2010-10-31 14:23:15

Vatikan/D: Die Verfassung ist die Richtlinie


RealAudioMP3 Walter Jürgen Schmid ist seit Mitte September der neue deutsche Botschafter beim Heiligen Stuhl. Radio Vatikan hat sich mit ihm über Wertedebatte und die Rolle der Kirche, über PID und Integrationsdebatte in Deutschland unterhalten.

Papst Benedikt XVI. hat in seiner Ansprache bei Ihrem Amtsantritt vor dem „unpersönlichen Gott“ gewarnt, der nicht sieht und nicht erkennt und der in ethischen und moralischen Fragen keine Orientierung mehr sein kann. Trifft das die religiöse und kulturelle Realität Deutschlands?

„Der Papst hat in seiner Ansprache bei der Übergabe der Beglaubigungsschreiben die Punkte angesprochen, die ihm wichtig erscheinen, was Deutschland angeht. Er hat in der Ansprache drei Punkte genannt, die ihm wichtig erschienen sind. Der erste ist die Stärkung des christlichen Glaubens in Deutschland. Das zweite war die Frage des Schutzes des Sakramentes der Ehe aus seiner Sicht und das dritte war die Frage, wie wir mit technologischen Fortschritten etwa im Bereich der Biotechnologie umzugehen haben. Alle drei Punkte sind natürlich – das ist niemandem ein Geheimnis – Gegenstand intensiver Diskussion der Werte in Deutschland. Die katholische Kirche ist in diesem Zusammenhang natürlich ein wichtiger Gesprächspartner in diesem Dialog.“

Hat Deutschland Ihrer Einschätzung nach noch so etwas wie einen gemeinsamen Wertekanon?

„Ich würde sagen, dass wir ihn gerade zumindest diskutieren. Nehmen Sie etwa den letzten Punkt, die Nutzung des technologischen Fortschritts der Biotechnologie. Da haben wir in Deutschland im Augenblick eine sehr intensive Diskussion, wie wir etwa mit der Präimplantationsdiagnostik verfahren sollen. Das ist eine Frage, die – und genau so wird der politische Prozess laufen – auf eine Gewissensentscheidung hinausläuft. Alle, die in dieser Frage mitdiskutieren, sind natürlich bestrebt, hier für die Menschen die beste Lösung zu finden. Und in dieser Diskussion hat der Papst seine Position klar und deutlich gemacht.“

Viele Stimmen gerade bei der Frage der PID sagen, hier würde ein Linie überschritten, da gehe es um mehr als Werte, da gehe es um das Leben selbst. Worte wie „Selektion“ und „unwertes Leben“ fallen.

„Das würde ich nicht so sehen. Ich glaube, es geht im Augenblick darum, hier eine Lösung zu finden, die den Menschen am besten gerecht wird. Dass es unterschiedliche Sichtweisen und Positionen dazu gibt, ist deutlich, ist aber auch eine Problematik, die wir öfters haben, wenn wir Moral und Ethik diskutieren. Das entscheidende ist, dass wir Verfahren finden, um das vernünftig zu lösen.“

Eine weitere Wertedebatte in Deutschland dreht sich um die Integration von Ausländern. Der Papst hat in seiner Botschaft zum Weltmigrantentag noch einmal betont, dass Auswanderung ein Recht, aber auch Verpflichtung ist. Ist das auch eine Kritik an Deutschland und der Debatte um die Immigration und Integration?

„Ich glaube, wir können zu dem Ergebnis kommen, dass alle der Überzeugung sind, dass wir Handlungsbedarf haben. Wir haben gemeinsam in Deutschland zu leben. Und dafür gibt es verbindliche Richtlinien. Diese verbindliche Richtlinie – auch das ist in der Diskussion klar geworden – ist unsere Verfassung. Wir haben davon auszugehen, und das hat der Papst ja auch angesprochen, dass diejenigen, die in ein Land immigrieren, auch Verpflichtungen unterliegen. Wir sehen die Verpflichtungen darin, dass Integration heißt, dass alle gemeinsam nach den Vorgaben des Grundgesetzes zu leben haben. So müssen wir etwa beim Thema Zwangsehe ganz klare Maßnahmen ergreifen, dass dieses grundgesetzwidrige Verhalten nicht stattfinden kann.“

Herr Botschafter, herzlichen Dank für das Gespräch.
(rv 30.10.2010 ord)








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