverheirateten zwar erlaubt, zusammen zu leben, aber nur in Enthaltsamkeit, dann ist das ein absurdes Verständnis von Liebe.“

Der Schweizer Neutestamentler Walter Kirchschläger sprach in diesem Zusammenhang von einem „minimalistischen Eheverständnis“, denn: „Wird die eheliche Beziehung nur durch sexuelle Akte verletzt und nicht auch durch die allgemeine Alltagsvertrautheit und Beziehung mit einem neuen Partner?“

Weihbischof Krätzl verwies auch auf ein Pastoralschreiben des verstorbenen Bozener Bischofs Wilhelm Egger. Dieser habe beim Kommunionempfang für wiederverheiratete Geschiedene eine Einzelfallprüfung, die Gewissensentscheidung sowie die Respektierung dieser Gewissensentscheidung gefordert. Defacto geschehe genau das in vielen Pfarrgemeinden. Allerdings erlebe er auch immer wieder Pfarrer, die sich hinter dem Kirchenrecht verstecken und ihre persönliche Verantwortung nicht wahrnehmen würden, so Krätzl. Der Ausschluss von der Eucharistie vermittle ein sehr problematisches Gottesbild, wonach Gott nach einem Scheitern keinen Neuanfang mehr möglich mache, warnte Krätzl: „Die Kirche kann über den barmherzigen Gott nur dann glaubwürdig reden, wenn sie ihn auch in ihrem Tun erfahrbar macht.“ Wenn kirchliche Gesetze diesbezüglich ein Hindernis darstellen, müssten sie geprüft werden, ob sie vor Gott noch bestehen können.

Genau diese Möglichkeit eines geschenkten echten Neuanfangs hob die evangelische Pfarrerin Christine Hubka hervor. Wenn die evangelische Kirche die Möglichkeit einer zweiten kirchlich geschlossenen Ehe kenne, dann stehe dahinter die theologische Überzeugung, dass Gott nach jedem Scheitern einen Neuanfang schenke. Davon sei kein Bereich des Lebens ausgenommen.



Die rumänisch-orthodoxe Theologin Alina Patru erklärte, auch in der orthodoxen Kirche sei die Ehe - wie in der katholischen Kirche - ein Sakrament. Die Verbindung der Eheleute und die damit verbundene Gnade Gottes bestehe bzw. wirke auch über den Tod hinaus. Orthodoxe Seelsorger seien auch immer sehr bestrebt mitzuhelfen, dass Eheleute Krisensituationen überwinden können. Dabei könnte es von Vorteil sein, so Patru, dass die orthodoxen Seelsorger in der Regel selbst verheiratet sind. Trotzdem seien Scheidung und Scheitern Realität. Die Kirche verstehe dies so, dass der Mensch zu einem bestimmten Zeitpunkt einfach nicht fähig gewesen sei, die an ihn gestellten Herausforderungen zu meistern. Das müsse akzeptiert werden. In Folge sehe es die orthodoxe Kirche auf jeden Fall als besser an, wenn Geschiedene wieder heiraten, bevor sie in wilder Ehe zusammenleben. Beziehungen ohne Trauschein seien problematisch: Solche Personen seien nicht zur Eucharistie zugelassen. Wer hingegen wieder heiratet, sei voll in die Kirche integriert; sogar ein dritte kirchliche Eheschließung sei noch möglich. Bei solchen Trauungszeremonien würden vor allem Texte verwendet, die die Barmherzigkeit Gottes und die Möglichkeit eines echten Neuanfangs in den Mittelpunkt stellen.

Der Neutestamentler Walter Kirchschläger plädierte abschließend dafür, dass sich die katholischen Kirche ernsthaft damit auseinandersetzen müsse, dass in anderen Kirchen – „aus einer ehrlichen Überzeugung heraus“ - die Möglichkeit einer kirchlichen Zweitehe besteht. Es brauche mehr „Demut gegenüber der Wahrheit“, so Kirchschläger.

(kathpress 20.02.2011 sk)








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