In Nordafrika herrscht
Chaos. Und das merken vor allem die europäischen Mittelmeerländer. 5.000 Nordafrikaner
flüchteten in den vergangenen Tagen per Boot nach Lampedusa: Die süditalienische Insel
ist völlig überfüllt, die Helfer sind überfordert.
„Das Boot sinkt, das
Boot sinkt – an Bord sind keine Personen zu sehen“, sagt der Bordfunker eines
Überwachungsflugzeugs der italienischen Finanzpolizei. Das war am späten Sonntagnachmittag
in den Gewässern vor Lampedusa – ein Schnellboot der Küstenwache konnte die etwa hundert
Insassen des Bootes in letzter Minute retten.
Menschenrechtsorganisationen
werfen der Europäischen Union vor, sie schaue weg, was auf dem Mittelmeer derzeit
geschieht. Der UNO-Flüchtlingsdienst kritisiert besonders die Regierung in Rom für
ihre restriktive Abschiebepolitik. Die Flüchtlingslager waren bis vor Kurzem sogar
geschlossen, um Flüchtlinge nicht noch zu animieren, auf die Insel zu kommen. So versucht
die italienische Regierung ihre bisherige Asylpolitik zu rechtfertigen. Mehrere Hilfsorganisationen
und auch der Inselpfarrer haben inzwischen die Regierung in Rom aufgefordert, das
Flüchtlingslager auf Lampedusa wieder zu öffnen. Don Stefano Nastasi hatte vorübergehend
auch seine Kirche für die Flüchtlinge geöffnet.
„Die Räume, die wir zur
Verfügung gestellt haben, eignen sich eigentlich nicht für eine derartige Notlage.
Wir fordern die Regierung auf, Alternativen zu Verfügung zu stellen, die uns ermöglichen,
kurzfristig reagieren zu können.“
Der Umbruch in den nordafrikanischen
Staaten und die Frage, in welche Richtung sich die Politik dort entwickeln wird, sorgen
für Verunsicherung in der Bevölkerung. Arbeitslosigkeit und Gewalt sind Gründe für
sie, ihre Heimat zu verlassen. Das sagt ein Flüchtling dem ARD-Hörfunk in Rom.
„Wir
haben Angst. Die Revolution, die wir gemacht haben, die hat nichts verändert. Wir
wollen nur die Möglichkeit haben, in Europa arbeiten zu können. Ich rede nicht alleine
von Italien, sondern von ganz Europa. Wir bitten das italienische Volk: Helft uns!
Die
Reaktionen der Bewohner Lampedusas sind gemischt. Die einen bewahren ihr traditionelles,
christlich motiviertes Verständnis für die „armen Mitmenschen, die in Tunesien oder
Ägypten keine Arbeit und keine Zukunft haben“. Die anderen fragen sich mit Vizebürgermeisterin
Angela Maraventano:
„Was wollen diese Illegalen bei uns? Sie haben zu Hause
keine Diktatur mehr. Sie sollen jetzt dort bleiben. Lampedusa ist ein Urlaubsort.
Wir haben die Menschenhändler vertrieben und können jetzt nicht eine Flut von Leuten
in Empfang nehmen, die aus befreiten Ländern abhauen.“