Schroedel: „Ägypter lassen sich nicht mehr abschütteln“
Ägyptens Präsident
Hosni Mubarak kann die Mengen nicht mehr besänftigen. In einer öffentlichen Ansprache
versprach der 82-Jährige sein Amt bis September niederzulegen und für einen geordneten
Übergang zu sorgen. Doch die Millionen Demonstranten bleiben bei ihrer Forderung nach
einem sofortigen Rückzug Mubaraks. Auch der deutsche Seelsorger in Ägypten meint:
Die Leute ließen sich nicht mehr abschütteln, so Pfarrer Joachim Schroedel gegenüber
Radio Horeb.
„Eine gewisse Sympathie für die Demonstranten habe ich. Ich
muss sagen, die Erfahrung von Gemeinschaft in diesen Tagen ist schon etwas Besonderes.
Überall sind Menschen, die sagen, dass sie sich nicht mehr unterdrücken lassen möchten.
Mubarak weiß, dass er nicht lange regieren kann und hat deshalb einen neuen Regierungschef
beordert, der ihn wohl bald für einige Wochen ersetzen wird.“
Pfarrer Schroedel
hat gerade erst einen Besuch am Flughafen von Kairo abgestattet.
„Aber
ich habe da anderes gesehen, als in manchen Medien berichtet wurde: keine herzergreifenden
Szenen, kein Chaos. Natürlich war dort sehr viel los, aber das war doch alles sehr
geordnet. Ich telefoniere viel dieser Tage. Wir versuchen gerade jene zu ermutigen,
für die sich die Frage einer Abreise gar nicht stellt - etwa die 80 bis 90 deutschen
Frauen, die mit Ägyptern verheiratet sind und die auf jeden Fall bleiben.“
Viele
säßen allein mit ihren Gedanken zu Hause und schauten den TV-Nachrichtensender El
Dschasira oder andere Kanäle. Aufgabe der Seelsorger sei es da einfach auch mal, Mut
zu machen, schlicht zu fragen „Wie geht“s dir?„, bei der Entscheidungsfindung zu helfen
oder bei der Organisation der Abreise zu helfen.
Die warnenden Rufe etwa des
Koptenpapstes Schenuda III. vor einer drohenden Machtübernahme der Muslimbrüder versucht
der katholische Pfarrer zu differenzieren:
„Die Führung der koptischen Christen
hat schon immer mit den Machthabern in Ägypten gehalten, um so Schaden von ihrer Minderheit
fernzuhalten. Ich schätze einen künftigen Stimmenanteil der Muslimbrüder nach einem
Sturz Mubaraks hoch ein, auf etwa 30 Prozent. Aber ich bin auch überzeugt: Die Ägypter
sind keine Fundamentalisten.“
Seit 1995 lebt der deutsche Pfarrer Joachim
Schroedel im Herzen Kairos - „mitten unter den einfachen Leuten“, wie er betont. Täglich
spreche er mit dem Milchmann, dem Zeitungsverkäufer. Und er ist sich sicher: „Diesmal
bleiben die Leute dran; die lassen sich nicht mehr abschütteln.“