2010-12-22 14:20:27

Vatikan: Der Papst, die Fotografin und die Spuren der Macht


RealAudioMP3 Herlinde Koelbl ist eine Fotografin der Macht. Diesen Eindruck kann man jedenfalls gewinnen, wenn man ihre bekanntesten Arbeiten sieht: Spuren der Macht. Über Jahre, in einigen Fällen sogar über Jahrzehnte, hat sie Politiker immer wieder fotografiert und so sichtbar gemacht, welche Spuren das Amt in die Gesichter zeichnete: Gerhard Schröder, Angela Merkel, Joschka Fischer. Zu anderen Werken Koelbls zählen auch Bilder Joseph Ratzingers. In den vergangenen Tagen war sie in Rom für ein neues Projekt, über das sie allerdings nichts verrät. Wir konnten sie aber fragen, ob im Vergleich zu ihren älteren Bildern Ratzingers der Papst heute auch Spuren der Macht zeigt.
„Natürlich ist er älter geworden. Als ich ihn erlebt habe, war er noch Kardinal. Es ist alles etwas weich geworden, während er vorher eine gewisse Straffheit hatte und Energie im Körper. Vielleicht muss man als Papst milder werden, aber vielleicht ist das auch ein Tribut an das Alter – oder an das Amt, dass diese Energie weggegangen ist.“ 
Sie haben sehr häufig Amtsträger fotografiert. Kann man einer Person ihr Amt ansehen?

„Ich denke ja. Das Verständnis für das Amt ist in der Person zu sehen. Ich habe das auch bei dem Projekt „Spuren der Macht“ gesehen. Als zum Beispiel Joschka Fischer Außenminister oder Gerhard Schröder Kanzler wurde, hat sich die Körpersprache wirklich verändert. Sie ist anders geworden. Sie sind – stolz ist nicht das richtige Wort, aber – aufrechter gegangen, sie haben sich mehr präsentiert als vorher. Und ich glaube, die Haltung verändert sich deshalb, weil wenn man das Amt antritt, sich auch die Erwartung der Menschen an diesen Menschen, der jetzt das Amt hat, verändert. Das heißt, es ist ein Wechselspiel zwischen dem, dass man etwas verkörpert und dem, was die Menschen von einem erwarten.“
 
Sehen Sie dieses Amt auch in Joseph Ratzinger – Papst Benedikt?

„Ich habe das Gefühl, dass er ein bisschen gebeugter geht; dass diese Energie, diese Straffheit des Körpers – Straffheit im übertragenen Sinne – die er ausgestrahlt hat, eben nicht mehr da ist. Und er ist sich sicherlich dessen bewusst, was er auch für eine Bürde hat. Vielleicht macht ihn das auch vorsichtiger.“
 
Durch die Medien gegangen ist das Papstportrait von Michael Triegel. Wenn Sie die Möglichkeit hätten: der Vatikan ruft an: „Wir suchen einen Fotografen für ein Portrait oder eine Portraitserie des Papstes“. Wie würden Sie das angehen? Ganz hypothetisch, Sie dürfen träumen: was wäre das Ideale?

„(lacht) Ich würde mich einfach noch einmal mehr mit ihm beschäftigen. Ad hoc kann ich jetzt nicht sagen: ich würde es so oder so machen. Denn wenn das wirklich zu mir käme, würde ich mich mit ihm beschäftigen und mir dann überlegen, in welchem Zusammenhang ich ihn sehen würde. Denn das Umfeld - ob ich ihn in eine liebliche Umgebung stelle, in einen Rosengarten oder ob ich ihn in ein ganz nüchternes Zimmer stelle – die beiden Dinge verändern auch das Image. Dann verschmilzt nämlich auch etwas mit der Person. Deshalb wäre es für mich sehr wichtig, in welchem Umfeld ich ihn fotografieren würde.“
 
Wenn man sich mit Ihnen beschäftigt, dann findet man Kommentare über Ihre Fotografie: ‚Frau Koelbl schlüsselt den Menschen auf, nähert sich der Person, fängt die Seele ein’ und Ähnliches. Sie nähern sich den Personen an und beschäftigen sich mit den Menschen, bevor Sie die Kamera zücken. Können Sie etwas mit der Kamera einfangen, was man vielleicht vorher nicht sehen kann?

„Ich würde gerne mit einem Beispiel antworten. Ich hatte neulich einen Schriftsteller zu fotografieren, der groß ist. Auf allen Bildern strahlt er immer. Also so der tolle optimistische Mann. Und dann habe ich seine Texte gelesen. Sehr viele davon sind das Gegenteil von dem Bild, das als offizielle Bilder von ihm zu sehen ist. Dann habe ich ihn besucht und habe ihm gesagt, er solle jetzt einmal nicht lachen – dieses Kameralächeln. Wir haben dann miteinander gearbeitet und es kamen wirklich ganz wunderbare Bilder zustande. Man muss es sehen wollen, und ich will es sehen – tiefer als das öffentliche Bild, was Menschen von sich geben: was ist das vielleicht für ein Mensch, oder wie viele Seiten hat er? Oder welche Gewichte hat er in seinen Seiten. Das ist das, was mich interessiert.
Worauf ich ganz stark achte, ist die Körpersprache. Denn sie ist eine der ehrlichsten Mitteilungen, die wir von Menschen erfahren können. Natürlich sind Politiker trainiert in ihrem Verhalten. Nichtsdestotrotz setzt sich dann doch oft die Körpersprache durch.
Als ich Gerhard Schröder fotografiert hatte, 1998, als er Kanzler wurde, da ist ein Bild entstanden, natürlich im schönen Anzug - er mit der Zigarre in der Hand, die eine Hand in der Hosentasche, die andere am Gesicht mit der Zigarre. Das ist eine Selbstdarstellung, die ich nie so fantastisch hätte inszenieren können wie er sich selbst dargestellt hat. Das heißt also, wenn man Menschen Raum und Zeit gibt, dann kommt dieses eigene auch immer wieder zum Tragen. Das ist, glaube ich, entscheidend.
Aber auch bei den anderen. Als Joschka Fischer Außenminister wurde, hatte er plötzlich eine Haltung, bei der die Schultern weiter hinten waren, er war aufrechter. Es ist einfach eine andere, straffere, aufrechtere Körperhaltung. Das erlebe ich immer wieder auch bei Menschen, die Ämter ausüben oder manchmal auch eine Uniform anhaben, dass sie aufrechter gehen, weil sie etwas verkörpern und somit darstellen. Und genau das ist es: Es sind die Bilder, die bleiben.“
 
(rv 22.12.2010 ord)







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