Eigentlich stünde
Somalia auf der obersten Prioritätsliste der Europäischen Union in Sachen „Aufbauhilfe“,
doch die Situation am Horn Afrikas wird immer schlimmer. Die Gesellschaft für bedrohte
Völker (GfbV) hat das somalische Nachbarland Kenia am Montag dringend dazu aufgefordert,
ihre Verpflichtungen aus der Genfer Flüchtlingskonvention zu erfüllen und rund 7.100
angstvoll wartenden Kriegsflüchtlingen an der Grenze zu Somalia endlich Zuflucht zu
gewähren.
„Mit großer Sorge verfolgen wir das Schicksal dieser Flüchtlinge,
die seit Mitte letzter Woche zwar auf kenianischem Boden, doch nur 500 Meter von der
Grenze entfernt festsitzen. Es sind vor allem Frauen, Kinder und ältere Menschen“,
sagte der GfbV-Afrikareferent Ulrich Delius. „Die Flüchtlinge müssen in ständiger
Angst vor Angriffen der sie verfolgenden somalischen Al Shabaab-Milizen im Freien
übernachten.“ Als ihre Heimatstadt Beled Hawo in der vergangenen Woche in die Hände
der Milizionäre fiel, flohen die meisten der 60.000 Bewohner in angrenzende Dörfer
oder in das Nachbarland Kenia.
Obwohl das Hochkommissariat für Flüchtlinge
der Vereinten Nationen (UNHCR) aus Sicherheitsgründen dringend eine Verlegung der
Flüchtlinge in das Landesinnere Kenias beantragte, verweigern die kenianischen Behörden
einen sicheren Zufluchtsort. Der UNHCR plant, die Flüchtlinge elf Kilometer ins Landesinnere
Kenias zu transportieren. Doch die Behörden Kenias lehnen dies ab, da hier bereits
zu viele somalische Flüchtlinge lebten. Außerdem befürchtet der Provinzgouverneur,
dass sich mit den Flüchtlingen auch Terroristen nach Kenia einschleusen könnten, um
dort Anschläge zu verüben.
Rund 280.000 Flüchtlinge aus Somalia haben bislang
in Kenia Zuflucht gesucht, und jeden Monat kommen durchschnittlich rund 4000 dazu.
In Kenia sind die Flüchtlinge vielen Übergriffen und Diskriminierungen ausgesetzt.
Vor
allem aus der somalischen Hauptstadt Mogadischu reist der Flüchtlingsstrom nicht ab.
Seit Ende August 2010 mussten dort 51.000 Menschen ihre Wohnungen aufgeben und fliehen.
Immer neue Kämpfe zwischen radikal islamischen Milizen und der regulären Armee der
Übergangsregierung, aber auch Granatenbeschuss durch die AMISOM- Friedenstruppen der
Afrikanischen Union schüren den Exodus der Stadtbewohner. So starben in der vergangenen
Woche durch AMISOM- Beschuss 15 Zivilisten, weitere 70 wurden verletzt. Mehr als 6.100
Kriegsverletzte wurden seit Januar 2010 in drei Krankenhäuser der Hauptstadt eingeliefert.
„Die
humanitäre Lage der Zivilbevölkerung in Somalia wird immer schlimmer“, berichtete
Delius. „Doch während die Cholera-Toten in Haiti weltweit Schlagzeilen machen, wurden
unbeachtet von der Weltöffentlichkeit seit Januar 2010 allein in einem Krankenhaus
von Mogadischu 3166 Cholerakranke aufgenommen, von denen 89 verstarben.“