Was ist das dem Christentum Eigene, das, was
es von anderen Religionen unterscheidet? Der Schlüsselbegriff ist der der Offenbarung.
Es ist deswegen nicht überraschend, dass eines der wichtigsten Dokumente des Zweiten
Vatikanischen Konzils das über die göttliche Offenbarung ist: „Dei Verbum“, ein Dokument,
dass seine Kontinuität in dem kürzlich veröffentlichten Postsynodalen Schreiben „Verbum
Domini“ gefunden hat. Der christliche Glaube ist keine Religion, die den Anstrengungen
der Menschen auf ihrem Weg der Suche nach Gott entstammt - er ist eine Antwort auf
das Handeln Gottes, der sich dem Menschen offenbaren wollte.
Das Konzil sagt:
„Gott hat in seiner Güte und Weisheit beschlossen, sich selbst zu offenbaren … In
dieser Offenbarung redet der unsichtbare Gott”. So ist die Wahrheit des Glaubens nicht
nur in der Heiligen Schrift und der Tradition enthalten. Tatsächlich gibt es keine
Liste von Lehren, die Anspruch erheben könnte, den ganzen christlichen Glauben zu
umfassen. In der Mitte der Offenbarung steht die Begegnung mit einer Person, mit Jesus
Christus.
Deswegen muss jede Reform der Kirche und in der Kirche mit der lebendigen
Erfahrung der Begegnung mit Jesus beginnen. Viele neue geistliche Bewegungen haben
ihren Auslöser in dieser Wiederentdeckung. Papst Johannes Paul II. hat in seinem Brief
„Novo millennio ineunte“, quasi dem Testament dieses Papstes für das neue Jahrtausend,
bekräftigt: „Nein, keine Formel wird uns retten, sondern eine Person, und die Gewissheit,
die sie uns ins Herz spricht: Ich bin bei euch! Es geht also nicht darum, ein
‚neues Programm’ zu erfinden. Das Programm liegt schon vor. Es findet letztlich in
Christus selbst seine Mitte.“
Das Aggiornamento des Konzils besteht in der
Suche nach der rechten Antwort auf dieses „Ich bin bei euch!“ Aber – wie uns das Konzil
erinnert – diese können wir nicht ohne das Lesen der Schrift erreichen: „Wer die Schrift
nicht kennt, der kennt Christus nicht“.