Es ist eine Premiere
für den deutschen Papst: Benedikt XVI. hat für diesen Sonntag Arme und Obdachlose
zu sich in den Vatikan eingeladen und mit ihnen zu Mittag gegessen. 500 Menschen kamen
im festlich geschmückten Vorsaal der vatikanischen Audienzhalle zusammen, um mit dem
Papst und einigen seiner Mitarbeiter ein festliches Weihnachtsmahl einzunehmen. Die
Hälfte der Gäste waren Betreuungspersonen, die alle den verschiedenen Zweigen der
Kongregation von Mutter Teresa angehören: Missionarinnen der Nächstenliebe, aber auch
kontemplative Ordensfrauen und Brüder sowie einige Priester und Seminaristen. Grund
für die Einladung war der 100. Geburtstag der Ordensgründerin Mutter Teresa, der im
August dieses Jahres feierlich begangen wurde.
Weihnachtslieder wurden gesungen,
und Applaus brandete auf, als der Papst zu der versammelten Gästeschar hereinkam.
Als Tischgebet sprach Benedikt das Vaterunser auf Italienisch. In seiner Ansprache
bezeichnete er die Nächstenliebe als „die Kraft, die die Welt verändert“. Gerade Mutter
Teresa sei ein „leuchtendes Zeichen der Vaterschaft und der Güte Gottes“, sagte der
Papst. „Wer sich fragt, warum Mutter Teresa so berühmt wurde, die Antwort ist einfach:
Weil sie demütig und versteckt liebte, aus Liebe zu Gott. Sie selbst sagte, ihre größte
Auszeichnung sei es, Gott zu lieben und ihm in den Armen zu dienen. Ihre kleine Gestalt
mit den Händen, die zum Gebet gefaltet sind oder einen Kranken streicheln, einen Leprapatienten
oder einen Sterbenden oder ein Kind, ist das sichtbare Zeichen einer von Gott verwandelten
Existenz.“ Die Selige habe vielen Menschen in verzweifelter Lebenslage die Gewissheit
gegeben, „dass Gott niemals und niemanden aufgibt.“
Den Schwestern dankte
er ausdrücklich für ihre demütige und selbstlose Anwesenheit fernab von den Augen
der Öffentlichkeit. „Dem Menschen, der oft auf der Suche nach einem oberflächlichen
Glück ist, sagt euer Lebenszeugnis, wo sich die echte Freude finden lässt: Im Teilen,
im Schenken, im Lieben mit derselben Großzügigkeit wie Gott, der die Logik des menschlichen
Egoismus bricht.“
Auch die Generaloberin der Kongregation, die Deutsche
Mary Prema, war zum Essen mit den Bedürftigen und dem Papst nach Rom gekommen. „Mit
unseren Gästen und mit Ihnen hier im Herzen der Kirche zu sein, erfüllt uns das Herz
mit großer Freude“, sagte die Oberin in einer kurzen Ansprache. Sie bat den Papst
um einen besonderen Segen, damit die Missionarinnen der Nächstenliebe nach dem Vorbild
Mutter Teresas „auch heute Licht für alle werden, die noch in der Finsternis leben“.
Die Bedürftigen, die mit dem Papst zu Mittag aßen, kamen aus verschiedenen
Teilen der Welt. Bei ihm am Tisch saßen unter anderem eine werdende Mutter aus Indien,
ein Mann im Rollstuhl aus Haiti, ein Moslem aus Äthiopien. Das Menü war typisch italienisch,
gekocht hatten es Mutter-Teresa-Schwestern in Ausbildung. Als Vorspeise gab es Lasagne
alla bolognese, gefolgt von Kalbsragout mit Ofenkartoffeln, zum Nachtisch den italienischen
Weihnachtskuchen Pandoro mit Schokoladensoße.
„Liebe Freunde, ihr wisst,
dass euch der Papst gern hat!“, gab Benedikt seinen Gästen mit. „Er trägt euch im
Herzen, umfängt euch alle in einer väterlichen Umarmung und betet für euch!“
Die
Missionarinnen der Nächstenliebe haben in Rom ungefähr zehn Niederlassungen wie Schlafsäle,
Kleiderkammern und Mensen. Außerdem gehen die Schwestern in ihrem charakteristischen
weißblauen Ordensgewand hinaus in Krankenhäuser oder Gefängnisse und besuchen arme
Familien, Alleinstehende und Suchtkranke. Für Eltern, die den Weg einer internationalen
Adoption einschlagen möchten, bieten sie im Geist Mutter Teresas spirituelle Vorbereitungskurse
an.
An diesem Sonntag – dem ersten nach Weihnachten - feiert die Kirche das
Fest der Heiligen Familie. Die Armen sind seine Familie, bringt Benedikt XVI. mit
dieser Geste, seinem Mittagessen Seite an Seite mit den Bedürftigen unserer Tage,
zum Ausdruck. Normalerweise besucht der Papst zur Weihnachtszeit Obdachlose in Rom
wie beispielsweise letztes Jahr jene, die in der katholischen Basisgemeinde Sant´Egidio
Betreuung finden. Viel seltener kommt es vor, dass der Papst selbst Gastgeber für
solche Menschen ist. Das letzte Mal lud Papst Johannes Paul II. im Jubiläumsjahr 2000
arme Menschen zum Essen in den Vatikan ein. (rv 26.12.2010 gs)