Der Papst ist ein
enger Verbündeter der Ökumene-Bewegung. Das betont der neue Generalsekretär des Ökumenischen
Rates der Kirchen (ÖRK), Olav Fykse Tveit, im Exklusiv-Interview mit Radio Vatikan.
Olav Fykse Tveit ist am Wochenende erstmals seit seinem Amtsantritt vor knapp einem
Jahr mit Papst Benedikt XVI. im Vatikan zusammengetroffen. Der norwegische Lutheraner
sprach nach der Privataudienz von einem „offenen und freundlichen Gespräch“ mit dem
Papst. Beide Seiten hätten dabei die Notwendigkeit betont, sich gemeinsam für „die
sichtbare Einheit“ der Kirche einzusetzen. Nach dem Treffen im Apostolischen Palast
hat ihn Mario Galgano in unserem Radio-Studio empfangen. (rv) Sie waren an diesem
Samstag beim Papst im Vatikan. Darf ich zuerst einmal fragen, wer alles dabei war.
Waren Sie alleine dort?
„Im Gespräch war ich alleine, ja.“ Und was
haben Sie dem Papst gesagt, wenn wir fragen dürfen?
„Ja, wir haben über
unsere gemeinsame Aufgabe gesprochen. Wir haben ganz viel darüber geredet, wie wichtig
die ökumenische Aufgabe ist, auch wenn wir gemeinsame Herausforderungen hier sehen
und auch, wenn wir Tendenzen sehen, dass das ökumenische Bewusstsein vielleicht nicht
so stark ist wie es war. Ich habe als Vertreter des ökumenischen Rates ganz stark
unterstrichen, dass wir nicht eine westliche protestantische Organisation sind, sondern
eine weltweite ökumenische Gemeinschaft der Kirchen. Und deshalb haben wir auch des
Privileg, die Vielfalt dieser Kirchen zusammen zu bringen und, dass wir in dieser
Kommission sowohl theologisch als auch in der Mission sehr eng mit der katholischen
Kirche zusammenarbeiten. Aber auch, dass wir in vielen Ländern in sehr lokalen Kontexten
überall eine große und wichtige Zusammenarbeit zwischen unseren Kirchen und der römisch-katholischen
Kirche erleben.“ Eine große Herausforderung für die Christen weltweit
ist die Situation zum Beispiel im Nahen Osten, im Heiligen Land, wo Jesus ja auf die
Welt kam und auch gestorben ist. War das auch ein Thema – die Lage der Christen im
Nahen Osten?
„Ja, das haben wir auch ganz stark unterstrichen, wie wichtig
diese Situation im Nahen Osten als eine gemeinsame Verpflichtung und Aufgabe für uns
ist. Wie können wir die Kirchen dort stärken, wie können wir auch zum Dialog ermutigen,
wie können wir auch gemeinsam interreligiös arbeiten, sodass wir ein höheres Niveau
von Zuversicht und einen neuen Willen, Lösungen zu finden, stärken können. Und
was hat der Papst Ihnen vorgeschlagen oder vielleicht mitgegeben?
„Wir haben
darüber gesprochen, dass seine Reise in das Heilige Land im Jahr 2008 und die Synode
in diesem Jahr auch sehr wichtig waren und dass die Botschaft von dieser Synode sehr
wichtig war: es muss einen neuen Weg geben, bei dem die Rechte und die Friedensbewegung,
die von beiden Seiten gebraucht werden, ernst genommen werden. Man muss einen neuen
Willen zeigen, um Lösungen zu finden. Zurück zum Stichwort Ökumene.
Wo steht die Ökumene heute?
„Ich möchte ein Bild benutzen: man sagt, dass
wir jetzt vielleicht einen ökumenischen Winter haben. Und als Norweger frage ich dann
zurück: was ist denn so schrecklich am Winter? Wir wissen, dass Winter auch schön
sein können, aber auch, dass Winter nur eine vier verschiedenen Jahreszeiten ist.
Im Winter haben wir eine Zeit zum Überlegen, zum Nachdenken über das, was wir schon
erlebt haben und was wir auch von der Zukunft erwarten und vorbereiten können. Deshalb
denke ich, dass man sich nicht so stark auf das konzentrieren muss, was nicht so gut
ist wie es war, sondern welche neuen Möglichkeiten, welche neuen Türen wir öffnen
können. Wir sehen zum Beispiel das bei den Pfingstkirchen und den evangelikalen Kirchen
jetzt eine neue Offenheit für ökumenische Arbeit wächst. Wir sehen auch, dass die
jüngere Generation einen natürlicheren Zugang zum ökumenischen Prozess hat. Sie verstehen
gar nicht, warum wir nicht mehr eins sein können, warum wir nicht mehr zusammenarbeiten
können. Daher habe ich auch die Hoffnung. Das gehört auch zum Winter. Man schaut in
Richtung Frühling und Sommer und weiß, dass sie kommen.“ Wie ist
denn der Beitrag der katholischen Kirche, wie ist die Zusammenarbeit des ÖRK mit der
katholischen Kirche?
„Ich finde sie gut, ganz offen, ehrlich und konstruktiv.
Wir haben zum Beispiel in unserem ökumenischen Seminar in Bossey (Schweiz) einen katholischen
Professor, in unserer Missionsabteilung haben wir einen katholischen Professor. Wir
haben auch zwischen diesen Sekretariaten ganz gute Beziehungen und das wollen wir
stärken. Ich denke, dass die katholische Kirche eine Institution ist, in der auch
eine Bewegung ist. Und wir sind mehr eine Bewegung als eine Institution. Aber ich
denke, wir haben gemeinsam die Aufgabe, wirklich etwas Neues zu bringen und auch die
Tradition mitzunehmen. Wir brauchen die Stabilität der römisch-katholischen Kirche,
aber wir brauchen auch diesen starken theologischen und auch starken institutionellen
Beitrag zum Ökumenismus.“ Ihr Besuch hier in Rom beim Papst war
der Antrittsbesuch. Können Sie sich vorstellen, dass Papst Benedikt XVI. auch einmal
in Genf vorbeikommt bzw. haben Sie den Papst auch eingeladen?
Es gibt eine
ständige Einladung, die auch schon meine Vorgänger ausgesprochen haben. Ich habe mit
Kardinal Koch besprochen, dass wir weiter prüfen sollen, ob ein Besuch möglich ist.
Es wäre sehr schön, wenn es möglich würde. Was hätte das für eine
Bedeutung, was wäre es für ein Zeichen, wenn der Papst bei Ihnen in Genf vorbeischaut?
„Wenn
der Papst als Besucher zum Ökumenischen Rat käme, dann wäre das ein sehr starkes Zeichen
für das Beurteilung der Wichtigkeit unserer Arbeit – auch unserer gemeinsamen Arbeit.
Seine Anwesenheit in Genf wäre auch sehr wichtig, weil er damit auch die Bedeutung
dieser UN-Organisation bestätigen würde und diese natürlich auch besuchen würde, um
zu zeigen, dass diese multilaterale Arbeit für Frieden und Gerechtigkeit in der Welt,
für Menschenrechte eine wichtige Sache für den Papst und die römisch-katholische Kirche
ist. Sie haben eingangs gesagt, dass der ÖRK nicht nur die westliche
Kirche bzw. das westliche Christentum vertritt. Es gibt auch die Ostkirchen. Wie ist
bei Ihnen intern zurzeit das Verhältnis zwischen den Kirchen des Westens und des Ostens?
„Es
ist eine große Gabe und eine große Aufgabe des Ökumenischen Rates. Wir haben eine
sehr wichtige Kommission gehabt, die diesen Beitrag und die Beteiligung von der orthodoxen
Kirche im Ökumenischen Kirchenrat untersucht und diskutiert. Wir haben zwei wichtige
Schlussfolgerungen daraus gezogen: Die eine ist, dass wir auf einen Konsens einigen,
wenn wir Entscheidungen treffen, d.h. die Orthodoxen wie auch die anderen müssen gehört
und ernst genommen werden. Das bedeutet auch, dass wir wichtige Fragen nicht nur bei
irgendwelchen Abstimmungen lösen. Zweitens: wir brauchen eine Klärung, wie wir gemeinsam
beten können. Es war schwierig, diese Frage zu bearbeiten, denn einige sagten, dass
die Orthodoxen das anders gestalten wollen als wir es in der ökumenischen Bewegung
gemacht haben. Wir haben jetzt – denke ich – eine größere Klarheit darüber, wie wir
gemeinsam beten können und wir haben auch die Ermutigung: wir sollen gemeinsam beten. Herzlichen
Dank für das Gespräch.