Direktor Caritas Minsk: „Mehr Synergie bei karitativer Arbeit nötig“
Der Druck geht weiter – gut einen Monat nach der umstrittenen Präsidentenwahl in Weißrussland
haben Sicherheitskräfte in den letzten Tagen erneut Hausdurchsuchungen bei Oppositionellen
durchgeführt. In verschiedenen Redaktionen unabhängiger Medien und in Privatwohnungen
sind Computer und Aufzeichnungen beschlagnahmt worden. Das meldet eine regierungskritische
Nachrichtenagentur in der weißrussischen Hauptstadt Minsk. Auch sei ein Oppositionsführer
verhaftet worden, der im Präsidentenwahlkampf gegen Präsident Lukaschenko angetreten
war. Lukaschenko legte am Freitag in Minsk den Eid für eine vierte Amtszeit ab, dem
selbsterklärten Wahlsieger wird nun von Seiten internationaler Beobachter Wahlfälschung
vorgeworfen; im deutschen Bundestag denkt man derzeit über Sanktionen gegen das Land
nach. Auswirkungen auf soziale Arbeit im Land Eine
Abschottung Weißrusslands gegenüber dem Westen hätte wohl auch Auswirkungen auf die
soziale Arbeit in dem Land. Karitative Projekte laufen dort zu großen Teilen mit Unterstützung
aus Westeuropa, angesichts der umstrittenen politischen Führung befinden sich Kirche
und Caritas in Weißrussland in der Zwickmühle. So will sich Pater Victor Haidukevich,
Leiter der Caritas Minsk, im Gespräch mit uns auch nicht zur politischen Lage äußern.
Er schlägt einen versöhnlichen Ton an, lässt aber auch durchblicken, dass die Zusammenarbeit
mit dem Staat nicht immer einfach ist. „Natürlich gibt es immer wieder Probleme,
zum Beispiel bei der Organisation von EU-Projekten. Immer wieder gibt es Schwierigkeiten,
das Geld zu bekommen, um die ganzen Projekte zu realisieren. Der Staat möchte das
Geld kontrollieren. Zum Glück gibt es viele Organisationen, mit denen wir zusammenarbeiten
hier in Belarus, und das läuft reibungslos. Aber wenn viel Geld im Spiel ist, gibt
es Schwierigkeiten. Aber die kann man auch ohne Probleme überwinden.“
Nicht
leicht überwinden lassen sich in Weißrussland allerdings soziale Probleme wie Kinderarmut,
die dürftige Altenfürsorge auf dem Lande und die löchrige Gesundheitsversorgung. Weißrussland
hat nach Angaben der Vereinten Nationen zwar den höchsten Lebensstandard in den GUS-Staaten
und kann aufgrund guter Beziehungen zu Russland eine relativ stabile Wirtschaftslage
vorweisen. Die Caritas hat aber dennoch alle Hände voll zu tun. Haidukevich nennt
als Beispiel die Versorgung von Kindern, die wegen der Tschernobyl-Katastrophe unter
Behinderungen leiden.
Staat hilft, aber nicht genug „Der Staat
hilft schon, aber es ist nicht ausreichend, und deshalb versuchen wir da etwas zu
machen. Zum Beispiel beim Sankt Lukas Zentrum, das ist ein Caritas-Zentrum, wo Kinder
aus den verseuchten Gebieten gratis leben können und Behandlungen erhalten. Auch bei
den Obdachlosen engagieren wir uns sehr stark. Es gibt Armenküchen und vieles mehr.
10.56 Und es gibt verschiedene Bereiche, wo Caritas versucht, wieder neu einzusteigen,
denn wir konnten unsere Tätigkeit teilweise nicht mehr weiterführen. Heute versuchen
wir wieder neu einzusteigen, zusammen mit den staatlichen Behörden.“
Die
Arbeit der weißrussischen Caritas habe in den 90er Jahren vor allem mit der Versorgung
von Menschen aus den atomar verseuchten Gebieten begonnen, so Haidukevich. In diesen
Jahren habe auch eine intensive Unterstützung aus dem Ausland begonnen – durch Stiftungen
und Hilfsfonds und die Caritas Polens, Deutschlands, Irlands, Italiens und Österreichs.
Zwischenzeitlich sei es aber aus verschiedenen Gründen, auf die der Pater nicht näher
eingehen will, zu Versorgungsengpässen gekommen. „Das hat verschiedene Gründe,
es kann zum Beispiel sein, dass auch die Partner aus dem Westen die Projekte nicht
mehr weiter führen wollten oder konnten aus gewissen Gründen. Manchmal ist das auch
so, dass staatlicherseits unsere Hilfe nicht erwünscht ist usw.“ Bessere
Zusammenarbeit, doch mehr Synergien nötig In den letzten Jahren habe sich das
Verhältnis zwischen Staat und Kirche insgesamt verbessert, so der Pater. Man versuche,
zusammen Sozialprojekte durchzuführen und zu kooperieren. Auch die Zusammenarbeit
der römisch-katholischen Kirche und der orthodoxen Kirche in Weißrussland habe in
den letzten zehn Jahren mehr Früchte getragen. 80 Prozent der Weißrussen sind orthodoxe
Christen, Katholiken stellen zusammen mit Juden und Moslems nur 20 Prozent. Sie leben
vor allem im Westen und Norden des Landes und sind oft polnischer oder litauischer
Abstammung.
„Die Tendenz ist positiv, nicht nur in der karitativen Tätigkeit,
was die orthodoxe Kirche betrifft. Es gibt zum Beispiel eine gemeinsame Kommission
im karitativen Bereich. Und die versucht, gemeinsame Projekte anzugehen, die Kapazitäten
zu verdoppeln, gemeinsam gegen verschiedene Probleme anzugehen. Die Tendenz ist steigend,
dass wir in bestimmten Bereichen immer mehr gemeinsam auftreten.“
Trotz
dieser positiven Entwicklungen wünscht sich Pater Haidukevich für die Zukunft mehr
Synergie bei der karitativen Arbeit – vor allem mit Blick auf Organisationen im Osten
des Kontinents:
„Wir sind als Caritas in Belarus noch sehr stark von westlichen
Partnern abhängig, auch finanziell, deshalb wünsche ich mir mehr Zusammenarbeit nicht
nur mit Caritas-Organisationen aus Westeuropa, sondern auch mit verschiedenen anderen
Hilfsorganisationen aus ganz Europa, damit wir wirklich Menschen vor Ort helfen können
– je mehr desto besser.“