Papst in Barcelona: „Gaudi war Fackel des Glaubens“
Der Papst ist an seinem
zweiten spanischen Reisetag in Barcelona angekommen. Auf dem Programm stand die Weihe
der weltberühmten Sagrada Familia. An der Kirche des Architekten Antonio Gaudi (1852-1926)
wird bereits seit 128 Jahren gebaut; Teile von ihr sind UNESCO-Weltkulturerbe. Die
Predigt nutzte der Papst für einen Appell zum Schutz von Ehe und Familie. Außerdem
forderte er für Frauen die Vereinbarkeit von Beruf und Mutterschaft. Für den Nachmittag
steht der Besuch einer kirchlichen Sozialstation auf dem Papstprogramm. Am Abend beendet
das Kirchenoberhaupt - nach einem kurzen Treffen mit Premierminister Joseluis Zapatero
- seine 18. Auslandsreise, seine zweite nach Spanien, und kehrt nach Rom zurück. Am
Samstag hatte Benedikt XVI. den nordspanischen Wallfahrtsort Santiago de Compostela
besucht und dabei an die christlichen Wurzeln Europas erinnert. Unser Korrespondent
in Spanien, Mario Galgano, berichtet uns über den Weihegottesdienst in Barcelona.
Mit
Vatikan-Flaggen, Gesängen und Sprechchören haben Tausende Spanier Papst Benedikt XVI.
auf seinem Weg zur Sagrada Familia in Barcelona empfangen. An der Messe zur Kirchenweihe
nahmen als Ehrengäste neben König Juan Carlos I. und Königin Sofia unter anderen der
sozialistische Präsident Kataloniens, Jose Montilla, Parlamentspräsident Jose Bono
sowie der Bürgermeister von Barcelona, Jordi Hereu, teil.
Vor der Weihe überreichte
der derzeitige Chefarchitekt der „Sagrada Familia“, Jordi Bonet, symbolisch dem Papst
die Schlüssel der Kirche. Zuvor erläuterte Bonet dem Papst die einzigartige Struktur
und Geometrie des Baues sowie die Idee des Gründungsarchitekten Antoni Gaudi (1852-1926),
durch „Kunst den Glauben zu vertiefen“. An dem Wahrzeichen Barcelonas, dem Gaudi mehr
als sein halbes Leben gewidmet hat, wird bereits seit 128 Jahren gebaut. Voraussichtlich
wird die Kirche nicht vor 2026, dem 100. Todestag Gaudis, fertiggestellt sein.
In
seiner Predigt bedankte sich der Papst bei den katalanischen Gastgebern. „Und
wir denken vor allem an jenen Mann, der die Seele und der Urheber dieses Projekts
war: Antoni Gaudí, ein genialer Architekt und konsequenter Christ, dessen Fackel des
Glaubens bis zum Ende seines Lebens brannte, das er in Würde und völliger Schlichtheit
führte. Dieses Ereignis ist in gewisser Weise auch der Höhepunkt und das Ergebnis
einer Geschichte der katalonischen Region, die vor allem seit Ende des 19. Jahrhunderts
eine Vielzahl von Heiligen und Ordensgründern, Märtyrern und christlichen Schriftstellern
hervorbrachte: Geschichte der Heiligkeit, des künstlerischen und dichterischen Schaffens,
das aus dem Glauben heraus entstanden ist und das wir heute in dieser Eucharistie
zusammenfassen und Gott zum Opfer darbringen.“ Er sei auch froh darüber, dass
dieser Sakralbau von Anfang an eng mit der Gestalt seines bürgerlichen Namenspatrons
Josef verbunden sei, sagte Josef Ratzinger, jetzt Benedikt XVI.
„Besonders
bewegt hat mich die Sicherheit, mit der Gaudí angesichts der zahllosen Schwierigkeiten,
die er bewältigen musste, voll Vertrauen auf die göttliche Vorsehung ausrief: „Der
heilige Josef wird die Kirche vollenden.“ Die Weihe einer solchen Kirche
sei ein sichtbares Zeichen des unsichtbaren Gottes, fügte der Papst an. Der katalanische
Architekt sei vor allem von der Natur und der Heiligen Schrift inspiriert gewesen.
„Und
er verwirklichte das, was heute zu den wichtigsten Aufgaben gehört: die Überwindung
der Spaltung zwischen menschlichem und christlichem Bewusstsein, zwischen der Existenz
in dieser zeitlichen Welt und der Öffnung zum ewigen Leben, zwischen der Schönheit
der Dinge und Gott als der Schönheit selbst. Antoni Gaudí verwirklichte all dies nicht
mit Worten, sondern mit Steinen, Linien, Oberflächen und Spitzen. In Wirklichkeit
ist die Schönheit das große Bedürfnis des Menschen; sie ist die Wurzel, die den Stamm
unseres Friedens und die Früchte unserer Hoffnung hervorbringt. Die Schönheit ist
auch Offenbarerin Gottes, denn das schöne Werk ist wie er reine Unentgeltlichkeit,
es lädt zur Freiheit ein und entreißt den Menschen dem Egoismus.“ Die Kirche
habe die große Aufgabe, allen zu zeigen, dass Gott ein Gott des Friedens sei und nicht
der Gewalt, der Freiheit und nicht des Zwangs, der Eintracht und nicht der Zwietracht.
„In
diesem Sinne glaube ich, dass die Weihe dieser Kirche der „Sagrada Familia“ in einer
Zeit, in der der Mensch sich anmaßt, sein Leben hinter Gottes Rücken aufzubauen, so
als hätte er ihm nichts mehr zu sagen, ein sehr bedeutsames Ereignis ist. Gaudí zeigt
uns durch sein Werk, dass Gott der wahre Maßstab des Menschen ist, dass das Geheimnis
der wahren Originalität, wie er sagte, darin besteht, zum Ursprung zurückzukehren,
der Gott ist. Indem er selbst in dieser Weise seinen Geist für Gott öffnete, konnte
er in dieser Stadt einen Raum der Schönheit, des Glaubens und der Hoffnung schaffen,
der den Menschen zur Begegnung mit jenem führt, der die Wahrheit und die Schönheit
selbst ist.“ Benedikt XVI. sprach in der Sagrada Familia aber auch einige Anliegen
deutlich an, die schon an seinem ersten Reiseziel am Samstag, Santiago de Compostela,
angeklungen waren: Die Worte über den Schutz von Ehe und Familie sowie des Lebens
werden in den spanischen Medien wohl besonders beachtet werden.
„Die Lebensumstände
haben sich zutiefst gewandelt, und gleichzeitig gab es enorme Fortschritte imtechnischen, sozialen und kulturellen Bereich. Wir können uns mit diesen Fortschritten
nicht begnügen. Mit ihnen müssen immer auch sittliche Fortschritte einhergehen, wie
die Beachtung, der Schutz und die Unterstützung der Familie, denn die großherzige
und unauflösbare Liebe zwischen einem Mann und einer Frau ist der fruchtbare Rahmen
und die Grundlage des menschlichen Lebens bei seinem Entstehen, seiner Geburt, seinem
Wachstum und seinem natürlichen Ende. Nur dort, wo Liebe und Treue vorhanden sind,
entsteht die wahre Freiheit und dauert sie fort. Daher fordert die Kirche angemessene
wirtschaftliche und soziale Maßnahmen, die darauf ausgerichtet sind, daß die Frau
zu Hause und am Arbeitsplatz ihre volle Verwirklichung finden kann; daß der Mann und
die Frau, die den Ehebund schließen und eine Familie gründen, vom Staat wirklich unterstützt
werden; daß das Leben der Kinder vom Augenblick ihrer Empfängnis an als heilig und
unantastbar verteidigt wird; daß die Geburten auf rechtlicher, sozialer und legislativer
Ebene Anerkennung, Wertschätzung und Unterstützung erhalten. Daher widersetzt sich
die Kirche jeglicher Form der Ablehnung des menschlichen Lebens und hält das aufrecht,
was die natürliche Ordnung im Bereich der Familie als Institution fördert.“ In
der Umgebung der Kirche wurden rund 36.000 Stühle und 31 große Übertragungsleinwände
aufgebaut, die die Messe und Weihe der Sagrada Familia, des Wahrzeichens von Barcelona,
live übertrugen. Das staatliche katalanische Fernsehen TV3 setzte bei seiner Live-Übertragung
sechzig Kameras ein. Der Papstbesuch wurde weltweit von rund 150 Millionen Fernsehzuschauern
verfolgt. Der letzte Besuch eines Papstes in der katalanischen Mittelmeermetropole
liegt bereits 28 Jahre zurück: Papst Johannes Paul II. kam 1982 nach Barcelona. (rv/kna
07.11.2010 mg)