2011-01-22 14:06:40

Vatikan: „Die Kirche nicht am Ärmel ziehen“


Papst Benedikt XVI. hat am Samstag den Vorsitzenden der Italienischen Bischofskonferenz, Kardinal Angelo Bagnasco, empfangen. Bei dem Gespräch sei es um die Rede, die der Kardinal am Montag vor italienischen Bischöfen halten wird, gegangen. Bagnasco hat Journalisten gegenüber bestätigt, dass er darin auch auf die neuesten Sex-Skandale rund um Ministerpräsident Silvio Berlusconi eingehen wird. Diese Aussicht macht viele Anhänger der derzeitigen römischen Mitte-Rechts-Regierung nervös. Die Mailänder Staatsanwalt ermittelt gegen Berlusconi wegen Begünstigung der Prostitution und sexueller Kontakte mit einer Minderjährigen. In den vergangenen Tagen haben Papst Benedikt und Kardinalstaatssekretär Tarcisio Bertone mit abgewogenen Worten Politiker dazu aufgerufen, sich auf Vorbildlichkeit und Moral zu besinnen. Sollten die italienischen Bischöfe und/oder der Vatikan den Premier direkt kritisieren, rechnen viele mit einem Sturz der Regierung.

Der Direktor der Vatikanzeitung „Osservatore Romano“, Giovanni Maria Vian, warnt davor, die Stellungnahmen der Kirche zum Thema Moral im innenpolitischen Grabenkrieg zu instrumentalisieren. „Niemand sollte die Kirche am Ärmel ziehen, politische Probleme müssen politisch gelöst werden“, so Vian. Übrigens rufe die Kirche „schon seit Jahrzehnten“ zu Anstand und Moral in der Politik auf; da sei es „bemerkenswert, wie diese Themen jetzt auf einmal Interesse finden“.

Auch viele Politiker aus Berlusconis Lager wehren sich gegen eine Instrumentalisierung der Worte Benedikts und Bertones. Bekannte Katholiken im Regierungslager machen aber gleichzeitig aus ihrem Unbehagen angesichts der immer neuen Skandale um dem Premier keinen Hehl. Die in Italien traditionell starken katholischen Verbände haben sich hinter die Moral-Appelle der Kirchenspitze gestellt. Es sei „normal, dass der Heilige Stuhl und Benedikt XVI. sich vorsichtig-ausgewogen äußern“, so der Präsident der „Katholischen Aktion“ in einem Interview. Klar sei, dass man die Skandale um Berlusconi nur „mit Scham und Bestürzung“ zur Kenntnis nehmen könne. Man müsse sich allerdings auch vor einer Vorverurteilung des 74-jährigen Regierungschefs hüten.

Die auflagenstärkste italienische Wochenzeitschrift ist die katholische „Famiglia Cristiana“. Sie beklagt die „verheerenden Auswirkungen“ der derzeitigen Skandale auf die Familien und auf Jugendliche. Berlusconi spalte mit seinem Verhalten die „katholische Welt“ Italiens; das sei vor ihm noch niemandem in der Nachkriegszeit gelungen.

(rv/ansa/or/corriere 22.01.2011 sk)









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