2011-01-04 16:32:24

Afghanistan: „Gegen religiöse Verfolgung hilft nur öffentlicher Druck“


RealAudioMP3 Der Übertritt zum Christentum – in Afghanistan reicht dieser Schritt, um eingesperrt oder sogar hingerichtet zu werden. Dieses Schicksal hat an diesem Dienstag möglicherweise den 25-jährigen Konvertiten Shoib Assadullah ereilt: Er wurde für den Abfall vom Islam bereits im Oktober letzten Jahres zum Tode verurteilt. Bis zu diesem Montag sollte der junge Mann dem Christentum abschwören, was er ablehnte. Das Urteil sollte an diesem Dienstagmorgen verkündet und vollstreckt werden, und zwar innerhalb des deutschen Mandatsgebietes, in Mazar-e-Sharif. Informationen, ob der Mann derzeit noch am Leben ist, liegen bisher nicht vor. Den Fall bekannt gemacht hat die Internationalen Gesellschaft für Menschenrechte in Frankfurt, sie hatte mit dem Inhaftierten in den letzten Tagen noch über Handy telefoniert. Heute brach dann der Kontakt ab. Max Klingberg von der IGFM schätzt die Zahl der Konvertiten in Afghanistan auf 500 bis 8.000, genaue Zahlen seien schwer zu ermitteln, denn die Konvertiten hielten ihren Glauben selbst vor der Familie geheim, sagt uns der Menschenrechtler:

„Konvertiten sind in jedem Fall aufs Höchste gefährdet. Die Mehrheit von ihnen muss das sogar vor ihren Familien verbergen. Viele dieser Konvertiten werden von Angehörigen umgebracht oder von Extremisten. Der Fall jetzt, dass ein Konvertit von den Behörden zur Rechenschaft gezogen wird, ist eher selten, obwohl es das in der Vergangenheit schon mehrfach gegeben hat. Diese Konvertiten sind dann entweder verschwunden, niemand weiß, was mit ihnen passiert ist, oder ganz selten konnte man den Kontakt halten wie in diesem Fall.“

Der 25-jährige Afghane Assadullah wurde vergangenen Oktober in Mazar-e-Sharif verhaftet, weil er einem Landsmann ein Neues Testament in der Landessprache Darri gegeben hatte. Auch ein anderer Konvertit sitze derzeit im Gefängnis, berichtet Menschenrechtler Klingberg. Überhaupt könne das christliche Leben in Afghanistan nur im Verborgenen stattfinden. Um Menschen Christen und Konvertiten zu helfen, müsse der Westen Druck auf die afghanischen Behörden ausüben – das sei der einzige Weg:

„In der Vergangenheit hat sich gezeigt, wenn es keinen öffentlichen Druck gibt, kein Interesse der Geberländer, dann verschwinden diese Leute, sie werden im Stillen hingerichtet oder auch ganz öffentlich, weil offensichtlich dann keinerlei Konsequenzen folgen. Die Regierungen dieser Länder haben kein Interesse daran, öffentlich an den Pranger gestellt zu werden. In Ländern zum Beispiel wie Ägypten ist das auch mit erheblichen wirtschaftlichen Verlusten verbunden, weil Ägypten ein wichtiges Urlaubsland ist. Wir wünschen uns also in jedem Fall eine aktives, öffentliches Hingehen auf die afghanischen Behörden, um sie daran zu erinnern, dass sie völkerrechtlich verbindliche Verträge ratifiziert haben.“

Die IGFM hatte den deutschen Außenminister Guido Westerwelle aufgefordert, Afghanistan auf die völkerrechtlichen Verpflichtungen des Landes hinzuweisen. Wie Deutschland und andere europäische Länder habe schließlich auch Afghanistan den so genannten „Zivilpakt“ freiwillig ratifiziert, so Klingberg. Der Zivilpakt gilt als der wichtigste völkerrechtliche Menschenrechtsvertrag. Darin festgeschrieben sind die Religionsfreiheit eines jeden Menschen sowie sein Recht, sich einem Glauben zuzuwenden und ihn öffentlich zu bekunden. Verstöße müssten geahndet werden, erinnert der IGFM-Sprecher eindringlich. Seiner Beobachtung nach hat sich die Situation der Religionsfreiheit weltweit verschlechtert, es gebe in vielen islamischen Ländern eine stärkere Hinwendung zum Fundamentalismus.

„Die Gesellschaften haben sich geändert. Es ist nicht nur ein Problem der Rechtsfreiheit, es ist ein gesellschaftliches Problem: Gerade in den Ländern, wo es Anschläge gegeben hat, derzeit ist es ja besonders dramatisch in Ägypten, gibt es eine stark zunehmende Islamisierung, und zwar eine Islamisierung hin zu einem sehr konservativen, fundamentalistischen Islam. Und der ist der Nährboden für extremistische Gewalt, das nimmt sehr stark zu. Was wir da jetzt sehen ist nach Einschätzung der IGFM ein Symptom der Islamisierung vieler islamischer Gesellschaften.“

(pm/rv 04.01.2011 pr)








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