Der bekannte Journalist
Peter Voss wurde vor 70 Jahren in Hamburg geboren und wuchs in Lübeck auf, wo er das
‘Johanneum’ besuchte. Von 1961 bis 1967 studierte er Soziologie, Jura und Ethnologie
an der Universität Göttingen. Beim SWR brachte er es bis zum Intendanten, in dessen
Stellung er zwei Mal bestätigt wurde. Beim breiteren Publikum wurde er vor allem wegen
seiner sonntäglichen Journalistengespräche ‘Presseclub’ bekannt. Im vergangenen Jahr
übernahm Peter Voß das Amt des Präsidenten der privaten Quadriga Hochschule in Berlin,
in der unter anderem auch Ethikfragen auf dem Lehrplan stehen.
Sie
sind ein Spitzenmann der Medien, Journalist, Manager – ergo wird das Gespräch, das
wir aus Anlass Ihres 70. Geburtstages führen, in erster Linie ein Gespräch über Medien
sein, aber nicht nur. War Ihre Studienwahl: Soziologie, Jura und Ethnologie bereits
verbunden mit Ihrer Berufsvorstellung? “Ich war lange unsicher was ich werden wollte.
Ich habe erst Deutsch und Englisch studiert, dann habe ich gewechselt zu Jura, aber
Staatsanwalt oder Richter wollte ich auch nicht werden, dann bin ich zur Soziologie
übergegangen mit Nebenfach Ethnologie und Rechtsgeschichte: Journalist bin ich dann
geworden, um möglichst rasch einen Beruf zu ergreifen, der mir liegt. Ich war lange
unschlüssig, ob ich nicht in die Politik gehen sollte, und bin heute froh, dass ich
es nicht gemacht habe”. Gleich zum Beginn; was macht Ihrer Meinung nach einen guten
Journalisten aus? “Ich hätte fast ironisch gesagt: seine Seltenheit. Denn der gute
Journalist konzentriert sich auf die gründliche Recherche und bemüht sich um ein Ziel,
das nicht absolut aber in Annäherungswerten erreichbar ist: sie Objektivität. Das
heißt, er versucht auch die Fakten, Hintergründe, Argumente, Zusammenhänge zu berücksichtigen,
die nicht zu seiner persönlichen Meinung passen”. Wo liegen die Trends, die Tendenzen
der Medien heute? Wie hat sich der Jornalismus durch die Digitalisierung verändert? “Das
ist ein sehr komplexes Feld. Vor allem durch den Siegeszug des Internets verändert
sich der Journalismus und gleichzeitig auch durch den viel härteren kommerziellen
Wettbewerb, das heißt Verlage wie Sender haben nicht mehr im gleichen Maße wie vorher
die finanzielle Kraft Journalisten zu bezahlen, die eben gründlich recherchieren.
Wen ich heute als Verleger Personal abbaue, bleibt für die Recherche weniger Zeit,
das heißt die Tendenz geht natürlich dann mehr zu personalisiertem Journalismus,zu
Emotionen und das geht dann auf Kosten der Gründlichkeit. Und das Internet verändert
es noch einmal völlig, weil es auf der einen Seite ein freies, ein tolles Medium ist,
aber auch ein Medium das es erschwert, Instanzen der Glaubwürdigkeit, der Seriosität
aufzubauen”. Sie haben den öffentlich-rechtlichen Rundfunk einmal als öffentliches
Kulturgut beschrieben….Würden Sie das näher beschreiben? “Ja, der Kulturbegriff
ist natürlich dehnbar. Etwa die Hälfte der Produktion des öffentlich-rechtlichen Rundfunks
und Fernsehens und Internet würden sich am Markt nicht rechnen. Das heißt, sie werden
geleistet für die Allgemeinheit – insofern ist der öffentlich-rechtliche Rundfunk
gemeinwohlorientiert – sie sind nötig, aber sie erreichen immer nur bestimmte Minderheiten
und wären deshalb kommerziell nicht finanzierbar. Insofern hat der öffentlich-rechtliche
Rundfunk, wenn man will, eine wichtige Aufgabe auch im Hinblick auf die Integrität
einer Gesellschaft auf nationaler, regionaler, föderaler Ebene, aber auch auf europäischer
Ebene und ist nach meiner Meinung unentbehrlich.Ob wir diesen Rundfunk so behalten
können, halte ich für eine offene Frage. Ich hoffe, dass mit größeren Bildungsanstrengungen
auch die Ansprüche von Rundfunk und Fernsehen wieder steigen, sodass wir da wieder
neue Chancen haben”. Welchen Stellenwert haben Sie als Intendant des SWR den religiösen
Sendungen eingeräumt? “Also abgesehen von den staatsvertraglich festgesetzten Gottesdienst-Übertragungen
haben wir uns auch selber bemüht, redaktionell religiöse Themen aufzugreifen bis hin
in die Fernsehspiele hinein. Ich selbst habe etwas getan, was mir auch Kritik eingebracht
hat: ich habe versucht selbst den Islam einzubinden durch eine „Islamisches Wort“
allerdings unter unserer redaktionellen Verantwortung. Aber nur im Internet als ersten
Versuch, weil ich islamistische Tendenzen ohnehin, aber auch manche islamischen Tendenzen
sehr kritisch sehe, aber der Meinung war, wenn man sie kritisch sieht muss man ein
Angebot machen. Und meine stille Hoffnung war und ist, dass wir mit dem Vordringen
des Islam auch unsere eigenen kulturellen und religiösen Wurzeln wieder stärker zum
Bewusstsein bringen müssen”.
Ist dieses Experiment gelungen?
Es ist
gelungen. Die Ausweitung ist aber schwierig, weil es auf islamischer Seite keine wirklichen
institutionellen Ansprechpartner gibt. Es gibt keine öffentlich-rechtlich verfaßte
islamische Glaubengemeinschaft, die man mit den Kirchen vergleichen könnte und die
-wenn es sie gäbe – auch in unseren Gremien vertreten sein könnten. Das steckt alles
erst in den Anfängen und wird sich hoffentlich noch entwickeln. Es ist bekannt:
die Medien haben Einfluss auf die Politik. Welchen Einfluss haben die Medien auf die
Religion? Hat die Religion auch Einfluss auf die Medien? “Der Einfluss der Religion,
auch der Einfluss der religiösen Institutionen ist sicherlich zurückgegangen, weil
die agnostische Säkularisierungswelle auch den Journalismus stark erfasst hat. Umgekehrt
haben die Medien schon sehr großen Einfluss auf religiöse Einstellungen, nicht so
sehr auf konkrete, geglaubte Lehrsätze, aber auf das religiöse Empfinden. Und sie
haben auch Einfluss der Kritikfähigkeit. Eine der großen Leistungen des SWR war wirklich
eine Sendung über Scienthologie, die auch riskant war, weil diese Sekte alles versucht
hat, unsere Ausstrahlung zu verhindern. Also wir haben schon Einfluss und damit natürlich
eine große Verantwortung”. Sie sind Protestant. Was gefällt Ihnen an der katholischen
Kirche, was nicht?
”Also ich habe grundsätzlich –insofern bin ich befangen,
weil ich noch nicht einmal weiß, ob ich ein Gläubiger bin oder nicht, vielleicht bin
ich es auch ohne es zu wissen – habe ich ein Grundvertrauen in eine höhere Instanz,
ohne mir dessen immer bewusst zu sein. Ich habe mit konkreten Lehrsätzen beider Kirchen
meine Probleme und bewundere an der katholischen Kirche etwas, was zugleich die Schattenseite
ist: ihre große Geschlossenheit. Das ist gleichzeitig auch ein Problem bei bestimmten
Themen, die in aller Munde sind – ob es der Ausschluss der Frauen vom Priesteramt
ist, der natürlich dogmatisch begründet ist, oder eben auch eine kirchenrechtliche
Frage wie die zölibatäre Existenz der Priester. Ich glaube, darin liegt zwar nicht
das Kernproblem, aber liegen zumindest in Mitteleuropa große Akzeptanzprobleme. Nur
der Kern des Glaubens – Liebe, Glaube, Hoffnung – der ist für mich unantastbar. Und
da stelle ich mir die Frage immer: welche Institution ist am ehesten geeignet, die
Lehre zu bewahren und weiterzugeben und die Menschen immer damit zu konfrontieren.
Und das ist sicher heute – weltweit gesehen- die katholische Kirche”. Sie haben
viele hervorragende Kirchenmänner interviewt. Hans Küng, Wolfgang Huber, Erzbischof
Foley. Mit Sicherheit würden Sie auch gerne ein Interview mit Papst Benedikt führen.
Welche Frage würden Sie ihm auf jeden Fall stellen? “Ich wollte dem Papst sicher
nach dem Kern seines Glaubens fragen und ihm in Grunde die Fragen stellen, die Sie
mir gerade gestellt haben. Darauf würde ich sicher versuchen, ganz stark einzugehen:
bleibt es bei der Volkskirche? Und damit der öffentlich-rechtlichen verfassten Kirche?
Oder kehren wir zurück zu einer Form die an die Urkirche erinnert? Nämlich eine Minderheit
die völlig aus eigener Kraft und ohne Verbindung zur Gesellschaft und Politik sozusagen
– ich hätte fast gesagt, wie im heutige China, nur ohne Verfolgung – als wenig beachtete
Minderheit von „Sonderlingen“ existiert. Vielleicht ist das die Zukunft der Kirche.
Aber ich würde es mir nicht wünschen, weil ich mir eine möglichst großen Einfluss
der Institution Kirche im positiven Sinne auf die Gesellschaft wünsche”.
Sie
haben viele hervorragende Kirchenmänner interviewt. Hans Küng, Wolfgang Huber, Erzbischof
Foley. Mit Sicherheit würden Sie auch gerne ein Interview mit Papst Benedikt führen.
Welche Frage würden Sie ihm auf jeden Fall stellen?
”Hoffentlich nicht
nur Unternehmens- und Organisationskommunikation sondern hoffentlich lernen sie von
uns auch, dass Transparenz , die beste Unternehmenspolitik ist. Man sieht am Beispiel
von BP nach dem Unglück im Golf von Mexiko oder auch bei der deutschen Bahn wenn es
mal mehr schneite als sonst, dass Unternehmen aber auch Parteien und Institutionen
gravierende Fehler machen bei der Vermittlung ihrer legitimen Interessen und Ziele,
weil sie oft die Antwort verweigern oder nicht ganz offen sind. Und das wäre aber
genau richtig, weil es auf lange Sicht die einzige vertrauensbildende Politik ist.
Und das versuchen wir unter anderem den Studierenden zu vermitteln”.
Auf Ihrem
Lehrplan stehen also auch Ethikfragen; welche der christlichen Grundwerte halten Sie
für die entscheidenden?
”Ich denke das Gebot der Nächstenliebe, das ja nach
meiner Auffassung nicht sekular, sondern nur religiös begründet werden kann. Sie ist
der zentrale Wert, der natürlich nicht 1:1 umsetzbar ist. Da bräuchte man ja keinen
Staat und keine Politik mehr. Keine Gesetze und keinen Sozialstaat wenn wir alle im
Sinne der christlichen Ethik sozial wären. Es ist alles zurückzuführen auf das Gebot
der Nächstenliebe und natürlich auch auf dem Wert der Menschenwürde. Denn das Christentum
hat eigentlich die Würde der Einzelperson durchgesetzt. Un das halte ich für zentral”. Sie
lieben Lyrik. Sie selbst haben Gedichte geschrieben. Gibt es eines, das Sie abschließend
rezitieren möchten? Es gibt ein Gedicht, das heißt Kunst:
Es liegt was
in der Luft, ich trau mich nicht danach zu greifen. Sie nimmt es sich heraus,
taucht es ins kalte Bad und zieht es an. Ein Kleid, das manchen freut. Ich
aber sag mir: Nein, das ist doch keine Kunst, das hätteich auch gekonnt. Mag
sein, sagt sie –doch du kannst es nicht tragen.