2010-11-14 13:11:21

Pakistan: Sakineh Nummer zwei


RealAudioMP3 Für viele ist es längst ein zweiter Fall Sakineh: In Pakistan droht einer Christin die Todesstrafe. Asia Bibi ist die erste Frau im Land, die nach dem berüchtigen „Blasphemiegesetz“ wegen Blasphemie verurteilt wurde. Dieses Gesetz, das die Beleidigung Mohammeds oder des Korans verbietet, wird immer wieder gegen Minderheiten instrumentalisiert. Die kleine katholische Kirche in Pakistan bittet die internationale Gemeinschaft, sich wie im Fall Sakineh – einer Iranerin, der die Steinigung wegen Ehebruchs droht – jetzt auch für Asia Bibi einzusetzen. Eine Christin aus Rawalpindi, mit der wir sprachen, will aus Sicherheitsgründen anonym bleiben:

„Asia Bibi wurde in Wirklichkeit verurteilt, weil sie sich bei einer Wasserverteilung mit Moslems gestritten hat. Sie hat sich dabei zu einer scharfen Äußerung hinreißen lassen, und das hat die Moslems erzürnt. Solche Szenen spielen sich in Pakistan immer wieder ab: Da wird auch Rache geübt wegen eines Landstücks oder wegen kleiner, unwichtiger Dinge – man übertüncht das dann mit der Religion!“

Sie habe den Eindruck, dass Asia Bibi zu Unrecht der Blasphemie beschuldigt worden sei – aber natürlich sei es schwer, den genauen Hergang des Streits zu rekonstruieren, meint die Christin.

„Es gibt ja oft auf beiden Seiten soviel Ignoranz – man läßt da einfach seinen religiösen Gefühlen freien Lauf! Dieses Blasphemiegesetz wird nicht nur gegen Christen eingesetzt, sondern auch die Moslems selbst instrumentalisieren es, wenn sie sich untereinander streiten – oft aus nichtigen Gründen. Solche Vorfälle gibt es beinahe täglich auch unter Muslimen, und darunter leidet das ganze Volk.“

Analphabetismus und eine korrupte Justiz – das sind aus ihrer Sicht die Plagen Pakistans, und nicht nur die Christen, sondern alle litten darunter. Was die wenigen Christen im Land betreffe, die hätten bislang eigentlich en gros durchaus Religionsfreiheit besessen, aber sie müßten „in der Öffentlichkeit natürlich vorsichtig sein“. Im Fall Asia Bibi sieht unsere Gesprächspartnerin aus Rawalpindi durchaus noch Hoffnung:

„Die Regierung müßte die Todesstrafe für ungültig erklären. Es kann natürlich sein, dass sie das im Moment noch nicht tun will, weil da ein ganzes Dorf in Aufruhr ist... Vielleicht ist es besser, man wartet erst mal ab, bis sich die Lage etwas beruhigt, und nach einer Zeit kann es dann schon sein, dass die Strafe widerrufen wird.“

Allerdings habe, wer wegen Blasphemie verurteilt werde, nicht nur den Vollzug der Strafe zu befürchten – jeder einmal Beschuldigte sei in Gefahr:

„Viele Male steckt die Regierung diese Personen, die der Blasphemie beschuldigt sind, ins Gefängnis, weil die Polizei es vorzieht, diese Personen an einem sicheren Ort zu wissen. Man sagt dann nicht öffentlich, wo sie sich befinden, um sie zu schützen: Sonst besteht nämlich das Risiko, dass sie von den Leuten gelyncht werden, sobald sie rauskommen...“

(rv 14.11.2010 sk)








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