In Alexandria hat
sich die Zahl der Todesopfer nach dem Massaker vor einer koptischen Kirche auf 22
erhöht. Einer der mehreren Dutzend Verletzten starb am Sonntag, wie die Nachrichtenagentur
ansa mitteilt. Die Polizei hat sieben Menschen inhaftiert, die verdächtigt werden,
für den blutigen Anschlag in der Silvesternacht verantwortlich zu sein. Die Ermittlungen
konzentrieren sich derzeit auf eine ägyptische Gruppe, die sich nach dem Vorbild des
Terror-Netzwerks al-Quaida organisiert hat. Seit Jahren hatte es in Ägypten keinen
islamistischen Anschlag mehr gegeben. Der Zorn vieler Kopten entlud sich derweil in
Straßenschlachten und Demonstrationen. International wächst die Sorge um die Sicherheit
von Christen in mehrheitlich islamischen Ländern, etwa in Ägyptens Nachbarland Sudan.
„Wir
hatten mit dergleichen gerechnet, weil es immer wieder Drohungen gegen die Christen
in Ägypten gab“, sagt der Bischof von Assiut in Ägypten, Kyrillos William. „Vor allem
während der Festtage stand ein Schlag dieser Art zu erwarten. Natürlich hat das bei
unseren koptischen Brüdern zu einer heftigen Reaktion geführt: Sie wollen jetzt nicht
mehr in voller Form ihr Weihnachtsfest feiern“ – das orthodoxe und koptische Christen
erst in ein paar Tagen begehen – „und sie wollen auch keine Vertreter der Behörden
empfangen.“
„Ich will im Namen aller Christen und aller Katholiken der koptischen
Gemeinschaft Solidarität ausdrücken“, sagt im Gespräch mit uns Erzbischof Michael
Fitzgerald; der frühere Dialog-Verantwortliche des Vatikans und ausgewiesene Islam-Kenner
ist heute Nuntius des Papstes in Kairo. „Wir haben unser Weihnachtsfest am 25. Dezember
ohne Schwierigkeiten feiern können, aber die Orthodoxen bereiten sich jetzt natürlich
mit großer Sorge auf ihr Weihnachten am 7. Januar vor. Wir sollten Vertrauen in die
Sicherheit im Land haben, auch wenn es natürlich sehr schwer ist, solche Attentate
zu verhindern.“
Imam von al-Azhar kritisiert Vatikan
Christliche und
auch islamische Demonstranten wollen während der orthodoxen Weihnachtsfeiern koptische
Kirchen in Ägypten mit „menschlichen Schutzschilden“ umgeben. Wie Nuntius Fitzgerald
hatten auch Vatikansprecher Federico Lombardi und Papst Benedikt das Attentat von
Alexandria heftig verurteilt; der Papst hatte nur wenige Stunden nach der Bluttat
von Rom aus die internationale Gemeinschaft eindringlich zum Schutz verfolgter Gläubiger,
vor allem verfolgter Christen, aufgerufen. Das verärgerte allerdings den Imam der
Kairoer Universität al-Azhar, Ahmed al-Tayyeb, der sich die „nicht hinnehmbare Einmischung“
verbat. Wörtlich meinte der Vertreter der wichtigsten Universität im sunnitischen
Islam: „Ich bin nicht einverstanden mit dem Standpunkt des Papstes, und ich frage:
Warum hat denn der Papst nicht auch zum Schutz von Moslems aufgerufen, als diese im
Irak umgebracht wurden?“ al-Tayyeb hat dem koptischen Oberhaupt, Papst Shenuda III.,
am Sonntag einen Solidaritätsbesuch abgestattet. Demonstranten versuchten vergeblich,
den Wagen des Islamführers zu blockieren. Auch Nuntius Fitzgerald hat, wie am Montag
bekannt wurde, dem koptischen Oberhaupt inzwischen kondoliert.
Vatikansprecher
Lombardi – er leitet den Vatikanischen Pressesaal und Radio Vatikan – hat dem Imam
widersprochen. Benedikt XVI. habe doch deutlich seine Sorge „über die Folgen der Gewalt
für die ganze Bevölkerung geäußert“, das gelte für Christen wie Moslems. Die Solidarität
für die attackierten koptischen Christen dürfe auf keinen Fall Anlass zum Schüren
eines interreligiösen Konflikts werden.
Klar ist aber, dass die ägyptische
Führung jetzt stärkere Spannungen zwischen Kopten und Moslems im Land befürchtet.
Die Kopten stellen etwa zehn Prozent der Bevölkerung, sie sind damit die stärkste
Ortskirche in einem Land des Nahen Ostens. Immer wieder klagen sie über Diskriminierungen
durch die islamische Mehrheit.