D: „Feindbild der Terroristen ist gröber geworden“
Eine neue Qualität bei der Gewalt gegen Christen beobachtet der Religionswissenschaftler
Thomas Schirrmacher aus Bonn. Das Feindbild der Terroristen sei gröber und undifferenzierter
geworden, sagte er in einem Interview mit der Tageszeitung „Die Welt“. „Alle Christen
werden nun in einen Sack gesteckt: Einheimische, Ausländische, Orthodoxe, Katholische,
Evangelikale.“ In der islamischen Welt seien im vergangenen Jahr verstärkt auch alteingesessene
Christengemeinschaften zum Ziel von Terror und Selbstmordattentaten geworden. „Mal
wurden in Pakistan über 20 Christen getötet, mal im Irak 50, nun im ägyptischen Alexandria
23 Gottesdienstbesucher.“ Seien in Pakistan früher „vielleicht drei Gläubige pro Jahr
gelyncht worden“, so seien bei den jüngsten Anschlägen mit einem Mal so viele Menschen
gestorben wie sonst in fünf bis zehn Jahren, erklärte Schirrmacher. Einen Grund für
die zunehmende Gewalt sieht der Religionswissenschaftler darin, dass orientalische
Christen – ob Aramäer, Armenier oder Kopten – 2010 laut gegen ihre Diskriminierung
in den islamischen Mehrheitsgesellschaften protestiert hätten. „Terror und Drohungen
in Europa wie im Orient sind auch eine Reaktion der Islamisten auf diesen wachsenden
Mut“, so Schirrmacher. Der „historische Deal“ zwischen muslimischer Mehrheit und christlicher
Minderheit werde zunehmend aufgekündigt – auch im Irak oder der Türkei. „Er bestand
darin, dass die orientalischen Christen nicht laut und schon gar nicht gegenüber dem
Ausland über ihre rechtliche Benachteiligung klagten. Im Gegenzug ließ man sie als
Bürger zweiter Klasse in Ruhe.“ Thomas Schirrmacher ist Sprecher für Menschenrechte
der Weltweiten Evangelischen Allianz, die weltweit etwa 420 Millionen evangelische
Christen vertritt, und Direktor von deren 2006 gegründetem Internationalen Institut
für Religionsfreiheit (Bonn, Kapstadt, Colombo). (idea 09.01.2011 sk)