Die Note der Glaubenskongregation: Der vollständige Text
Der vollständige Text:
Note der Kongregation für die Glaubenslehre - Über die
Banalisierung der Sexualität,
im Hinblick auf einige Textstellen aus „Licht
der Welt“
Aus Anlass der Veröffentlichung des Interview-Buches „Licht
der Welt“ von Papst Benedikt XVI. sind verschiedene abwegige Interpretationen verbreitet
worden, die Verwirrung über die Haltung der katholischen Kirche zu einigen Fragen
der Sexualmoral gestiftet haben. Die Gedanken des Papstes wurden nicht selten für
Absichten und Interessen missbraucht, die mit dem Sinn seiner Worte nichts zu tun
haben. Deren Bedeutung ist aber klar, wenn man die Kapitel vollständig liest, in denen
von der menschlichen Sexualität die Rede ist. Die Intention des Heiligen Vaters ist
eindeutig: Es geht ihm darum, die Größe des göttlichen Plans über die Sexualität wiederzufinden
und dabei die heute verbreitete Banalisierung zu vermeiden.
Einige Interpretationen
haben die Worte des Papstes als Aussagen im Widerspruch zur moralischen Tradition
der Kirche dargestellt. Dies haben manche als positive Wende begrüßt, andere haben
es mit Sorge aufgenommen, als würde es sich um einen Bruch mit der Lehre über die
Empfängnisverhütung und mit der Haltung der Kirche im Kampf gegen AIDS handeln. In
Wirklichkeit ändern die Worte des Papstes, die insbesondere auf das schwer ungeordnete
Verhalten der Prostitution eingehen (vgl. „Licht der Welt“, S. 146-147), weder die
Morallehre noch die pastorale Praxis der Kirche.
Eine aufmerksame Lektüre des
betreffenden Abschnittes zeigt, dass der Heilige Vater hier nicht von der eheliche
Liebe und auch nicht von der sittlichen Norm bezüglich der Empfängnisverhütung spricht.
Diese Norm, die zur Tradition der Kirche gehört, ist von Papst Paul VI. in der Nummer
14 der Enzyklika Humanae vitae in sehr präzisen Worten aufgegriffen worden. Darin
schrieb er, dass „jede Handlung verwerflich , die entweder in Voraussicht oder
während des Vollzugs des ehelichen Aktes oder im Anschluss an ihn beim Ablauf seiner
natürlichen Auswirkungen darauf abstellt, die Fortpflanzung zu verhindern, sei es
als Ziel, sei es als Mittel zum Ziel“. Die Meinung, aus den Worten von Papst Benedikt
XVI. könne man ableiten, dass die Verwendung des Kondoms in einigen Fällen zulässig
sei, um unerwünschte Schwangerschaften zu vermeiden, ist völlig willkürlich und entspricht
weder seinen Worten noch seinem Denken. In diesem Zusammenhang verweist der Papst
vielmehr auf menschliche und ethische Wege der Lebbarkeit, für die sich die Seelsorger
„noch mehr und noch besser“ („Licht der Welt“, S. 175) einsetzen sollen. Dabei geht
es um Wege, bei denen der unlösbare Zusammenhang der beiden Sinngehalte der liebenden
Vereinigung und der Fortpflanzung in jedem ehelichen Akt respektiert wird, auch durch
die Anwendung der Methoden der natürlichen Empfängnisregelung im Blick auf eine verantwortliche
Elternschaft.
In dem betreffenden Abschnitt bezog sich der Heilige Vater auf
den völlig andersartigen Fall der Prostitution, die von der christlichen Moral immer
als schwer sündhaft betrachtet worden ist (vgl. II. Vatikanisches Konzil, Pastoralkonstitution
Gaudium et spes, Nr. 27; Katechismus der Katholischen Kirche, Nr. 2355). Die Weisung
der gesamten christlichen Tradition – und nicht nur dieser – im Bezug auf die Prostitution
lässt sich in den Worten des Heiligen Paulus zusammenfassen: „Hütet euch vor der Unzucht!“
(1 Kor 6,18). Die Prostitution ist also zu bekämpfen und die Hilfswerke der Kirche,
der Zivilgesellschaft und des Staates müssen sich dafür einsetzen, die betroffenen
Personen daraus zu befreien.
In diesem Zusammenhang muss darauf hingewiesen
werden, dass die Lage, die aufgrund der Verbreitung von AIDS in vielen Gebieten der
Welt entstanden ist, das Problem der Prostitution noch dramatischer gemacht hat. Wer
weiß, dass er mit HIV infiziert ist und deshalb die Infektion weitergeben kann, begeht
neben der schweren Sünde gegen das sechste Gebot auch eine Sünde gegen das fünfte
Gebot, weil er bewusst das Leben einer anderen Person ernsthaft gefährdet, mit Folgen
auch für die öffentliche Gesundheit. Dazu stellt der Heilige Vater eindeutig fest,
dass Kondome „nicht als wirkliche und moralische Lösung“ des AIDS-Problems betrachtet
werden können und dass „die bloße Fixierung auf das Kondom eine Banalisierung der
Sexualität“ bedeutet. Denn man will die menschliche Verwahrlosung nicht angehen, die
sich hinter der Verbreitung der Pandemie verbirgt. Es kann allerdings nicht geleugnet
werden, dass derjenige, der ein Kondom verwendet, um das Risiko für das Leben einer
anderen Person zu verringern, den Schaden begrenzen möchte, der mit seinem falschen
Verhalten verbunden ist. In diesem Sinn bemerkt der Heilige Vater, dass die Verwendung
des Kondoms „in der Absicht, Ansteckungsgefahr zu verringern, jedoch ein erster Schritt
sein auf dem Weg hin zu einer anders gelebten, menschlicheren Sexualität“.
Dabei handelt es sich um eine Anmerkung, die mit der anderen Aussage des Heiligen
Vaters in vollem Einklang steht: „Aber es ist nicht die eigentliche Art, dem Übel
der HIV-Infektion beizukommen“.
Einige haben die Worte von Papst Benedikt XVI.
mit Bezugnahme auf die Theorie vom so genannten „kleineren Übel“ interpretiert. Diese
Theorie ist aber für abwegige Auslegungen im Sinn des Proportionalismus anfällig (vgl.
Johannes Paul II., Enzyklika Veritatis splendor, Nr. 75-77). Eine Handlung, die aufgrund
ihres Gegenstands ein Übel ist, und sei es auch ein kleineres Übel, darf nicht angestrebt
werden. Der Heilige Vater hat nicht gesagt, dass Prostitution mit Verwendung eines
Kondoms als kleineres Übel angestrebt werden darf, wie einige behauptet haben. Die
Kirche lehrt, dass Prostitution sündhaft ist und bekämpft werden muss. Betreibt jemand
dennoch Prostitution und ist er darüber hinaus mit HIV infiziert, kann es ein erster
Schritt hin zu einer Achtung vor dem Leben der anderen sein, wenn er sich, auch durch
die Verwendung des Kondoms, dafür einsetzt, die Ansteckungsgefahr zu verringern, wobei
die Prostitution natürlich schwer sündhaft bleibt. Solche Bewertungen stehen im Einklang
mit dem, was die moraltheologische Tradition auch in der Vergangenheit vertreten hat.
Abschließend
ist anzumerken, dass die Mitglieder und die Einrichtungen der katholischen Kirche
im Kampf gegen AIDS wissen müssen, dass es darum geht, den Menschen nahe zu sein,
die Kranken zu pflegen und alle dazu zu erziehen, vor der Ehe enthaltsam zu leben
und in der Ehe die Treue zu halten. Dabei müssen sie auch Verhaltensweisen aufdecken,
die die Sexualität banalisieren. Wie der Heilige Vater sagt, sind gerade diese Verhaltensweisen
die gefährliche Quelle dafür, dass viele Menschen in der Sexualität nicht mehr den
Ausdruck ihrer Liebe finden. „Deshalb ist auch der Kampf gegen die Banalisierung des
Sexualität ein Teil des Ringens darum, dass Sexualität positiv gewertet wird und ihre
positive Wirkung im Ganzen des Menschseins entfalten kann“ („Licht der Welt“, S. 146).