Uganda: „Ich kann Gott nie genug danken" - ehemaliger Kindersoldat wird Priester
In Uganda leben viele ehemaligen Kindersoldaten, die sich mit traumatische Erfahrungen
plagen. Sie mussten für die ugandische Rebellenorganisation Lord Resistence Army (LRA)
unter der Leitung von Joseph Kony kämpfen, die sich seit 2008 im Kongo aufhalten soll.
Im Norden Ugandas, dem ehemaligen Stützpunkt der Organisation, ist die Lage seitdem
stabil. Weil es zwischen der LRA und der Regierung aber kein offizielles Friedensabkommen
gibt, leben die Bewohner Ugandas in der Angst, die Rebellen könnten wieder auftauchen.
Sie waren seit 1987 in dem ostafrikanischen Land aktiv und gaben an, für die Errichtung
eines Gottesstaates zu kämpfen. Dazu rekrutierten sie insgesamt rund 30.000 Kinder
und Jugendliche.
„Was sie uns gesagt haben, als wir entführt wurden, ist:
das ist die Art und Weise, wie sie ihre Soldaten rekrutieren. Sie haben kein Geld,
wie der Staat Soldaten einzuziehen und sie auszubilden. Sie entführen einfach junge
Menschen, erziehen sie zu Soldaten, damit sie ihre Kämpfer sind. Und dann hoffen sie,
die Regierung zu stürzen.“
Stephen Kilama ist selbst ein ehemaliger Kindersoldat.
Das Besondere: Heute will er Priester werden. Die grausame Erfahrung hat ihn nicht
in seinem Glauben erschüttert. Im Interview mit Radio Vatikan erzählt er:
„Diese
Erfahrung hat meinen Wunsch, meine Sehnsucht, Priester zu werden, noch bestärkt. Denn
sie hat mir in vielen Dingen die Augen geöffnet. Ich habe begonnen, das Leben aus
einer neuen Perspektive wahrzunehmen. Die Dinge, die ich nicht wusste, oder nie gesehen
habe, von denen ich dachte, dass sie nicht wahr sind – die habe ich mit meinen eigenen
Augen gesehen.“
Kilama spricht von den unmenschlichen Verbrechen der LRA,
die er bis dahin nur vom Hörensagen kannte. 16 Jahre war er alt, als er gewaltsam
von der Rebellenorganisation rekrutiert wurde. Das war am 11. Mai 2003. Damals schon
wollte er Priester werden und lebte er in einem Seminar, in der Erzdiözese Gulu in
Norduganda:
„In dieser Nacht gingen wir früh in die Schlafräume. Ich war
auch ein bisschen krank – ich denke ich hatte ein bisschen Malaria. Also schlief ich
schnell ein, mit der Hoffnung, in der Nacht wieder aufzuwachen, um für die nächste
Prüfung zu lernen. Und als ich um Mitternacht aufwachte und zu lesen begann, hörte
ich einen Gewehrschuss. Plötzlich hörte ich dann immer mehr Schüsse, die auch immer
lauter wurden… Sie kamen in den Schlafraum, mit Taschenlampen, denn einer von uns
hatte die Glühbirne herausgeschraubt, in der Hoffnung, dass sie dann nichts sehen
könnten. Sie nahmen uns alle fest – wir waren 41 Mann. Und dann mussten wir mit ihnen
gehen, bis zum nächsten Abend liefen wir, als wir dann irgendwo ankamen, mitten im
Busch. Ich hatte keine Ahnung, wo wir waren.“
Die LRA wollte auch Kilama
und seine Mitbrüder zu ihren Soldaten machen. Mitten im Busch, da war das Lager der
LRA. Sie brachten ihnen bei, wie man ein Gewehr benutzt. Und Kilama sah, wie andere
Jugendliche getötet wurden, als sie versuchten, zu entfliehen. 12 seiner ehemaligen
Mitbrüder werden bis heute vermisst.
„Töten war für sie an der Tagesordnung.
Es war die einzige Strafe: Wenn man sich ihren Regeln oder ihren Befehlen widersetzte,
gab es nur den Tod. Und ich habe gesehen, wie sie andere getötet haben. Einige haben
versucht zu fliehen. Und wenn sie dich dann aber wieder kriegen, dann knallen sie
dich einfach ab. Denn man soll ihnen dienen und gehorchen. Und alle, die vielleicht
vorhatten zu fliehen, sollten das sehen. Es sollte eine Lektion sein und sie sollten
Angst bekommen.“
Auch Kilama dachte an die Flucht. Und er hatte Glück.
Sie gelang ihm etwa 6 Wochen nach seiner Entführung – während eines Kampfes mit den
Regierungstruppen, der eigentlich sein erster Einsatz hätte sein sollen. Mitten im
Bombenhagel war sein Aufseher plötzlich weg. Und als die Rebellen weiterzogen, bleib
Kilama, wo er war und rührte sich nicht. Viele Stunden später stand er auf:
„Ich
nahm die Entgegengesetzte Richtung. Ich hatte keine Ahnung, wo ich war, wo ich hinging,
oder welcher Wochentag war. Ich verbrachte zwei Nächte im Busch, ohne etwas zu essen.
Am dritten Tag traf ich dann auf einen Soldaten der Regierungstruppen. Sie waren zufällig
zu dieser verlassenen Schule gekommen, in der ich übernachtet hatte.“
Für
Kilama war das die Rettung, die Soldaten brachten ihn schließlich nach Hause. Seine
Familie hatte ihn schon für tot gehalten. Heute ist Kilama fast am Ende mit seiner
Priesterausbildung. Er besuchte im Anschluss an seine Erfahrungen ein anderes Priesterseminar
in Katigondo im Südosten des Landes.
„Am Anfang dachte ich: Vielleicht
sollte ich einfach etwas ganz anderes machen. Aber ich dachte dann: Wenn ich einfach
gehe, wer macht diesen Job dann, wenn nicht ich? Ich hatte das Gefühl, das ist nicht
wie jeder anderer Job, für den du bezahlt wirst. Das ist ein Opfer. Du musst auf Gottes
Vorsehung vertrauen und du arbeitest für die Menschen. Und du hilfst ihnen nicht nur
spirituell, sondern auch auf anderen Wegen, besser als du es kannst. Und dann habe
ich mich entschlossen, das Werk Gottes zu tun. Denn in jedem Fall glaube ich sehr
stark an Gott. Gott hat mir auch geholfen, zu überleben. Denn da gab es so viele Situationen,
in denen ich eigentlich hätte sterben können. Und deshalb möchte ich das machen, als
ein Weg, um Gott zu danken, auch wenn ich ihm niemals genug danken kann, aber das
Werk Gottes zu tun, oder es zumindest zu versuchen.“