Die Kirche will künftig bei der Prävention von sexuellen Übergriffen auf Kinder und
Jugendliche Vorreiterin sein. Das sagte der deutsche „Schul-Erzbischof“ Hans-Josef
Becker am Freitag in Mainz. Auf einer Fachtagung über sexualisierte Gewalt meinte
er wörtlich: „Gerade weil unsere Schulen und Internate hier schuldig geworden sind
und weil von hier aus die Debatte angestoßen wurde, haben wir hier auch eine besondere
Verantwortung“. Die Kirche dürfe sich nicht darauf beschränken, in den „eigenen Einrichtungen
gute Arbeit zu machen“. Becker wörtlich: „Wir haben auch einen Auftrag, die Bildungslandschaft
in unserem Land und unsere Gesellschaft insgesamt mitzugestalten.“ Er forderte eine
„gut reflektierte professionelle Praxis im Umgang mit Nähe und Distanz an unseren
Bildungseinrichtungen“.
Der Erzbischof bedauerte zutiefst die Fälle von Missbrauch
in katholischen Einrichtungen, die in den vergangenen Monaten bekannt geworden waren.
Gerade für katholische Schulen und Internate müsse es „ein Markenzeichen“ sein, „dass
man hier eine besondere Wertschätzung, einen großen Respekt, eine hohe Achtung vor
jedem einzelnen Menschen in der Schulgemeinschaft spüren kann, wenn man nur das Gebäude
betritt.“ Das Ausmaß des sexuellen Missbrauchs treffe die katholische Kirche deshalb
„im Kern, weil es genau diametral unserer Grund-Motivation und unserem Selbstverständnis
entgegensteht, junge Menschen bei der Entwicklung und Entfaltung ihrer Persönlichkeit
zu unterstützen. Das große Vertrauen, das die Eltern gerade unseren kirchlichen Schulen
und Internaten entgegenbringen, ist vielfach missbraucht und verraten worden.“ Becker
kündigte eine Handreichung mit Eckpunkten für die Präventionsarbeit in katholischen
Schulen, Internaten und Kindertageseinrichtungen an.
Der Vorsitzende der Deutsche
Gesellschaft für Prävention und Intervention bei Kindesmisshandlung und -vernachlässigung,
Wolfgang Feuerhelm, wertete die Bemühungen der Kirche positiv. Ihr sei es gelungen,
die Vorbeugung von sexualisierter Gewalt zu einem Schwerpunkt ihrer Arbeit zu machen.
Unter anderem mit Blick darauf und auf den Berliner Runden Tisch gegen Kindesmissbrauch
äußerte er die Hoffnung, das zu Ende gehende Jahr werde einmal als ein Meilenstein
in Sachen Kinderschutz gesehen werden.
Der Missbrauchs-Beauftragte der deutschen
Bischöfe, Stephan Ackermann, hatte Bettina Janssen als Vertreterin zu der Mainzer
Tagung gesandt. Sie ging in einem Vortrag auch auf die Ansicht ein, „um sexualisierter
Gewalt künftig entgegen zu wirken, müsse die Kirche ihre Machtstrukturen in Frage
stellen“. Janssen wies auf die innerkirchliche Dialoginitiative hin, die in diesem
Herbst in Gang gekommen sei: Sie gehe von den deutschen Bischöfen aus und suche nach
konkreten Schlußfolgerungen u.a. aus den kirchlichen Missbrauchsskandalen dieses Jahres.
(dbk 12.11.2010 sk)