2010-10-24 11:09:01

Benedikt XVI.: Die Predigt im Volltext


Wir dokumentieren in einer Arbeitsübersetzung die Predigt Papst Benedikt XVI. bei der Abschlussmesse zur Bischofssynode.

Verehrte Brüder im Bischofsamt,
ehrenwerte Damen und Herren,
liebe Schwestern und Brüder!

Im Abstand von zwei Wochen von der Eröffnungsfeier sind wir sind wir erheut am Tag des Herrn hier versammelt, am Konfessio-Altar der Peters-Basilika, um die Sonderversammlung der Bischofssynode zum Nahen Osten zu beenden. In unseren Herzen ist eine Tiefe Dankbarkeit Gott gegenüber, der uns diese wahrlich außergewöhnliche Erfahrung geschenkt hat, nicht nur für uns, sondern für das Wohlergehen der Kirche, des Volkes Gottes, das zwischen Mittelmeer und Mesopotamien lebt. Als Bischof von Rom möchte ich diese Dankbarkeit mit euch teilen, ehrenwerte Synodenväter: Kardinäle, Patriarchen, Erzbischöfe und Bischöfe. Ich bedanke mich vor allem beim Generalsekretär der Synode, bei den vier delegierten Präsidenten, dem Generalrelator, dem Sondersekretariat und allen Mitarbeitern, die in diesen Tagen unermüdlich gearbeitet haben.

Heute Morgen haben wir die Synodenaula verlassen und haben die „Zeit des Betens“ begonnen; dazu wenden wir uns dem Gleichnis Jesu vom Pharisäer und vom Sünder zu, wie es der heilige Lukas berichtet. Auch wir können versucht sein, wie der Pharisäer Gott unsere Verdienste vorzutragen, vielleicht an die Aufgabe der letzten Tage denkend. Aber um zum Himmel aufzusteigen, muss das Gebet aus einem demütigen, armen Herzen aufsteigen. Und deswegen wollen wir, am Ende dieses Ereignisses im Leben der Kirche vielmehr Gott nicht für unsere Verdienste danken, sondern für das Geschenk, das er uns gemacht hat. Wir erkennen uns als klein und bedürftig nach Erlösung, nach Erbarmens. Wir sehen, dass alles von ihm kommt und dass alles nur mit seiner Gnade wirklich wird, wie der Heilige Geist es uns gesagt hat. Nur so können wir wirklich bereichert „nach Hause zurück“ kehren, gerechter und besser befähigt, die Wege des Herrn zu gehen.

Die erste Lesung und der Antwortpsalm befassen sich mit dem Thema des Gebetes und unterstreichen, dass dieses um stärker beim Herzen Gottes ist, desto mehr es in Bedürftigkeit und Kummer gebetet wird. „Das Flehen des Armen dringt durch die Wolken“ sagt Jesus Sirach (35:21) und der Psalmist fügt hinzu: „Nahe ist der Herr den zerbrochenen Herzen / er hilft denen auf, die zerknirscht sind“ (Ps 24:19). Unsere Gedanken sind mit den vielen Brüdern und Schwestern, die im Nahen Osten leben und die sich in schwierigen Situationen befinden, manchmal sogar in sehr schweren, sei es wegen materieller Nöte, sei es aus Verzagtheit, aus Spannung und manchmal aus Angst. Das Wort Gottes bietet uns heute ein tröstendes Licht der Hoffnung, dort ist das persönliche Gebet von dem gilt: „Es weicht nicht, bis Gott eingreift / und Recht schafft als gerechter Richter“ (Sir 35:21-22). Auch diese Verbindung von Gebet und Gerechtigkeit lässt uns an viele Situationen in der Welt denken, besonders im Nahen Osten. Der Schrei des Armen und des Unterdrückten findet sein Echo direkt bei Gott, der eingreifen will um einen Ausweg zu eröffnen, um eine Zukunft der Freiheit wieder herzustellen, einen Horizont der Hoffnung.

Dieses Vertrauen in den nahen Gott, der seine Freunde befreit, bezeugt der Apostel Paulus in der zweiten Lesung von heute, genommen aus dem zweiten Brief an Timotheus. Schon das Ende seines irdischen Lebens nahe sehend zieht Paulus eine Bilanz: „Ich habe einen guten Kampf gekämpft, den Lauf vollendet, die Treue gehalten.“ (4:7). Für jeden von uns, liebe Mitbrüder im Bischofsamt, ist dies das Vorbild: Die göttliche Güte schenke uns, dass auch wir eine solche Bilanz ziehen können! „Der Herr,“ so fährt Paulus fort „stand mir zur Seite und gab mir Kraft, damit durch mich die Verkündung vollendet wird und alle Heiden sie hören“ (4:17). Es ist ein Wort, das mit besonderer Kraft an diesem Sonntag klingt, an dem wir den Weltmissionssonntag feiern! Gemeinschaft mit dem gekreuzigten und auferstandenen Jesus, Zeugnis seiner Liebe. Die Erfahrung des Apostels ist paradigmatisch für jeden Christen, besonders aber für uns Hirten. Wir haben eine besonderen Moment der kirchlichen Gemeinschaft geteilt. Heute verlassen wir ihn, so dass jeder von uns zu seiner eigenen Aufgabe, seiner Mission, zurückkehren kann, aber wir wissen, dass wir vereint bleiben, dass wir in seiner Liebe bleiben.

Die Versammlung der Bischofssynode, die heute zu Ende geht, hatte immer das Bild der ersten christlichen Gemeinschaft vor Augen, wie sie in der Apostelgeschichte beschrieben wird: „Die Gemeinde der Gläubigen war ein Herz und eine Seele. Keiner nannte etwas von dem, was er hatte, sein Eigentum, sondern sie hatten alles gemeinsam.“ (Apg 4:32). Dies ist die Realität, die wir in den vergangenen Tagen erlebt haben, in denen wir die Freuden und Schmerzen, die Sorgen und die Hoffnungen der Christen des nahen Ostens geteilt haben. Wir haben die Einheit der Kirche in der Verschiedenheit der Kirchen dieser Region gelebt. Geleitet vom Heiligen Geist sind wir „ein Herz und eine Seele“ geworden, im Glauben, in der Hoffnung und in der Liebe, vor allem während der Eucharistiefeiern, Quelle und Höhepunkt der Gemeinschaft der Kirche, und auch im Stundengebet, das wir jeden morgen in einem der sieben katholischen Riten des Nahen Ostens gefeiert haben. Wir haben so den liturgischen, geistlichen und theologischen Reichtum der katholischen Ostkirchen gewürdigt, und auch den der lateinischen Kirche. Und das war ein Austausch von wertvollen Geschenken, von denen alle Synodenväter profitiert haben. Es ist zu hoffen, dass so eine gute Erfahrung sich in den einzelnen Gemeinschaften des Nahen Ostens wiederholt, die Teilnahme der Gläubigen an liturgischen Feiern der anderen Riten begünstigend und so sich der universellen Dimension der Kirche öffnend.

Das gemeinsame Gebet hat uns auch geholfen, die Herausforderungen der katholischen Kirche im Nahen Osten anzunehmen. Eine von diesen ist die Gemeinschaft jeder einzelnen Kirche in sich selbst, wie auch die Beziehungen zwischen den einzelnen katholischen Kirchen der verschiedenen Traditionen. Wie uns das heutige Evangelium erinnert brauchen wir Demut, um unsere Grenzen zu erkennen, unsere Fehler und Unterlassungen, um wirklich „ein Herz und eine Seele“ sein zu können. Eine vollere Gemeinschaft im Inneren der katholischen Kirche begünstigt auch den ökumenischen Dialog mit den anderen Kirchen und kirchlichen Gemeinschaften. Die katholische Kirche hat auch in dieser synodalen Versammlung die tiefe Überzeugung bekräftigt, diesen Dialog weiter zu führen, so dass sich das Gebet unseres Herrn Jesus erfülle „damit sie alle eins seien“ (Joh 17:21).

Auf die Christen im Nahen Osten lassen sich die Worte unseres Herren Jesus anwenden: „Fürchte dich nicht, du kleine Herde! Denn euer Vater hat beschlossen, euch das Reich zu geben“ (Lk 12:32). Ja, auch wenn sie wenige sind, sind sie Träger der Frohen Botschaft der Liebe Gottes für den Menschen, einer Liebe, die sich im Heiligen Land in Jesus Christus offenbart hat. Dieses Wort des Heiles, gefestigt durch die Gnade der Sakramente, klingt mit besonderer Kraft an den Orten, an denen es, durch göttliche Vorsehung, aufgeschrieben wurde. Es ist das einzige Wort, das imstande ist, den Teufelskreis der Rache, des Hasses und der Gewalt zu brechen. Aus einem gereinigten Herzen, im Frieden mit Gott und mit dem Nächsten, können Vorschläge und Friedens-Initiativen auf lokaler, nationaler und internationaler Ebene wachsen. Zu dieser Aufgabe, zu deren Verwirklichung die gesamte internationale Gemeinschaft berufen ist, können und müssen die Christen, Bürger im vollen Sinn des Wortes, ihren Beitrag leisten, im Geist der Seligpreisungen, Erbauer des Friedens und Apostel der Versöhnung zum Wohl der ganzen Gesellschaft werdend.

Die Konflikte im Nahen Osten dauern schon viel zu lange an, die Kriege, die Gewalt, der Terrorismus. Man darf sich nie mit dem Fehlen von Frieden abgeben. Der Frieden ist möglich. Der Frieden ist dringend. Der Friede ist die unaufgebbare Bedingung für ein würdiges Leben der Person und der ganzen Gesellschaft. Der Friede ist auch das beste Mittel, die Emigration aus dem Nahen Osten aufzuhalten. „Erbittet für Jerusalem Frieden“ sagt der Psalm (122, 6). Beten wir für den Frieden im Heiligen Land. Beten wir für den Frieden im Nahen Osten, während wir uns mühen, damit sich dieses Geschenk Gottes an die Menschen guten Willens auf der ganzen Welt verbreitet.

Ein anderer Beitrag, den die Christen für die Gesellschaft leisten können, ist die Förderung einer echten Freiheit der Religion und des Gewissens, eines der fundamentalen Rechte des Menschen, die jeder Staat immer respektieren muss. In vielen Ländern des Nahen Ostens gibt es die Freiheit des Gottesdienstes, während der Raum der Religionsfreiheit nicht selten äußerst eingeschränkt ist. Diesen Raum der Freiheit zu vergrößern wird zu einem Erfordernis, um allen, die zu den verschiedenen religiösen Gemeinschaften gehören, die wahre Freiheit garantieren zu können, ihren eigenen Glauben leben und bekennen zu können. Dieses Thema könnte Gegenstand des Dialoges zwischen Christen und Muslimen werden, ein Dialog, dessen Dringlichkeit und Notwendigkeit von den Synodenvätern bekräftigt wurde.

Während der Arbeiten der Versammlung wurde häufig die Notwendigkeit unterstrichen, das Evangelium denen zu verkünden, die es wenig kennen, oder die sich geradewegs von der Kirche entfernt haben. Oft wurde der dringende Bedarf nach einer erneuerten Evangelisation auch für den Nahen Osten benannt. Dies ist ein weites Thema, vor allem in den Ländern der ersten Christianisierung. Die jüngst erfolgte Gründung des päpstlichen Rates zur Förderung der Neuevangelisierung antwortet unter anderem auf dieses Bedürfnis. Deswegen, nachdem ich durch den Episkopat der ganzen Welt beraten wurde und nachdem ich den der Rat der Generalsynode der Bischöfe gehört habe, habe ich entschieden, die nächste allgemeine Versammlung der Bischofssynode 2012 unter das Thema „Die neue Evangelisierung zur Weitergabe des Christlichen Glaubens“ zu stellen.

Liebe Brüder und Schwestern des Nahen Ostens! Die Erfahrung dieser Tage versichert euch, dass ihr nie allein seid, das der Heilige Stuhl und die ganze Kirche euch immer begleitet. Die Kirche, geboren in Jerusalem, hat sich im Nahen Osten verbreitet und dann in der ganzen Welt. Vertrauen wir die Umsetzung der Ergebnisse der Sonderversammlung zum Nahen Osten, wie auch die Vorbereitung der Generalsynode, der Fürsprache der seligen Jungfrau Maria an, der Mutter der Kirche und Königin des Friedens. Amen.
(rv 24.10.2010 ord)







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