2011-01-09 09:33:37

Menschen in der Zeit: Prof. Peter Voss


RealAudioMP3 Der bekannte Journalist Peter Voss wurde vor 70 Jahren in Hamburg geboren und wuchs in Lübeck auf, wo er das ‘Johanneum’ besuchte. Von 1961 bis 1967 studierte er Soziologie, Jura und Ethnologie an der Universität Göttingen. Beim SWR brachte er es bis zum Intendanten, in dessen Stellung er zwei Mal bestätigt wurde. Beim breiteren Publikum wurde er vor allem wegen seiner sonntäglichen Journalistengespräche ‘Presseclub’ bekannt. Im vergangenen Jahr übernahm Peter Voß das Amt des Präsidenten der privaten Quadriga Hochschule in Berlin, in der unter anderem auch Ethikfragen auf dem Lehrplan stehen.



Sie sind ein Spitzenmann der Medien, Journalist, Manager – ergo wird das Gespräch, das wir aus Anlass Ihres 70. Geburtstages führen, in erster Linie ein Gespräch über Medien sein, aber nicht nur. War Ihre Studienwahl: Soziologie, Jura und Ethnologie bereits verbunden mit Ihrer Berufsvorstellung?
“Ich war lange unsicher was ich werden wollte. Ich habe erst Deutsch und Englisch studiert, dann habe ich gewechselt zu Jura, aber Staatsanwalt oder Richter wollte ich auch nicht werden, dann bin ich zur Soziologie übergegangen mit Nebenfach Ethnologie und Rechtsgeschichte: Journalist bin ich dann geworden, um möglichst rasch einen Beruf zu ergreifen, der mir liegt. Ich war lange unschlüssig, ob ich nicht in die Politik gehen sollte, und bin heute froh, dass ich es nicht gemacht habe”.
Gleich zum Beginn; was macht Ihrer Meinung nach einen guten Journalisten aus?
“Ich hätte fast ironisch gesagt: seine Seltenheit. Denn der gute Journalist konzentriert sich auf die gründliche Recherche und bemüht sich um ein Ziel, das nicht absolut aber in Annäherungswerten erreichbar ist: sie Objektivität. Das heißt, er versucht auch die Fakten, Hintergründe, Argumente, Zusammenhänge zu berücksichtigen, die nicht zu seiner persönlichen Meinung passen”.
Wo liegen die Trends, die Tendenzen der Medien heute?
Wie hat sich der Jornalismus durch die Digitalisierung verändert?
“Das ist ein sehr komplexes Feld. Vor allem durch den Siegeszug des Internets verändert sich der Journalismus und gleichzeitig auch durch den viel härteren kommerziellen Wettbewerb, das heißt Verlage wie Sender haben nicht mehr im gleichen Maße wie vorher die finanzielle Kraft Journalisten zu bezahlen, die eben gründlich recherchieren. Wen ich heute als Verleger Personal abbaue, bleibt für die Recherche weniger Zeit, das heißt die Tendenz geht natürlich dann mehr zu personalisiertem Journalismus,zu Emotionen und das geht dann auf Kosten der Gründlichkeit. Und das Internet verändert es noch einmal völlig, weil es auf der einen Seite ein freies, ein tolles Medium ist, aber auch ein Medium das es erschwert, Instanzen der Glaubwürdigkeit, der Seriosität aufzubauen”.
Sie haben den öffentlich-rechtlichen Rundfunk einmal als öffentliches Kulturgut beschrieben….Würden Sie das näher beschreiben?
“Ja, der Kulturbegriff ist natürlich dehnbar. Etwa die Hälfte der Produktion des öffentlich-rechtlichen Rundfunks und Fernsehens und Internet würden sich am Markt nicht rechnen. Das heißt, sie werden geleistet für die Allgemeinheit – insofern ist der öffentlich-rechtliche Rundfunk gemeinwohlorientiert – sie sind nötig, aber sie erreichen immer nur bestimmte Minderheiten und wären deshalb kommerziell nicht finanzierbar. Insofern hat der öffentlich-rechtliche Rundfunk, wenn man will, eine wichtige Aufgabe auch im Hinblick auf die Integrität einer Gesellschaft auf nationaler, regionaler, föderaler Ebene, aber auch auf europäischer Ebene und ist nach meiner Meinung unentbehrlich.Ob wir diesen Rundfunk so behalten können, halte ich für eine offene Frage. Ich hoffe, dass mit größeren Bildungsanstrengungen auch die Ansprüche von Rundfunk und Fernsehen wieder steigen, sodass wir da wieder neue Chancen haben”.
Welchen Stellenwert haben Sie als Intendant des SWR den religiösen Sendungen eingeräumt?
“Also abgesehen von den staatsvertraglich festgesetzten Gottesdienst-Übertragungen haben wir uns auch selber bemüht, redaktionell religiöse Themen aufzugreifen bis hin in die Fernsehspiele hinein. Ich selbst habe etwas getan, was mir auch Kritik eingebracht hat: ich habe versucht selbst den Islam einzubinden durch eine „Islamisches Wort“ allerdings unter unserer redaktionellen Verantwortung. Aber nur im Internet als ersten Versuch, weil ich islamistische Tendenzen ohnehin, aber auch manche islamischen Tendenzen sehr kritisch sehe, aber der Meinung war, wenn man sie kritisch sieht muss man ein Angebot machen. Und meine stille Hoffnung war und ist, dass wir mit dem Vordringen des Islam auch unsere eigenen kulturellen und religiösen Wurzeln wieder stärker zum Bewusstsein bringen müssen”.

Ist dieses Experiment gelungen?

Es ist gelungen. Die Ausweitung ist aber schwierig, weil es auf islamischer Seite keine wirklichen institutionellen Ansprechpartner gibt. Es gibt keine öffentlich-rechtlich verfaßte islamische Glaubengemeinschaft, die man mit den Kirchen vergleichen könnte und die -wenn es sie gäbe – auch in unseren Gremien vertreten sein könnten. Das steckt alles erst in den Anfängen und wird sich hoffentlich noch entwickeln.
Es ist bekannt: die Medien haben Einfluss auf die Politik. Welchen Einfluss haben die Medien auf die Religion? Hat die Religion auch Einfluss auf die Medien?
“Der Einfluss der Religion, auch der Einfluss der religiösen Institutionen ist sicherlich zurückgegangen, weil die agnostische Säkularisierungswelle auch den Journalismus stark erfasst hat. Umgekehrt haben die Medien schon sehr großen Einfluss auf religiöse Einstellungen, nicht so sehr auf konkrete, geglaubte Lehrsätze, aber auf das religiöse Empfinden. Und sie haben auch Einfluss der Kritikfähigkeit. Eine der großen Leistungen des SWR war wirklich eine Sendung über Scienthologie, die auch riskant war, weil diese Sekte alles versucht hat, unsere Ausstrahlung zu verhindern. Also wir haben schon Einfluss und damit natürlich eine große Verantwortung”.
Sie sind Protestant. Was gefällt Ihnen an der katholischen Kirche, was nicht?

”Also ich habe grundsätzlich –insofern bin ich befangen, weil ich noch nicht einmal weiß, ob ich ein Gläubiger bin oder nicht, vielleicht bin ich es auch ohne es zu wissen – habe ich ein Grundvertrauen in eine höhere Instanz, ohne mir dessen immer bewusst zu sein. Ich habe mit konkreten Lehrsätzen beider Kirchen meine Probleme und bewundere an der katholischen Kirche etwas, was zugleich die Schattenseite ist: ihre große Geschlossenheit. Das ist gleichzeitig auch ein Problem bei bestimmten Themen, die in aller Munde sind – ob es der Ausschluss der Frauen vom Priesteramt ist, der natürlich dogmatisch begründet ist, oder eben auch eine kirchenrechtliche Frage wie die zölibatäre Existenz der Priester. Ich glaube, darin liegt zwar nicht das Kernproblem, aber liegen zumindest in Mitteleuropa große Akzeptanzprobleme. Nur der Kern des Glaubens – Liebe, Glaube, Hoffnung – der ist für mich unantastbar. Und da stelle ich mir die Frage immer: welche Institution ist am ehesten geeignet, die Lehre zu bewahren und weiterzugeben und die Menschen immer damit zu konfrontieren. Und das ist sicher heute – weltweit gesehen- die katholische Kirche”.
Sie haben viele hervorragende Kirchenmänner interviewt. Hans Küng, Wolfgang Huber, Erzbischof Foley. Mit Sicherheit würden Sie auch gerne ein Interview mit Papst Benedikt führen. Welche Frage würden Sie ihm auf jeden Fall stellen?
“Ich wollte dem Papst sicher nach dem Kern seines Glaubens fragen und ihm in Grunde die Fragen stellen, die Sie mir gerade gestellt haben. Darauf würde ich sicher versuchen, ganz stark einzugehen: bleibt es bei der Volkskirche? Und damit der öffentlich-rechtlichen verfassten Kirche? Oder kehren wir zurück zu einer Form die an die Urkirche erinnert? Nämlich eine Minderheit die völlig aus eigener Kraft und ohne Verbindung zur Gesellschaft und Politik sozusagen – ich hätte fast gesagt, wie im heutige China, nur ohne Verfolgung – als wenig beachtete Minderheit von „Sonderlingen“ existiert. Vielleicht ist das die Zukunft der Kirche. Aber ich würde es mir nicht wünschen, weil ich mir eine möglichst großen Einfluss der Institution Kirche im positiven Sinne auf die Gesellschaft wünsche”.

 
Sie haben viele hervorragende Kirchenmänner interviewt. Hans Küng, Wolfgang Huber, Erzbischof Foley. Mit Sicherheit würden Sie auch gerne ein Interview mit Papst Benedikt führen. Welche Frage würden Sie ihm auf jeden Fall stellen?


”Hoffentlich nicht nur Unternehmens- und Organisationskommunikation sondern hoffentlich lernen sie von uns auch, dass Transparenz , die beste Unternehmenspolitik ist. Man sieht am Beispiel von BP nach dem Unglück im Golf von Mexiko oder auch bei der deutschen Bahn wenn es mal mehr schneite als sonst, dass Unternehmen aber auch Parteien und Institutionen gravierende Fehler machen bei der Vermittlung ihrer legitimen Interessen und Ziele, weil sie oft die Antwort verweigern oder nicht ganz offen sind. Und das wäre aber genau richtig, weil es auf lange Sicht die einzige vertrauensbildende Politik ist. Und das versuchen wir unter anderem den Studierenden zu vermitteln”.
 
Auf Ihrem Lehrplan stehen also auch Ethikfragen; welche der christlichen Grundwerte halten Sie für die entscheidenden?

”Ich denke das Gebot der Nächstenliebe, das ja nach meiner Auffassung nicht sekular, sondern nur religiös begründet werden kann. Sie ist der zentrale Wert, der natürlich nicht 1:1 umsetzbar ist. Da bräuchte man ja keinen Staat und keine Politik mehr. Keine Gesetze und keinen Sozialstaat wenn wir alle im Sinne der christlichen Ethik sozial wären. Es ist alles zurückzuführen auf das Gebot der Nächstenliebe und natürlich auch auf dem Wert der Menschenwürde. Denn das Christentum hat eigentlich die Würde der Einzelperson durchgesetzt. Un das halte ich für zentral”.
Sie lieben Lyrik. Sie selbst haben Gedichte geschrieben. Gibt es eines, das Sie abschließend rezitieren möchten? 
Es gibt ein Gedicht, das heißt Kunst:

Es liegt was in der Luft,
ich trau mich nicht danach zu greifen.
Sie nimmt es sich heraus,
taucht es ins kalte Bad
und zieht es an.
Ein Kleid, das manchen freut.
Ich aber sag mir:
Nein, das ist doch keine Kunst,
das hätteich auch gekonnt.
Mag sein, sagt sie –doch du
kannst es nicht tragen.

Aldo Parmeggiani 







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