Heiliges Land: Die andere Seite des Friedensprozesses
Der neue Präsident
des Päpstlichen Einheitsrats, Kardinal Kurt Koch, war in diesen Tagen zum Antrittsbesuch
in Israel. Dort besuchte er unter anderem die drei in Jerusalem residierenden Patriarchen
und überbrachte dem Caritas-Baby-Krankenhaus in Bethlehem die Glückwünsche Papst Benedikt
XVI. – in der Einrichtung wurde am Samstag eine neue ambulante Klinik eingeweiht;
über 30.000 Kinder insgesamt werden dort heute jährlich behandelt. Die meisten der
Kleinkinder werden wegen typischer „Armutskrankheiten“ wie Untergewicht und Lungenentzündungen
eingeliefert. Die Menschen im Westjordanland – sie leben in Armut und mit vielen Einschränkungen.
„Wir
sind immer in dieser Situation des Leids gewesen. Die Lebensbedingungen der Palästinenser
sind schrecklich. Es gibt diese Check-Points, und in Ramallah, Hebron, Jenin, Tulkarem,
ja ganz Palästina fehlt es an Freiheit, Gerechtigkeit und Arbeit.“ Aktham Saba
Hijazin war jahrelang Pfarrer in Ramallah in der zentralen Westbank. Die Menschen
hungern dort nach Gerechtigkeit, sagt er unseren italienischen Kollegen – und zwar
für alle: „Die Menschen in Gaza wollen Gerechtigkeit, Freiheit und Würde für alle
Menschen hier, Israelis und Palästinenser.“
Der Zusammenhang zwischen der
israelischen Besatzung und der Armut der Bevölkerung zeigt sich zum Beispiel an den
Zuständen im Dorf At Twani bei Hebron. Laura Ciaghi vom Christian Peacemaker Team:
„Die Menschen hier sind Bauern und Hirten und eng mit der Ernte und den Jahreszeiten
verbunden. Brot wird hier über dem Feuer gebacken und die Leuten bewegen sich auf
Eseln fort. Und das alles passiert im Jahr 2010 – nicht, weil die Leute nicht anders
leben wollten, sondern weil es hier eine militärische Besetzung gibt, die das Leben
dieser Menschen in den Stillstand versetzt oder sie gar zurückgeworfen hat.“
Lokale
Initiativen
Während bei den „Ausgleichsgesprächen“ der US-Vermittler mit
israelischen und palästinensischer Seite „die großen Fäden“ gezogen werden, zeigt
sich in kleinen, lokalen Initiativen, wie Israelis und Palästinenser versuchen, die
Situation im Gazastreifen zu verbessern: „Die israelischen Pazifistengruppen sind
klein und es gibt wenige von ihnen; sie tun, was in ihrer Macht steht“, erzählt
Paola Canarutto von „Rete Eco – Juden gegen die Besatzung“. Die Organisation betreibt
eine Internetplattform und will nach eigenen Angaben den Kontakt zwischen Israelis
und Palästinensern fördern. „Es gibt da zum Beispiel das ‘Alternative Informationszentrum’,
dort sind Israelis und Palästinenser absolut gleichberechtigt. Andere Gruppen wenden
sich gegen den Abriss palästinensischer Häuser und bauen sie wenn möglich wieder auf.
Und es gibt Leute, die in den besetzten Gebieten helfen.“Auch in und unmittlelbar
um Jerusalem sei die Situation schwierig, so der Koordinator von Pax Christi im Heiligen
Land, Don Nandino Capovilla. Die Organisation arbeitet sowohl mit der Israelischen
als auch palästinensischen Zivilgesellschaft zusammen: „Wir müssen zugeben, dass
sich die Situation von Tag zu Tag verschlechtert, auch in Jerusalem. Der Alltag wird
immer schwieriger. Im Kinderheim von Bethanien bei Jerusalem konnte dieses Jahr für
die Kinder die Schule nicht beginnen. Und warum? Weil mitten in der Schule eine Mauer
errichtet wurde!“
Hilfe zum Bleiben-Können
Auf der Nahostsynode
im Vatikan im Oktober baten Bischöfe und Geistliche um Hilfe für die Region: „Vergesst
uns nicht“, so ihr Appell an Papst Benedikt und die Vertreter der Weltkirche. Der
Vatikan sieht vor allem den Exodus der Christen aus dem Heiligen land mit Sorge, sind
sie doch im Friedensprozess eine wichtige Kraft. Die Zukunft des Heiligen Landes liege
in starken Bindungen zwischen israelischer und palästinensischer Seite, so Capovilla:
„Wir setzen Hoffnung in die Zusammenarbeit, in Verbindungen, die beide Seiten stärken.“
Unterdessen
hat Israel Reise-Erleichterungen für palästinensische Christen in den besetzten Gebieten
angekündigt. Die als „Gesten guten Willens“ bezeichneten Maßnahmen gelten laut israelischem
Militär bis zum 20. Januar. Demnach sollen Christen aus Judäa und Samaria ohne Altersbeschränkung
während der Dauer des Weihnachtsfestes die Einreise nach Israel und die Übernachtung
gestattet sein. Auch Reiseerlaubnisse für Judäa, Samaria und einzelne arabische Gebiete
sollen erteilt werden.