Wir dokumentieren in einer Arbeitsübersetzung die Predigt Papst Benedikt XVI. zum
Fest Darstellung des Herrn.
Liebe Schwestern und Brüder,
am heutigen
Fest betrachten wir unseren Herrn, wie er von Maria und Josef Gott „dargestellt“ wird
(Lk 2:22). In dieser biblischen Szene enthüllt sich das Geheimnis des Sohnes der Jungfrau,
des dem Vater geweihten, der in die Welt kam um treu seinen Willen zu tun (Hebr. 10:5-7).
Simeon spricht ihn an als „Licht, das die Heiden erleuchtet“ (Lk 2:32) und verkündet
mit prophetischen Worten seine Opfergabe an Gott und den Sieg, den er am Ende davonträgt
(Lk 2:32-35). Es ist das Treffen der „zwei Testamente“, des Alten und des Neuen. Jesus
betritt den Tempel, er, der der neue Tempel Gottes ist: er kommt, um sein Volk zu
besuchen und bringt ihm die Vollendung des Gehorsams des Gesetzes und er beginnt die
Zeit der Erlösung.
Es ist interessant aus der Nähe diesen Eintritt des Kindes
Jesu in die Feierlichkeit des Tempels zu beobachten, ein Kommen und Gehen vieler Menschen,
die alle ihren Aufgaben nachgehen: die Priester und die Leviten ihren Diensten, die
Beter und die Pilger, die dem Gott Israels begegnen wollen. Niemand aber bemerkt etwas.
Jesus ist ein Kind wie all die anderen, erstgeborener Sohn von zwei sehr einfachen
Eltern. Auch die Priester sind unfähig, die Zeichen der neuen und besonderen Anwesenheit
des Messias und Erlösers zu bemerken. Nur zwei alte Menschen, Simeon und Anna, entdecken
die große Neuigkeit. Geleitet vom Heiligen Geist finden sie in diesem Kind die Erfüllung
ihres langen Wartens und Wachens. Beide betrachten das Licht Gottes, das kommt die
Welt zu erleuchten, und ihr prophetischer Blick richtet sich in die Zukunft, um den
Messias zu verkünden: „Das Licht, das die Heiden erleuchtet“ (Lk 2:32). In der prophetischen
Haltung der beiden Greise drückt sich die Freude des gesamte alte Bundes in der Begegnung
mit dem Erlöser aus. Beim Anblick des Kindes erkennen Simeon und Anna, dass er wirklich
der Erwartete ist.
Die Darstellung Jesu im Tempel ist ein sprechendes Bild
der völligen Hingabe vieler Menschen, Männer wie Frauen, die berufen sind, die Kirche
in der Welt von heute sichtbar zu machen durch die evangelischen Räte, die „Wesenszüge
Jesu – Jungfräulichkeit, Armut und Gehorsam“ (Vita Consacrata, 1). Deswegen wurde
das heutige Fest von Papst Johannes Paul II. ausgesucht, den jährlichen Tag des geweihten
Lebens zu feiern. In diesem Zusammenhang richte ich einen herzlichen Gruß an Erzbischof
João Braz de Aviz, den vor kurzem ernannten Präfekten für die Kongregation für die
Ordensleute, und an seine Mitarbeiter. Mit Zuneigung grüße ich die anwesenden Generaloberen
und alle Ordensleute.
Ich möchte drei kurze Gedanken zur Reflexion vorlegen. Der
erste: das biblische Bild der Darstellung Jesu im Tempel enthält das grundlegende
Bild des Lichtes; das Licht, das von Christus ausgehend sich über Maria und Josef,
über Simeon und Anne und durch sie auch alle ergießt. Die Kirchenväter haben dies
mit einem geistlichen Weg in Verbindung gebracht. Das geweihte Leben drückt diesen
Weg auf besondere Weise aus, durch das, was die Väter als filocalia bezeichnen,
das heißt Liebe zur göttlichen Schönheit, die Ausstrahlung der göttlichen Güte
ist (VC 19).
An zweiter Stelle zeigt sich in dem biblischen Bild die Prophetie,
Gabe des Heiligen Geistes. Simeon und Anna ahnen beim Anblick des Kindes sein Schicksal
von Tod und Auferstehung zur Erlösung aller Völker und sie verkünden dieses Geheimnis
als allgemeine Erlösung. Das geweihte Leben ist auch zu diesem prophetischen Zeugnis
berufen, verbunden mit den beiden Haltungen der Kontemplation und der Aktion. Den
Ordensfrauen und -männern ist es gegeben, den Vorrang Gottes sichtbar zu machen, die
Leidenschaft für das Evangelium als Form des Lebens, und die Verkündung für die Armen
und bis an die Enden der Erde. „Kraft dieser Vorrangstellung darf nichts über die
persönliche Liebe zu Christus und zu den Armen, in denen er lebt, gestellt werden
(..)Die wahre Prophetie entsteht aus Gott, aus der Freundschaft mit ihm, aus dem aufmerksamen
Hören seines Wortes in den verschiedenen geschichtlichen Gegebenheiten“ (VC 84). Auf
diese Weise zeigt das geweihte Leben, in seinem täglichen Erleben auf den Straßen
der Menschen, das Evangelium und das schon jetzt begonnene und wirkende Reich Gottes.
An
dritter Stelle zeigt uns das biblische Bild der Darstellung Jesu im Tempel die Weisheit
Simeons und Anna, die Weisheit eines Lebens, das sich ganz der Suche Gottes hingegeben
hat, seiner Zeichen, seines Willens; eines Lebens gewidmet dem Hören und Verkünden
seines Wortes. „Dein Angesicht, Herr, will ich suchen“ (Ps 26:8). Das geweihte Leben
ist in Welt und in der Kirche Zeichen dieser Suche nach dem Angesicht des Herrn und
für die Wege, die zu ihm führen. Die geweihte Person bezeugt so den Auftrag – voller
Freude und Arbeit zugleich – der ausdauernden und weisen Suche nach dem Willen Gottes.
Liebe
Schwestern und Brüder, seid ausdauernde Hörer des Wortes, denn alles Wissen des Lebens
beginnt mit dem Wort des Herrn! Seit Sucher des Wortes, durch das Lesen der Schrift,
damit das geweihte Leben „aus dem Hören auf das Wort Gottes hervorgeht und das Evangelium
als seine Lebensnorm annimmt. Das Leben in der Nachfolge des keuschen, armen und gehorsamen
Christus ist daher eine „lebendige Exegese“ des Wortes Gottes. Der Heilige Geist,
in dessen Kraft die Bibel geschrieben wurde, ist derselbe, der die Gründer und Gründerinnen
das Wort Gottes in einem neuen Licht sehen ließ. Diesem Wort entspringt jedes Charisma,
und jede Ordensregel will sein Ausdruck sein. So entstanden Wege christlichen Lebens,
die von der Radikalität des Evangeliums geprägt sind.“ (Verbum Domini, 83).
Wir
leben heute – vor allem in den mehr entwickelten Gesellschaften – unter Bedingungen,
die durch eine radikale Pluralität gekennzeichnet sind, durch eine Ausgrenzen der
Religion aus dem öffentlichen Raum, durch einen Relativismus, der die grundlegendsten
Werte berührt. Deswegen muss unser christliches Zeugnis leuchtend und klar sein und
unser Einsatz für Erziehung muss immer aufmerksam und großzügig sein. Euer apostolisches
Tun im Besonderen, liebe Schwestern und Brüder, werde Lebensaufgabe, die sich mit
bleibender Leidenschaft der Weisheit annähert wie der Wahrheit und wie der Schönheit,
„Glanz der Weisheit“. Wisst mit Klugheit eurem Leben Orientierung zu geben, und auch
mit Zuversicht in die unerschöpflichen Möglichkeiten der wahren Bildung, des Wissens
und des Herzens der Frauen und Männer unserer Zeit auf das „gute Leben des Evangeliums“
hin.
An dieser Stelle denke ich mit besonderer Zuneigung an alle Ordensmänner
und –frauen, überall auf der Welt, und ich vertraue sie der seligen Jungfrau Maria
an:
Maria, Mutter der Kirche, ich vertraue dir das ganze geweihte Leben
an, dass du ihm die Fülle des göttlichen Lichtes erlangst: Leben im Hören auf
das Wort Gottes, in der Demut der Nachfolge Jesu, deines Sohnes und unseres Herrn, in
der täglichen Freude des Magnificat, so dass die Kirche aufgebaut werde auf Heiligkeit
des Lebens dieser deiner Söhne und Töchter im Gebot der Liebe. Amen.