2010-12-03 12:27:44

D: Neue Bemühungen um Aufnahme von Irak-Flüchtlingen


RealAudioMP3 Angesichts des Dramas von Flüchtlingen und Vertriebenen aus dem Irak gibt es in Deutschland neue Überlegungen, ob man nicht mehr von ihnen aufnehmen sollte. Das bestätigt Otmar Oehring, der Menschenrechtsexperte von „missio Aachen“. In einem Interview mit uns meinte er an diesem Donnerstag:
 
„Ganz konkret haben sich gestern in Berlin Politiker getroffen, die über das Thema gesprochen haben; es werden auch Erkundungen in Bagdad eingezogen in den nächsten Tagen. Ich denke, man ist mit vielen Kirchenleuten in Kontakt, spricht mit ihnen und versucht, der Wahrheit auf den Grund zu kommen – was immer schwierig ist, weil die Kirchenleute uns natürlich immer sagen: Wir wollen auf keinen Fall, dass es zu einem Ende der christlichen Präsenz im Irak kommt. Ungeachtet dessen gibt es aber mehr und mehr Stimmen, die uns im persönlichen Gespräch sagen: Es ist natürlich schwierig, den Christen im Irak weiterhin zu sagen, sie sollen dort bleiben.“
 
Das gilt erst recht nach dem Massaker an fast sechzig Christen Ende Oktober in der syrisch-katholischen Kathedrale von Bagdad. Oder aber angesichts der Morde an Christen in Mossul – wie erst Mitte dieser Woche wieder. Den bedrohten irakischen Christen oder den Angehörigen anderer Minderheiten im Irak zu empfehlen, doch einfach in den nördlichen Landesteil zu flüchten, hält Oehring für keine Lösung des Flüchtlingsproblems. Natürlich sei es im kurdischen Landesteil sicherer als etwa in Bagdad oder Mossul:
 
„Das Problem in dieser autonomen kurdischen Region ist, dass es natürlich für die zuwandernden Flüchtlinge zwar Wohnraum gibt, aber keine Arbeit. Die Arbeitsaufnahme ist aus mehreren Gründen erschwert: Das eine ist natürlich das Kurdische als Verkehrssprache. Das ist die Sprache, die man dann natürlich auch können muss, wenn man irgendwo Arbeit finden will.“
 
Und dann gebe es „überhaupt eine gewisse Diskriminierung von Christen durch die staatlichen Behörden“, so Oehring. Die Behörden in Kurdistan sorgten dafür, dass Christen keine Arbeitsplätze bekämen.
 
„Und ein dritter Punkt ist, dass natürlich ein Großteil der Christen in Berufen ausgebildet ist, für die es im Norden, vor allem in der kurdischen autonomen Region, überhaupt keine Verwendung gibt: Der Erdölingenieur, den man vielleicht im Süden irgendwo gebraucht hat, den man vielleicht auch noch auf den Erdölfeldern im Umkreis von Kirkuk – einer momentan doch sehr gefährlichen Gegend – gebrauchen könnte, der kann natürlich in Kurdistan eigentlich nur irgendwelche Radnarben von Eselskarren oder Ochsenkarren schmieren, und das ist dann natürlich nicht seiner Ausbildung entsprechend!“ 
Der Menschenrechtsexperte von „missio“ wirbt also eindringlich dafür, Irak-Flüchtlinge im Westen aufzunehmen. Es geht vor allem um Menschen, die teilweise schon vor vielen Jahren in die Nachbarländer des Iraks geflüchtet sind, nach Syrien etwa, Jordanien oder in die Türkei. Sie sehen keine Rückkehr-Perspektive und dürfen in der Regel in ihren Aufnahmeländern nicht arbeiten, werden dort nur ungern geduldet.
 
„Aus den zehntausend irakischen Flüchtlingen, die auf der Grundlage einer Empfehlung des Ministerrates der EU vom November 2008 aufgenommen werden sollten, sind in Deutschland 2.500 aufgenommen worden. Deutschland hat damit seine zugesagten Hausaufgaben tatsächlich auch erfüllt, und allerorten hört man eigentlich nur, dass dieses Aufnahmeverfahren positiv bewertet wird. Das ist zu hören von den Diplomaten in der Region, vom UNHCR, auch von den Innenbehörden in Deutschland, den Nichtregierungsorganisationen und Kirchen. Jetzt geht es natürlich darum, dass diese Menschen auch tatsächlich integriert werden; bei den Kindern geht das relativ schnell, weil sie schnell die Sprache lernen. Bei den Älteren und Kranken wird das natürlich längere Zeit dauern, bis sie tatsächlich integriert sind.“ 
Oehring kritisiert mit scharfen Worten Österreich, das sich schlichtweg einer Aufnahme von Irak-Flüchtlingen verweigere; überhaupt sei das Kontingent der zehntausend in der EU aufzunehmenden Iraker noch bei weitem nicht ausgeschöpft, es fehlten noch dreitausend oder mehr Personen, um dieses Maß voll zu machen.

(rv 03.12.2010 sk)







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