Wohin steuert Brasilien
unter seiner ersten Staatschefin Dilma Rousseff, die am Sonntag die Stichwahl um das
Präsidentenamt gewonnen hat? Der Papst hat wenige Stunden vor der Wahl von Rom aus
deutlich gemacht, dass er die neue Regierung vor allem in Sachen Lebensschutz sehr
genau beobachten wird. Auch die Kirche im (zahlenmäßig) größten katholischen Land
der Welt macht sich Gedanken, was unter Rousseff jetzt anders wird. Der aus Österreich
stammende Amazonas-Bischof Erwin Kräutler sagte dem ORF:
„Was ich vermißt
habe bei der Dilma (Rousseff), ist, dass sie überhaupt kein Programm vorgestellt hat:
Sie hat nur gesagt, sie werde alles weitermachen, was Lula bisher getan hat in den
vergangenen acht Jahren. Ich hätte mir erwartet, dass sie Schwerpunkte setzt – und
das hat sie nicht getan.“
Dabei würde die Kirche schon gerne wissen, welche
Schwerpunkte das aufstrebende Schwellenland Brasilien künftig setzen will, so Kräutler
in dem Interview vom Wahltag.
„Entwicklung müßte neu überdacht werden: Was
heißt Entwicklung? Bedeutet es nur, dass man exportieren kann, oder ist Entwicklung
bzw. Fortschritt das, was wir uns erwarten – dass die Leute im Gesundheitswesen unterstützt
werden, dass sie in die Schule gehen können, und dass vor allem die Agrarreform durchgeführt
wird, damit die Leute überleben und leben können!“
Kräutler lobt die umfassenden
Sozialprogramme, etwa das „Fame Zero“ – zu deutsch „Hunger null“. Hinter diesen Programmen
hatte während der Präsidentschaft von Inacio Lula da Silva auch seine Nummer zwei,
Frau Rousseff, gestanden.
„Man darf nicht sagen, Lula hätte sich nicht
angestrengt, und die Regierung hätte nichts getan, um dem Hunger abzuhelfen; aber
meines Erachtens wäre es viel notwendiger gewesen, Arbeitsplätze zu schaffen und die
Agrarreform durchzuführen, damit die Leute selber pflanzen und ernten können. Es geht
ja nicht darum, Lebensmittelkörbe auszuteilen – das kann man nicht ewig machen...“