Mit einem feierlichen
„Te Deum“ im Petersdom wird Papst Benedikt an diesem Freitag Abend einen Schlußpunkt
hinter das Jahr 2010 setzen. Die traditionelle Feier ab 18 Uhr ist gleichzeitig die
Vesper zum Gottesmutter-Fest, das die Kirche am 1. Januar begeht. Nicht genug damit:
Der 1. Januar ist außerdem kirchlicher Weltfriedenstag, und dazu zelebriert der Heilige
Vater ab 9.50 Uhr eine Messe in St. Peter. Wir übertragen sie live mit deutschem Kommentar
auf KW 7.225 kHz sowie im Sendebereich Rom auf MW 1.611 kHz. Letzter öffentlicher
Auftritt Benedikts im zu Ende gehenden Jahr ist an diesem Freitag Abend sein Besuch
bei der Krippe auf dem Petersplatz.
2010 – das war für den Papst ein intensives
Jahr mit einigem Gegenwind und Turbulenzen. Vor allem wegen der Missbrauchsskandale
im kirchlichen Raum, die im Frühjahr aufbrachen, in Irland etwa und auch in Deutschland.
Benedikt nennt Missbrauch Ende März in einem Brief an die irischen Katholiken „ein
abscheuliches Verbrechen“ und „eine schwere Sünde“.
„Es stand zu erwarten,
dass dem Feind der neue Glanz des Priestertums im Jahr der Priester nicht gefallen
würde”, meint der Papst Ende Juni beim feierlichen Abschluss des Priesterjahres auf
dem Petersplatz. „Er hätte es lieber untergehen sehen, damit letzten Endes auch Gott
aus der Welt verschwinden würde. Und so kamen gerade in diesem Jahr der Freude über
das Sakrament des Priestertums die Sünden der Priester ans Licht, vor allem der Missbrauch
der Kleinsten, durch den das Priesteramt als Dienst Gottes am Menschen in sein Gegenteil
verkehrt wird. Wir bitten Gott und alle Betroffenen inständig um Vergebung, und wir
versprechen, alles zu tun, was in unserer Kraft steht, damit ein solcher Missbrauch
sich niemals wiederholen kann!“
Auf seinen Reisen nach Malta und London
trifft sich Benedikt mit Missbrauchsopfern – und er verschärft die kirchlichen Normen
in diesem Bereich. Im Zeichen der Aufklärung und Reinigung steht auch die Apostolische
Visitation der „Legionäre Christi“ und die klare Verurteilung des „skrupellosen“ Doppellebens,
das der Gründer dieser Gemeinschaft führte; Anti-Geldwäsche-Normen für die sogenannte
Vatikanbank; und eine Untersuchungskommission zu den angeblichen Marienerscheinungen
von Medjugorje.
2010 ist aber auch das Jahr, in dem das Bewußtsein einer Christenverfolgung
in vielen Teilen der Welt wächst. Für das Überleben der Christen in Nahost sucht eine
Bischofs-Sondersynode im Vatikan nach einer Strategie, und dem Thema Religionsfreiheit
gilt die Neujahrsbotschaft von Papst Benedikt. „Ich bete für die Opfer dieser
absurden Gewalt“, sagt er mit Blick auf das Massaker in einer Bagdader Kathedrale,
dem Ende Oktober fast sechzig Katholiken barbarisch zum Opfer fallen. „Da wurden unschuldige
Personen im Haus Gottes getötet, das doch ein Haus der Liebe und Versöhnung sein will.
Ich bin allen verfolgten Christen nahe und ermutige Hirten und Gläubige, trotz allem
stark in der Hoffnung zu sein.“
2010 ist aus Vatikansicht das Jahr, in
dem die Bemühungen, mit dem chinesischen Regime zu einem Auskommen zu finden, schwere
Rückschläge erleiden. Die Gefahr, dass sich in China ein Schisma verfestigt, ist wieder
größer geworden. Mit Blick auf die Säkularisierung im Westen richtet der Papst einen
Päpstlichen Rat für die Neuevangelisierung ein. Und er spricht in Großbritannien John
Henry Newman selig, um ein Signal für das Miteinander von Glaube und Vernunft zu geben.
Denkwürdig ist die Rede Benedikts in einem historischen Saal des britischen Parlamentsviertels:
„Dort habe ich betont, dass Religion für Gesetzgeber nicht ein Problem
darstellt, das es zu lösen gelte, sondern einen Faktor, der vital zum geschichtlichen
Weg und zur öffentlichen Debatte der Nation beiträgt – vor allem, indem er auf das
ethische Fundament verweist, auf dem in verschiedenen Teilen des sozialen Lebens Entscheidungen
zu treffen sind.“
Außer nach Großbritannien reist Benedikt 2010 noch nach
Malta, Portugal, Spanien und Zypern. Dort auf der geteilten Insel ist er sogar als
erster Pontifex zu Besuch. Innerhalb Italiens bleibt von 2010 wohl vor allem sein
Gebet vor dem berühmten Turiner Grabtuch im Gedächtnis. Für Deutsche interessant ist
die Visite des deutschen Papstes bei der evangelischen Gemeinde von Rom. Und der Heilige
Vater sucht auch die römische Synagoge am Tiberufer auf:
„Die Kirche beklagt
die Sünden und Unterlassungen ihrer Anhänger und bittet um alles um Verzeihung, was
in irgendeiner Weise dem Antisemitismus und dem Antijudaismus Vorschub geleistet hat.
Mögen diese Wunden für immer geheilt werden!“ Die großen Dokumente des Jahres
sind ein Synoden-Abschlußpapier zur Bibel namens „Verbum Domini“ und das Gesprächsbuch
„Licht der Welt“. Die Bilanz des Jahres 2010 ist für den Papst trotz allem positiv:
„Wir
haben gesehen, dass die Kirche heutzutage zwar viel erleidet, aber dass sie doch eine
freudige Kirche ist, keine altgewordene. Wir haben gesehen, dass die Kirche jung ist
und dass der Glaube Freude weckt!“
Und noch ein paar Zahlen: Im Jahr 2010
hat der Papst Bischöfe aus etwa fünfzehn Ländern zum ad-limina-Besuch empfangen. In
seinem dritten Konsistorium hat er 24 neue Kardinäle „geschaffen“. Die neuen Heiligen
sind sechs an der Zahl, darunter die erste heilige Australierin. (rv 31.12.2010
sk)