Als katholischen Denker mit einem „umfassenden Blick auf die Welt“ und einer tiefen
Sehnsucht nach der Wahrheit hat Papst Benedikt XVI. Romano Guardini gewürdigt. Im
Vatikan empfing er an diesem Freitag Angehörige der Guardini-Stiftung aus Berlin in
Audienz, die an einem Kongress über den Gelehrten an der Universität Gregoriana teilgenommen
hatten. Ihnen sagte der Papst:
„Guardini wollte nicht irgendetwas oder
viel wissen; er verlangte nach der Wahrheit Gottes und der Wahrheit ϋber
den Menschen. Das Instrument, um sich dieser Wahrheit anzunähern,
war für ihn die – wie man es damals nannte –Weltanschauung, die sich
in einem lebendigen Austausch mit der Welt und mit den Menschen vollzieht. Das spezifisch
Christliche besteht dabei darin, dass der Mensch sich in einer Beziehung zu Gott weiß,
die ihm vorausgeht und der er sich nicht entziehen kann. Nicht unser Denken
ist der Anfang, der die Maßstäbe setzt, sondern Gott, der unsere Maßstäbe
übertrifft und in keine von uns zu formende Einheit eingezwängt werden kann.“
Gott
offenbare sich selbst als die Wahrheit, aber diese Wahrheit sei nicht abstrakt. Vielmehr
finde sie sich „im Lebendig-Konkreten, letztlich in der Gestalt Jesu Christi“, so
der Papst. Wer aber Jesus, die Wahrheit, sehen wolle,
„der muss „umkehren",
muss aus der Autonomie des eigenmächtigen Denkens heraustreten
in die hörende Bereitschaft, die entgegennimmt, was ist und diese Umkehrbewegung die
er in seiner Bekehrung vollzogen hat, hat sein ganzes Denken und Leben geprägt: Immer
wieder herauskehren aus der Autonomie ins Hören, ins Empfangen.“
Doch auch
bei einer echten Gottesbeziehung versteht der Mensch nicht immer, was Gott spricht,
so der Papst. Er brauche ein Korrektiv, und dieses „besteht im Austausch mit dem anderen“.
Guardini sei ein Mann des Dialogs gewesen. Seine Werke seien fastausnahmslos aus einem,
zumindest inneren Gespräch entstanden. Aus der Perspektive des damaligen Theologiestudenten
Joseph Ratzinger beschrieb Benedikt XVI. den Angehörigen der Guardini-Stiftung den
Vorlesungsstil des Denkers:
„Es war auch das Eigentümliche seines Vorlesungsstils,
dass er im Gespräch mit den Theologen war. Ein immer wiederkehrendes Wort war: „Sehen
Sie …“. Dass er zum Sehen führen wollte und in einem inneren, gemeinsamen Dialog mit
den Höheren stand, das war das neue gegenüber der Rhetorik alter Zeiten, dass er überhaupt
keine Rhetorik suchte sondern ganz einfach mit uns redete und dabei mit der Wahrheit
redete, und uns ins Gespräch mit der Wahrheit brachte.“ Guardini hatte von
1923 bis zu seiner von den Nationalsozialisten erzwungenen Emeritierung 1939 den Lehrstuhl
für Religionsphilosophie und Christliche Weltanschauung an der damaligen Berliner
Friedrich-Wilhelms-Universität, der heutigen Humboldt-Universität, inne. (rv 29.10.2010
gs)