Die Tage des jahrtausendealten Christentums im Irak scheinen gezählt: In Bagdad macht
offenbar die Terrorgruppe al-Quaida richtiggehend Jagd auf die Christen, die überhaupt
noch im Land geblieben sind. Massaker, Bomben, Tage der Angst - André Stiefenhofer
von „Kirche in Not“ berichtet: „Wir hatten Kontakt mit dem Erzbischof von Erbil
im Nordirak, Baschar Warda – er sagte uns, dass er von Familienmitgliedern aus Bagdad
angerufen wurde, und die sind natürlich entsetzt. Die Menschen haben große Angst und
wissen vor Not und Elend überhaupt nicht mehr weiter. Aussagen wie diese hören wir
jedes Mal, wenn Christen im Irak angegriffen werden; wir wundern uns immer wieder,
wieviele Christen dort doch noch ausharren und den Aufrufen ihrer Bischöfe folgen,
die ja immer sagen: Bleibt im Irak, der Irak braucht euch unbedingt!“ Die US-Militärs,
die noch im Irak verblieben seien, konzentrierten sich auf die Ausbildung der irakischen
Sicherheitskräfte und hätten, so Stiefenhofer, „anderes zu tun, als die Minderheiten
zu schützen“. Der Westen könne aber einiges tun: „Natürlich muss die Möglichkeit
bestehen, dass die Menschen, die traumatisiert sind oder verletzt, ausreisen können
in sichere Länder, nach Europa und in die USA. Hier wäre es sicher gut, wenn die Bundesregierung
dem Vorbild Frankreichs folgt und hier Flüchtlinge aufnimmt. Allerdings ist es natürlich
so, dass die Bischöfe im Irak immer darauf pochen, dass das auf Dauer ein Ausbluten
des Iraks zur Folge hätte, wenn die Christen auswandern würden. Die Christen gehören
zum Irak, sie sind seine Ureinwohner und sollten deshalb bleiben; aber alle irakischen
Christen, die nach Deutschland gekommen sind, sagen uns auch: Sobald es ruhiger ist,
kehren wir ins Land zurück. Daher wäre es jetzt erstmal eine gute Sache, die Grenzen
für diese Menschen zu öffnen!“ Und zwar nicht nur für die, die direkt aus dem
Irak kommen; auch die Angehörigen von irakischen Minderheiten, die nach Syrien oder
Jordanien geflohen sind, brauchen dringend Hilfe und westliche Aufnahmeländer, so
Stiefenhofer im Gespräch mit dem Kölner „Domradio“. Die italienische Kirche hat den
21. November zum landesweiten Tag des „Gebets für die verfolgten Christen im Irak
und für ihre Verfolger“ erklärt. Übrigens hat nach Frankreich jetzt auch Italien einige
Christen aufgenommen, die beim Massaker in der syrisch-katholischen Kathedrale von
Bagdad vor zwei Wochen schwer verletzt wurden: Die 26 Christen sollen hier medizinische
Pflege erhalten. Das Massaker am 31. Oktober hatte fast sechzig Menschen das Leben
gekostet; am 10. November waren dann bei Attentaten auf von Christen bewohnte Häuser
in Bagdad mindestens sechs Personen getötet und 30 verletzt worden. Mehrere Organisationen
und die syrisch-orthodoxe Kirche rufen in Europa zur Teilnahme an Demonstrationen
gegen die Christenverfolgung im Irak auf. Kundgebungen sind am 13. November in Brüssel
und am 14. November in Paris und Stockholm geplant. Wie es in dem Aufruf der Veranstalter
heißt, gebe es in einigen irakischen Städten, vor allem in Bagdad und Mosul, eine
systematische Vertreibung der Christen. Hunderttausende hätten auf Dauer ihre Heimat
verloren. Die Schutzmaßnahmen der irakischen Regierung reichten nicht aus. Kritik
wird auch daran geübt, dass westliche Staaten und Medien an Menschenrechtsverletzungen
im Irak desinteressiert seien. Dadurch fühlten sich die Täter ermutigt, „ihre barbarischen
Taten fortzuführen“. (rv/domradio/idea 12.11.2010 sk)