Große Polit-Rede des Papstes – Religionsfreiheit an erster Stelle
Alle Jahre wieder
empfängt Papst Benedikt die beim Heiligen Stuhl akkreditierten Diplomaten zu einer
Audienz. Und hält dabei eine große politische Rede, die an diesem Montag ganz im Zeichen
der Religionsfreiheit stand.
„Die religiöse Dimension ist ein unleugbares
und unbezwingliches Merkmal des menschlichen Seins und Handelns, sie ist der Maßstab
für die Verwirklichung seiner Bestimmung und für den Aufbau der Gemeinschaft, der
er angehört. Wenn der einzelne selbst oder seine Umgebung diesen fundamentalen Aspekt
vernachlässigt oder leugnet, bilden sich folglich Unausgeglichenheiten und Konflikte
auf allen Ebenen, sowohl im persönlichen als auch im zwischenmenschlichen Bereich.“
Friede
lasse sich darum „nur dann aufbauen und bewahren, wenn der Mensch Gott frei suchen
und dienen kann – in seinem Herzen, aber auch in seinem Leben und in seinen Beziehungen
mit anderen“. Leider gebe es, wenn man sich so umschaue in der Welt, „viele Situationen,
in denen leider das Recht auf Religionsfreiheit eingeschränkt oder verweigert wird“,
so Benedikt.
„Dieses Recht des Menschen ist in Wirklichkeit das erste der
Rechte, weil es – geschichtlich gesehen – als erstes bestätigt wurde, und weil es
andererseits die grundlegende Dimension des Menschen angeht, nämlich sein Verhältnis
zu seinem Schöpfer. Mir scheint, dass die Gesellschaft, ihre Verantwortlichen und
die öffentliche Meinung sich heute mehr, wenn auch nicht immer in rechter Weise, dieser
schweren Verwundung bewusst wird, die der Würde und der Freiheit des homo religiosus
zugefügt wird.“
„Christen im Irak und in Ägypten schützen“
Eindringlich
erinnerte der Papst an die Zwangslage religiöser Minderheiten, darunter vor allem
der Christen, im Nahen Osten.
„Ja, im Blick auf den Orient haben uns die
Attentate zutiefst betrübt, die unter den Christen des Irak Tod, Schmerz und Verzweiflung
gesät haben und sie sogar veranlassen, das Land zu verlassen, wo ihre Väter jahrhundertelang
gelebt haben.“
Benedikt appellierte „an die Verantwortungsträger dieses
Landes und an die islamischen Religionsführer, sich dafür einzusetzen, dass ihre christlichen
Mitbürger in Frieden leben und weiterhin ihren Beitrag zu der Gesellschaft leisten
können, deren vollgültige Mitglieder sie sind“.
„Auch in Ägypten, in Alexandrien,
hat der Terrorismus Gläubige beim Gebet in einer Kirche brutal getroffen. Diese Folge
von Angriffen ist ein weiteres Zeichen für die dringende Notwendigkeit, dass die Regierungen
der Region trotz der Schwierigkeiten und der Drohungen wirksame Maßnahmen zum Schutz
der religiösen Minderheiten ergreifen. Muss es noch einmal gesagt werden? „Die Christen“
im Nahen Osten „sind ursprüngliche und vollwertige Bürger, die loyal zu ihrer Heimat
und zu allen ihren staatsbürgerlichen Pflichten stehen. Es versteht sich von selbst,
dass sie alle Rechte der Staatsbürgerschaft, der Gewissens- und Religionsfreiheit,
der Freiheit im Erziehungs- und Bildungswesen sowie beim Gebrauch der sozialen Kommunikationsmittel
in Anspruch nehmen können“ (Botschaft der Sonderversammlung der Bischofssynode für
den Nahen Osten an das Volk Gottes, Nr. 10).“
Das war ein direktes Zitat
aus der Schlusserklärung der Bischofssondersynode zum Nahen Osten, die im letzten
Herbst im Vatikan stattgefunden hatte. Sie hatte in gewisser Weise den Auftakt für
die derzeitige Kampagne des Heiligen Stuhls für Religionsfreiheit gebildet. Benedikt
XVI. kam dann nochmals auf das Attentat auf koptische Christen in Alexandria in der
Silvesternacht zu sprechen, bei dem 23 Menschen starben:
„Ich schätze die
Aufmerksamkeit für die Rechte der Schwächsten und den politischen Weitblick, den manche
Länder Europas in den letzten Tagen bewiesen haben, indem sie eine konzertierte Antwort
der Europäischen Union zum Schutz der Christen im Nahen Osten forderten.“
Am
31. Januar will sich der Rat der EU-Außenminister mit der Frage befassen; die Initiative
dazu ging von Italiens Außenminister Franco Frattini aus, der dazu Frankreich mit
ins Boot holte. Benedikt XVI. erinnerte noch einmal daran, dass Religionsfreiheit
sehr viel mehr sei, als nur Kultfreiheit zu gewähren. Schon in den Schulen sollten
Kinder und Jugendliche weltweit zum Respekt von Religionsfreiheit und anderen Menschenrechten
erzogen werden. Ausdrücklich bat der Papst die arabischen Staaten, dass sie der katholischen
Kirche die Seelsorge für die vielen dort lebenden Christen erlaubt, die aus Arbeitsgründen
eingewandert sind.
„Das Blasphemie-Gesetz in Pakistan abschaffen!“
„Unter
den Normen, die das Recht der Menschen auf Religionsfreiheit verletzen, muss das Gesetz
gegen Blasphemie in Pakistan besondere Erwähnung finden: Ich ermutige die Verantwortungsträger
dieses Landes erneut, die nötigen Anstrengungen zu unternehmen, es aufzuheben, um
so mehr, da es offensichtlich als Vorwand dient, um Ungerechtigkeit und Gewalt gegen
die religiösen Minderheiten zu provozieren. Der tragische Mord am Gouverneur der Provinz
Punjab zeigt, wie dringend es ist, in diesem Sinn voranzugehen: Die Verehrung Gott
gegenüber fördert Brüderlichkeit und Liebe, nicht Hass und Entzweiung.“
Der
Gouverneur des wichtigsten pakistanischen Bundesstaates, Salman Taseer, wurde vor
wenigen Tagen in Islamabad von seinem Leibwächter umgebracht, weil er sich für eine
Abschaffung des Blasphemiegesetzes ausgesprochen hatte. Der Mörder gab nach Agenturangaben
an diesem Montag an, dass er allein gehandelt habe.
„Andere besorgniserregende
Situationen mit gelegentlichen Gewaltakten können im Süden und Südosten des asiatischen
Kontinents erwähnt werden, in Ländern, die übrigens eine Tradition friedlicher gesellschaftlicher
Beziehungen haben. Das besondere Gewicht einer bestimmten Religion in einer Nation
dürfte niemals zur Folge haben, dass die Bürger, die einem anderen Bekenntnis angehören,
im gesellschaftlichen Leben diskriminiert werden oder, noch schlimmer, dass Gewalt
gegen sie geduldet wird.“
Diese Mahnung Benedikts zielt wohl vor allem
in Richtung Indonesien, das von seiner Einwohnerzahl her größte islamische Land der
Welt: Hier kommt es in den letzten Monaten immer wieder zu Schikanen gegen Christen,
vor allem rund um die Metropole Jakarta. In seiner Rede erwähnte der Papst aber auch
Afrika, wo es ebenfalls zu Gewalt gegen Christen komme. Dafür zeugten etwa die Angriffe
auf Kirchen in Nigeria in der Weihnachtszeit. Auf das derzeitige Referendum im Südsudan
und eine mögliche Unabhängigkeit dieses mehrheitlich christlichen Landesteils ging
Benedikt in seiner „tour d`horizon“ nicht ein.