Byzanz – Pracht
und Alltag, eine Rezension von Stefan Kempis
Byzanz? Lange her. Aber eine
Ausstellung in Bonn hat uns das ferne Reich, das die Brücke von der Antike bis fast
in die Neuzeit und ebenso vom Westen bis in den Fernen Osten schlug, vor kurzem nahegebracht.
Der Katalog zu dieser Ausstellung ist nicht einfach nur ein Ausstellungskatalog, sondern
ein eigenständiges Werk, das die fremde Welt Byzanz erstaunlich an uns heranrückt.
Eine Reihe luzider Essays umkreisen das Oströmische Reich und machen deutlich,
in welcher Hinsicht es das Erbe der Römer angetreten hat. Vor allem aber werden ungefähr
sechshundert Zeugen von byzantinischer Kunst, Kultur und Geschichte in Bild und Text
vorgestellt; daraus ergibt sich ein faszinierendes Panorama des Byzantinischen Jahrtausends
von der Gründung des heutigen Istanbul durch Kaiser Konstantin im Jahr 324 bis zur
islamischen Eroberung der Stadt 1453. Eine Schale aus gebranntem Ton etwa setzt die
antike Keramiktradition bruchlos fort, zeigt aber im Innern die biblische Szene der
drei Männer im Feuerofen: ein Sprung ins Christentum. Eine goldene Schale aus den
Karpaten mit einem typisch römischen Muster wiederum weist das Motiv eines Löwen auf,
das bis auf das alte Persien zurückgeht.
Dieser prachtvolle Byzanz-Band läßt
uns einen Blick werfen in die Zeit, als das Gros unserer christlichen Theologie entwickelt
und auf Konzilien definiert wurde. Und er räumt dabei mit manchen Vorurteilen auf:
So gab es zwar eine starke Verbindung zwischen dem byzantinischen Kaiser und der Kirche
– aber sie war durchaus spiegelbildlich zur Lage im Westen. Dort nämlich war es der
Papst, der den Kaiser krönte, während in Byzanz der Kaiser Konzilien einberief oder
Patriarchen absetzte. Ein neuer Blick auf Byzanz und sein Jahrtausend – endlich!
Byzanz
– Pracht und Alltag, eine Rezension von Stefan Kempis Katalog zu einer Bonner Ausstellung
2010, erschienen im Hirmer Verlag