Philip Jenkins: Das goldene Zeitalter des Christentums, eine Rezension von Stefan
Kempis
So wie Religionen wachsen und sich ausbreiten, so können sie auch untergehen
und verschwinden: Davon erzählt der US-Historiker Philip Jenkins am Beispiel der größten
Weltreligion. Nein, nicht des Islams – das Christentum ist gemeint! Es ist bewegend
zu lesen, wie das Christentum bis ins Mittelalter hinein auch in Afrika oder Asien
blühte; ein Christentum, das allerdings in vielem anders war als das, was wir heute
kennen. Mit Leichtigkeit und ohne Scheu vor dem Anekdotischen läßt Jenkins eine ganze
Welt wieder aufstehen – und mit einem Mal wird klar, warum etwa die nordafrikanische
Kirche des heiligen Augustinus dem Ansturm des Islam erlag, während die Kopten sich
bis heute auch in mehrheitlich islamischem Umfeld halten konnten. Eine wichtige Lektüre
in einem historischen Moment, in dem das Christentum im Irak offenbar gerade ausstirbt.
Überraschend sind die Zahlen, die Jenkins ausbreitet: Danach stellten die
Christen in Nahost zu Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts mehr als zehn Prozent der
dortigen Bevölkerung. Ihre Zahl ging vor allem durch „organisierte Gewalt“ zurück,
durch „Massaker, Vertreibungen oder“ – wie derzeit im Irak – durch „erzwungene Migration“.
Etwas gewagt, doch durchaus nachdenklich stimmend, ist in dieser Hinsicht der Vergleich
Jenkins zwischen Christenverfolgung in Nahost und der Judenvernichtung durch die Nationalsozialisten.
Aber nennt nicht auch Régis Débray die Christen des Nahen Ostens „die Juden unserer
Zeit“?
Dieses klarsichtige Buch hat aber auch einiges Tröstliche: Nichts verschwindet
ganz, so gibt Jenkins zu bedenken, auch von untergegangenen religiösen Landschaften
bleiben Residuen bestehen. Und gerade diese Spurensuche, etwa nach christlichen Spurenelementen
in der islamischen Volksfrömmigkeit, gerät ihm ausgesprochen interessant.
Philip
Jenkins: Das goldene Zeitalter des Christentums, Herder Verlag, ca. 25 Euro