Youcat: Das Vorwort des Papstes in vollem Wortlaut
Das römische „Vatican“-Magazin hat uns den deutschen Text des Papst-Vorwortes zu „youcat“
zur Verfügung gestellt. Darin führt Benedikt XVI. in den Jugend-Katechismus ein, der
im April auch in deutscher Übersetzung vorgestellt wird. Das „Vatican“-Magazin hat
den Text kürzlich exklusiv vorabgedruckt. Hier dokumentieren wir also, was der Papst
an junge Leute schreibt.
„Liebe jungen Freunde!
Heute empfehle ich Euch
ein ungewöhnliches Buch zur Lektüre. Ungewöhnlich ist es von seinem Inhalt und auch
von der Weise seiner Entstehung her. Von dieser seiner Entstehung möchte ich ein wenig
erzählen, weil dann zugleich deutlich wird, worin das Besondere dieses Buches liegt.
Es
ist sozusagen aus einem anderen Werk heraus entstanden, dessen Werden in die 80er
Jahre zurückreicht. Es war eine für die Kirche wie für die Weltgesellschaft schwierige
Zeit, in der neue Orientierungen nötig wurden, um den Weg in die Zukunft zu finden.
Nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil (1962 bis 1965) und in der veränderten kulturellen
Situation wussten viele Leute nicht mehr recht, was nun die Christen eigentlich glauben,
was die Kirche lehrt und ob sie überhaupt etwas lehren kann und wie sich das Ganze
in die von Grund auf veränderte Kultur einfügt. Hat sich nicht das Christentum
als solches überholt? Kann man vernünftigerweise heute noch gläubig sein? Das waren
die Fragen, die sich auch gute Christen stellten.
Papst Johannes Paul II hat
damals einen kühnen Entschluss gefasst. Er entschied, dass Bischöfe aus aller Welt
zusammen ein Buch schreiben sollten, in dem sie auf diese Fragen Antwortgeben würden.
Er vertraute mir die Aufgabe an, die Arbeit der Bischöfe zu koordinieren und dafür
Sorge zu tragen, dass aus den Beiträgen der Bischöfe ein Buch würde – ein richtiges
Buch, nicht eine Zusammenstellung von vielerlei Texten. Dieses Buch sollte den
altmodischen Titel Katechismus der Katholischen Kirche tragen, aber durchaus etwas
Aufregendes und Neues sein. Es sollte zeigen, was die Katholische Kirche heute glaubt
und wie man vernünftigerweise glauben kann.
Ich war erschrocken über diesen
Auftrag. Ich muss gestehen, ich zweifelte, ob so etwas gelingen könne. Denn wie sollte
das zugehen, dass Autoren, die über die ganze Welt verstreut sind, gemeinsam ein lesbares
Buch zustande bringen? Wie sollten Menschen, die nicht nur geographisch, sondern auch
intellektuell und spirituell auf verschiedenen Kontinenten leben, zusammen einen Text
schaffen, der eine innere Einheit bilden sollte und auch über alle Kontinente hin
verstehbar ist? Dazu kam, dass ja auch diese Bischöfe nicht einfach als individuelle
Autoren schreiben sollten, sondern im Kontakt mit ihren Mitbrüdern, mit ihren Ortskirchen.
Ich muss gestehen, dass es mir auch heute noch als ein Wunder erscheint, dass dieser
Plan schließlich gelungen ist.
Wir trafen uns etwa drei- oder viermal im Jahr
eine Woche lang und diskutierten leidenschaftlich über die einzelnen Stücke, die in
der Zwischenzeit gewachsen waren. Zunächst freilich war der Aufbau des Buches festzulegen.
Er musste einfach sein, damit die einzelnen Autorengruppen, die wir festlegten, einen
klaren Auftrag erhalten konnten und ihre Aussagen nicht in ein kompliziertes System
einzwängen mussten. Es ist der gleiche Aufbau, den Ihr in diesem jetzigen Buch findet.
Er ist einfach aus der katechetischen Erfahrung der Jahrhunderte genommen: Was wir
glauben – Wie wir die christlichen Mysterien feiern – Wie wir in Christus das Leben
haben – Wie wir beten sollen. Ich will jetzt nicht erzählen, wie wir uns dann langsam
durch die Fülle von Fragen durchgekämpft haben, bis schließlich wirklich ein Buch
daraus wurde. Man kann natürlich manches oder auch vieles an einem solchen Werk kritisieren:
Alles, was Menschen machen, ist unzulänglich und kann verbessert werden. Trotzdem
ist es ein großes Buch: ein Zeugnis der Einheit in der Verschiedenheit. Aus vielen
Stimmen konnte sich ein gemeinsamer Chor bilden, weil wir die gemeinsame Partitur
des Glaubens hatten, der von den Aposteln her die Kirche durch die Jahrhunderte getragen
hat.
Warum erzähle ich das alles? Wir hatten schon damals bei der Komposition
des Buches feststellen müssen, dass nicht nur die Kontinente und die Kulturen ihrer
Völker verschieden sind, sondern dass auch innerhalb der einzelnen Gesellschaften
noch einmal verschiedene „Kontinente“ existieren: Der Arbeiter denkt anders als der
Bauer, ein Physiker anders als ein Philologe, ein Unternehmer anders als ein Journalist,
ein junger Mensch anders als ein alter. So mussten wir uns in Sprache und Denken etwas
oberhalb all dieser Unterschiede ansiedeln, sozusagen den Raum der Gemeinsamkeit zwischen
den verschiedenen Denkwelten suchen. Dabei wurden wir uns immer mehr bewusst, dass
der Text „Übersetzungen“ braucht in die verschiedenen Lebenswelten hinein, um dort
die Menschen in ihrem eigenen Denken und Fragen anzurühren.
In den Weltjugendtagen
seither – Rom, Toronto, Köln, Sydney – sind sich die jungen Menschen aus aller Welt
begegnet, die glauben wollen, die nach Gott suchen, die Christus lieben und Weggemeinschaft
wollen. In diesem Kontext ist der Gedanke entstanden: Sollten wir nicht versuchen,
den Katechismus der Katholischen Kirche in die Sprache der Jugend zu übersetzen? Seine
großen Aussagen in die Welt der jungen Menschen von heute hineinzuholen? Natürlich
gibt es auch in der Jugend der Welt von heute wieder viele Unterschiede. So ist nun
unter der bewährten Stabführung des Erzbischofs von Wien, Christoph Schönborn,
ein YOUCAT für die jungen Menschen entstanden. Ich hoffe, dass viele junge Menschen
sich von dem Buch faszinieren lassen.
Manche Leute sagen mir: Junge Menschen
von heute interessiert das nicht. Ich bestreite das und bin sicher, recht zu behalten.
Junge Menschen von heute sind nicht so oberflächlich, wie man ihnen unterstellt. Sie
wollen wissen, worum es im Leben wirklich geht. Ein Kriminalroman ist spannend, weil
er uns in das Schicksal anderer Menschen hineinzieht, das auch das unsrige sein könnte.
Dieses Buch ist spannend, weil es von unserem eigenen Schicksal redet und darum einen
jeden von uns zutiefst angeht.
So lade ich Euch ein: Studiert den Katechismus!
Das ist mein Herzenswunsch. Dieser Katechismus redet Euch nicht nach dem Mund. Er
macht es Euch nicht leicht. Er fordert nämlich ein neues Leben von Euch. Er legt Euch
die Botschaft des Evangeliums vor wie die „kostbare Perle“ (Mt 13,45), für die man
alles geben muss. So bitte ich Euch: Studiert den Katechismus mit Leidenschaft und
Ausdauer! Opfert Lebenszeit dafür! Studiert ihn in der Stille Eurer Zimmer, lest ihn
zu zweit, wenn Ihr befreundet seid, bildet Lerngruppen und Netzwerke, tauscht Euch
im Internet aus. Bleibt auf jede Weise über Euren Glauben im Gespräch!
Ihr
müsst wissen, was Ihr glaubt. Ihr müsst Euren Glauben so präzise kennen wie ein IT-Spezialist
das Betriebssystem eines Computers. Ihr müsst ihn verstehen wie ein guter Musiker
sein Stück. Ja, Ihr müsst im Glauben noch viel tiefer verwurzelt sein als die Generation
Eurer Eltern, um den Herausforderungen und Versuchungen dieser Zeit mit Kraft und
Entschiedenheit entgegentreten zu können. Ihr braucht göttliche Hilfe, wenn Euer Glaube
nicht austrocknen soll wie ein Tautropfen in der Sonne, wenn Ihr den Verlockungen
des Konsumismus nicht erliegen wollt, wenn Eure Liebe nicht in Pornographie ertrinken
soll, wenn Ihr die Schwachen nicht verraten und die Opfer nicht im Stich lassen wollt.
Wenn
Ihr Euch nun voll Eifer dem Studium des Katechismus zuwendet, möchte ich Euch ein
Letztes mit auf den Weg geben: Ihr wisst alle, wie tief die Gemeinschaft der Glaubenden
in letzter Zeit verwundet wurde durch Attacken des Bösen, durch das Eindringen der
Sünde selbst in das Innere, ja das Herz der Kirche. Nehmt es nicht zum Vorwand,
Gottes Angesicht zu fliehen! Ihr selbst seid der Leib Christi, die Kirche! Bringt
das unverbrauchte Feuer Eurer Liebe in diese Kirche ein, sooft Menschen ihr Antlitz
auch entstellt haben! „Lasst nicht nach in eurem Eifer, lasst euch vom Geist entflammen
und dient dem Herrn!“ (Röm 12,11).
Als Israel am tiefsten Punkt seiner Geschichte
war, rief Gott nicht die Großen und Angesehenen, sondern einen Jugendlichen namens
Jeremias zu Hilfe. Jeremias fühlte sich überfordert: „Ach, mein Gott und Herr, ich
kann doch nicht reden, ich bin ja noch so jung“ (Jer 1,6). Doch Gott ließ sich nicht
beirren: „Sag nicht: Ich bin noch so jung. Wohin ich dich auch sende, dahin sollst
du gehen, und was ich dir auftrage, das sollst du verkünden“ (Jer 1,7).