2011-01-24 14:47:01

Ägypten/Vatikan: Der Wurm ist drin


Empfindlich reagiert die ägyptische Regierung auf Forderungen nach mehr Schutz für Kopten in ihrem Land. Nach der Attacke auf koptische Christen an Neujahr, die nach letzten Angaben durch al-Kaida-nahe Terroristen aus Gaza begangen worden sein soll, hatte auch Papst Benedikt XVI. zu mehr Schutz der christlichen Minderheit in der Region aufgerufen. Ägypten werde sich in dieser Frage „von keiner Seite“ Druck machen lassen, sagte der ägyptische Präsident Hosni Mubarak jetzt in einer Fernsehansprache. „Die Ära der Patronatsherren ist für immer vorbei“, so das Staatsoberhaupt. Als seien die politischen Spannungen zwischen Rom und Kairo nicht schon genug, kam in der letzten Woche auch noch eine Querele im interreligiösen Dialog zwischen dem Vatikan und der Kairoer al-Azhar-Universität ins Spiel. Was ist da los? Ein Hintergrundbericht von Stefan Kempis.

Niemand will sich beim Heiligen Stuhl zu der Entscheidung der Kairoer al-Azhar-Universität äußern. Die wichtigste Lehrautorität im sunnitischen Islam hatte am Donnerstag ihren Dialog mit dem Vatikan „auf Eis gelegt“.
Ein Mitglied des al-Azhar-Rates äußerte sich gegenüber der Nachrichtenagentur adn-kronos zu den Gründen der Krise. Aus Abdel Muti al-Bayoumis Äußerungen wird deutlich, dass al-Azhar nicht nur über die Rufe Benedikts XVI. nach mehr Schutz für koptische Christen aufgebracht ist. Diese wiederholten Appelle des Papstes hatten in den letzten Tagen auch schon den Zorn der ägyptischen Regierung auf sich gezogen, die deswegen ihre Vatikanbotschafterin „zu Konsultationen“ nach Kairo zurückrief. Einige Beobachter sehen im Schritt von al-Azhar denn auch einfach einen Gefallen, den die Uni dem Regime von Hosni Mubarak macht.
Allerdings spricht al-Bayoumi bei der Begründung der gelben Karte aus Kairo genereller von „den Positionen Benedikts XVI. gegenüber dem Islam“, etwa in seiner Regensburger Rede vom September 2006. Er verlangt vom Papst, zur Linie seines Vorgängers Johannes Paul zurückzukehren: Schließlich sei Johannes Paul II. „sehr interessiert gewesen an unserer Arbeit“, und der Dialog zwischen dem Heiligen Stuhl und al-Azhar sei „damals sehr aktiv gewesen“. Wer will, kann aus diesen Worten Verärgerung herauslesen über die Tatsache, dass der Dialog zwischen Kairo und Rom mittlerweile Konkurrenz bekommen hat. Schließlich hat sich in den letzten Jahren, nach einem Brief islamischer Gelehrter an den Papst, ein weiterer intensiver Dialogprozess zwischen dem Päpstlichen Dialograt und der islamischen Welt entwickelt. Wie fruchtbar dieser Dialog binnen kurzer Zeit geworden ist, führte der Papstbesuch in einer jordanischen Moschee im Frühjahr 2009 vor. al-Azhar muss also damit leben, dass es nicht mehr die einzige große Stimme des Islam dem Vatikan gegenüber ist. Der Bedeutungsverlust der Kairoer Uni läuft parallel zum Bedeutungsverlust Ägyptens innerhalb der arabischen (und islamischen) Welt.
Einige Stimmen im Islam haben die Entscheidung der al-Azhar kritisiert – etwa der schillernde ägyptische Gelehrte Tariq Ramadan, der in der Schweiz lehrt. Wenn der Papst sich für angegriffene Kopten einsetze, dann sei das doch „normal“; es sei ein Fehler, den Gesprächskanal zwischen Nil und Tiber dichtzumachen. Auch die al-Azhar-Universität habe doch das blutige Attentat auf Kopten in der Neujahrsnacht verurteilt. Vielleicht müsse Benedikt XVI. noch deutlicher machen, dass er sich nicht nur für angegriffene Christen, sondern in gleichem Mass auch für verfolgte oder diskriminierte Muslime einsetze, so Ramadan bei einem Besuch in Rom. Der evangelische Pfarrer von Kairo, Axel Matyba, meldet sich hingegen mit sehr besonnenen Überlegungen zu Wort: Einmischungen von außen seien weder bei der Regierung noch bei den Christen willkommen. Die Christen fürchteten „zu Recht, dass auf diese Art ein Keil zwischen sie und ihre muslimischen Landsleute getrieben wird“. Statt „strammer Worte“ sei „hier eher praktische Solidarität gefragt“.
Wie aufgebracht die ägyptische Regierung über die jüngsten Stellungnahmen des Vatikans ist, wurde übrigens auch auf dem Wirtschaftsgipfel arabischer Staaten im ägyptischen Badeort Sharm el-Sheik deutlich: Dort sorgte die Regierung Mubarak dafür, dass Einmischungen von außen zugunsten von Minderheiten in arabischen Ländern ausdrücklich verurteilt wurden. Übrigens: In der ägyptischen Presse spielte dieser Wirtschaftsgipfel eine viel größere Rolle als das Aussetzen des Dialogs zwischen al-Azhar und dem Vatikan. Wer zum letzten Thema etwa in der führenden Kairoer Tageszeitung „al-Ahram“ Infos sucht, der muss lange blättern.

Die italienische Tageszeitung „Il Foglio“ weist an diesem Freitag darauf hin, dass al-Azhar letztes Jahr ein Pamphlet mit dem Titel „Gegen die Christen“ zur Veröffentlichung zugelassen habe. Autor sei ein Mitglied des wissenschaftlichen Komitees der al-Azhar-Universität. Der Vatikan hatte am Donnerstag in einer ersten Reaktion auf die Nachricht aus Kairo seine weiterhin bestehende Offenheit und Bereitschaft zum Gespräch betont.

Inzwischen wurden neue Informationen zu den möglichen Ursachen der Querele bekannt. Nach Meinung von Pater Bernardo Cervellera, dem Direktor der römischen Agentur asianews, reicht die Krise vor den Januar und vor die Rede des Papstes zur Religionsfreiheit zurück. Streitpunkt sei der Islamexperte Khaled Boutros Akasheh gewesen, der als Mitglied des Päpstlichen Rats für den interreligiösen Dialog für ein Treffen mit Vertretern der Kairoer Universität eingeplant war. Die Al-Azhar-Universität bestand auf der Entfernung des jordanischen Korankenners und Dialogexperten aus der Delegation, andernfalls – so die Drohung – würde der Dialog abgebrochen. Die islamische Seite wolle wohl niemandem gegenüber sitzen will, der selbst perfekt Arabisch versteht und den Islam gut kennt, meint Cervellera. Dabei wurde in dem schriftlichen Abkommen zwischen Vatikan und der Al-Azhar-Universität ausdrücklich festgehalten, dass jede Delegation das Recht hat, in völliger Freiheit ihre Mitglieder zu bestimmen.

(rv/adnkronos/asianews 21.01.2011 sk/pr)








All the contents on this site are copyrighted ©.