Es ist auch für Rom
eine Premiere: Zwanzig Jahre nach dem Mauerfall zieht ein Stück Ex-DDR ins Pantheon
ein. In dem antiken Rundtempel im Zentrum Roms, der heute als Kirche dient, ist ab
dem kommenden Sonntag eine Krippe aus dem sächsischen Zwickau zu sehen, die aus mannshohen
Holzfiguren des Künstlers Jo Harbort besteht. Dass eine solche Krippe einmal eine
prominente römische Kirche schmücken könnte, hätten sich die Diaspora-Katholiken aus
dem Erzgebirge zu DDR-Zeiten nicht träumen lassen: Damals waren sie vielerlei Schikanen
ausgesetzt, wurden bei der Vergabe von Studienplätzen und Wohnraum benachteiligt –
und durften z.B. Krippenengel nur für den Export nach Westen herstellen, nicht aber
zum Eigengebrauch. Und jetzt das: eine Zwickauer Krippe für das Zentrum der katholischen
Kirche. „Er ist da – mitten unter uns. Mit Menschen aus dem Osten, aus dem
Westen, aus dem Süden, aus Rom“: Das sagt der italienische Geistliche, der das
Pantheon betreut und gleichzeitig das Deutsche Pilgerzentrum leitet. Don Antonio Tedesco
hat den „Krippen-Deal“ (wie die Chemnitzer „Freie Presse“ ihn nennt) mit eingefädelt. „Es
ist zu einer Tradition geworden, Advent im Pantheon besonders zu feiern; das Pantheon
ist sowieso wie eine riesige Grotte von Betlehem aus Stein, wo alle Hoffnungen, Sorgen
und auch Erwartungen aller Religionen vertreten waren. Dort, wo man steht (an der
tiefsten Stelle von Rom), kann man die Augen nach oben erheben, den Linien der Königin
aller Kuppeln folgen und den Himmel erreichen. Wo kann man noch schöner das Weihnachtsmysterium
betrachten?“ Der umtriebige Süditaliener organisiert schon seit langem die
Ausstellung von Krippen aus aller Welt in „seinem“ Pantheon: „Ich habe Krippen
bekommen aus Afrika, aus Südamerika, aus Österreich, aus Bayern – und letztes Jahr
aus Böhmen. Und da hatte ich die Idee: Ex oriente lux, aus dem Osten kommt das Licht.
Die Weisen aus dem Morgenland. Und dann habe ich realisiert, dass Sachsen im Orient
von Deutschland ist, nicht wahr?“ So kam es, dass sich Don Antonio für 2010
eine Krippe aus Sachsen wünschte. Dafür, dass das möglich wurde, sorgten dann ausgerechnet
ein Protestant sowie ein Nachkomme von Martin Luther. Der Protestant ist der Leiter
des römischen Büros der Konrad-Adenauer-Stiftung, Wilhelm Staudacher; er hatte einem
Zwickauer CDU-Politiker anvertraut, dass der Pantheon-Seelsorger dringend nach einer
Krippe suchte. Das kam wiederum dem sächsischen CDU-Bundestagsabgeordneten Michael
Luther (Nachfahre des Reformators, aber katholisch) zu Ohren, der zügig handelte.
Mit tatkräftiger Hilfe der Adenauer-Stiftung sorgte er dafür, dass eine Krippe des
Künstlers Jo Harbort, die der Stadt Zwickau gehört und normalerweise in der Adventszeit
den dortigen Domhof schmückt, dieses Jahr in Rom zu sehen ist. „Bessere Werbung für
Zwickau kann man nicht machen“, so der Parlamentarier. „Die Weihnachtskrippe
ist riesig“, schwärmt Don Antonio: „Wir werden sie auf einem Areal von 15 x
5 Metern aufstellen. Die Statuen haben Lebensgröße: Ich habe gehört, Joseph wiegt
dreihundert Kilo! Ich finde, das ist ein besonderer Moment für die Geschichte des
Pantheon – und für die Geschichte der Weihnachtskrippen-Tradition sowieso. Es ist
ein besonderer Moment für Sachsen (ex oriente lux!), aber auch für Rom, wo die Weihnachtskrippe
eine ganz besondere Rolle spielt!“ Eine Rolle, die auch Wilhelm Staudacher
von der Adenauer-Stiftung kennt: Die Krippe könne doch Römer und Touristen auf ihre
Weise an den Fall der Berliner Mauer vor zwanzig Jahren erinnern. „Die Sprache
der Krippe verstehen die Leute hier“, meint er; „in der Adventszeit ziehen
die Römer gerne von einer Kirche zur anderen, um sich die Krippen anzusehen.“ Weil
das Pantheon in unmittelbarer Nähe des Weihnachtsmarktes von Piazza Navona liegt,
ist Sachsens größter Krippe das Interesse allemal sicher. „Das Pantheon ist die
Synthese der ganzen Geschichte Roms“, meint wiederum Don Antonio, „der Menschheits-,
der römischen, der Kirchengeschichte. Da kommen die Leute, da strömen die Leute. Und
deswegen passt die Weihnachtskrippe aus Zwickau, Sachsen, sehr gut ins Pantheon in
Rom!“ Das Ensemble aus naturalistischen Eichenfiguren, das - alles zusammen
genommen - ca. zehn Tonnen wiegt, wird am Zweiten Adventssonntag, dem 5. Dezember,
im Pantheon gesegnet. Zu der „Erzgebirgischen Weihnachtsfeier“, wie sie der im 2.
Jahrhundert von Kaiser Hadrian erbaute, kuppelgekrönte Tempel noch nie erlebt hat,
reisen viele Zwickauer eigens an; auch ca. 300 hochrangige Gäste aus Italiens Politik,
Kirchen und Gesellschaft sind eingeladen. Anschließend gibt es einen Empfang im Deutschen
Pilgerzentrum am Tiber - in dem übrigens ebenfalls Holzkunstwerke aus dem Erzgebirge
ausgestellt werden. Don Antonio Tedesco fasst die Botschaft der Zwickauer Krippe so
zusammen: „Der Herr wird zum Menschen, um uns zu provozieren. Damit wir den anderen
entdecken und ihm in die Augen schauen können...“ Vielleicht wird ja am Zweiten
Advent auch Papst Benedikt XVI., der für nächstes Jahr eine Deutschlandreise u.a.
nach Berlin und ins katholische Eichsfeld in Thüringen plant, die Gäste aus Sachsen
begrüßen? Staudacher will noch keine Details des Programms verraten: „Aber angefragt
habe ich“, gibt er zu. „Das wird auf jeden Fall etwas ganz Besonderes.“ (rv
30.11.2010 sk)