Mit dem Aufruf von Kardinal Christoph Schönborn, den Missionsgedanken vor jede Diskussion
um Strukturreformen in der Kirche zu stellen, ging die dritte Wiener Diözesanversammlung
am Samstag in die Zielgerade. „Mission first" müsse das Leitwort jedes „Masterplans"
für die zukünftige Entwicklung der Kirche sein, so der Kardinal. Auch wenn die Kirche
heuer die „größte Austrittswelle der Geschichte unseres Landes seit der Nazizeit"
erlebt habe, so gelte es dennoch, im „Downsizing" auch auf „Wachstumszonen" zu blicken,
mahnte Schönborn. Diese fänden sich in den zahlreichen christlichen Gemeinschaften
ebenso wie in den katholischen Schulen oder in den anderssprachigen Gemeinden.
Um
den angedeuteten „Masterplan" weiter zu konkretisieren setzte Kardinal Schönborn zugleich
eine eigene Steuerungsgruppe, bestehend aus Bischofsrat und dem bisherigen APG-Team,
ein. Bis Ostern kommenden Jahres solle diese Gruppe Grundzüge und Leitlinien für einen
solchen Plan ausarbeiten.
Um den begonnenen diözesanen Prozess fortzuführen,
werde es außerdem regelmäßige Diözesanversammlungen - voraussichtlich im Abstand von
zwei bis drei Jahren - geben, so Kardinal Schönborn weiter. Dies stärke das „synodale
Element von Kirche" und erinnere zugleich an den in der Kirchengeschichte bekannten
Brauch, dass Diözesen regelmäßige Synoden abhielten. „Wir haben eine neue bewährte
Form von Synodalität gefunden und wollen diesen Weg weitergehen", so Kardinal Schönborn.
Schließlich rief der Kardinal dazu auf, diesen Prozess auch auf der Ebene der Dekanate
und Vikariate weiter zu gehen und umzusetzen und er lud zu einer großen Diözesanwallfahrt
ein, deren Details aber noch zu klären seien.
Da die Kirche eine „komplexe
Wirklichkeit" sei, „die aus himmlischen und menschlichen Elementen zusammenwächst",
könne es keine einfachen Pläne für Reformen geben. Vielmehr bestehe die Aufgabe im
Blick auf die Zukunft darin, „Orientierungspflöcke" in den kommenden „Veränderungsprozessen"
zu setzen, „damit wir nicht vom Weg abkommen". Zu diesen Orientierungspflöcken gehörten
Transparenz, die gegenseitige Wertschätzung, aber ebenso auch ein hohes Maß an Professionalität
in der Begleitung von Veränderungsprozessen, so Kardinal Schönborn.
Für die
Wiener Vikariate bedeute dies, dass es keinen Rasterplan geben könne, sondern mit
Augenmaß die Besonderheiten der Vikariate und ihre Potenziale gesehen werden müssen.
So zeige das Beispiel des Vikariats Wien-Stadt etwa, dass man sehr gezielt versuche,
den weiter wachsenden anderssprachigen Gemeinden, aber auch den anderen christlichen
Konfessionen wie etwa der Orthodoxie neue Heimstätten für ihr Pfarrleben zu bieten.
Unlängst ist dies etwa im Fall der Pfarre Neulerchenfeld geschehen, wo die
Kirche der serbisch-orthodoxen Gemeinde übergeben wurde. Den Kritiken entgegnete Kardinal
Schönborn mit dem Hinweis, dass es eine „Unrechtssituation" sei, wenn eine christliche
Gemeinschaft wie die serbisch-orthodoxen Christen mit rund 150.000 Gläubigen in Wien
nur über zwei - jetzt drei - Gotteshäuser verfügen. Es brauche Kreativität auch im
Zugehen auf die Ökumene. Kardinal Schönborn wörtlich: „Wir werden nicht 172 Pfarren
in Wien halten können - und es wäre auch ein Unrecht gegenüber unseren Mitchristen.
Oder wollt ihr lieber, dass in zehn bis fünfzehn Jahren unsere Kirchen Shopping-Center
oder Nachlokale werden?"
Auch hob der Kardinal noch einmal die Bedeutung der
„Jüngerschulung" hervor. Dies sei letztlich das Geheimnis all jener wachsenden Gemeinschaften
und damit dasjenige, was man durchaus von den Evangelikalen und Freikirchen lernen
könne und was in der Erzdiözese bereits in den neuen geistlichen Gemeinschaften (‚movimenti’)
in Form von Bibelschulen und Glaubenskursen Früchte trage.
Bei allen anstehenden
Veränderungen gelte es die Kunst der „Unterscheidung der Geister" zu üben, d.h. zu
trennen zwischen dem, was zur "Wesensgestalt" der Kirche gehöre und dem, was historisch
gewachsen und veränderbar sei. Während etwa die Eucharistiefeier zur „Wesensgestalt"
zähle, sei dies bei der Anzahl der Gottesdienste oder der Organisation von Pfarren
und Gemeinden nicht so.
In diesem Zusammenhang rückte Kardinal Schönborn weiters
ein aus seinem Eröffnungsvortrag am Donnerstag erwachsenes Missverständnis zurecht:
So habe er durch die Aussage, dass Gemeinden auch von Laien in Mitverantwortung geführt
werden können, nicht infrage gestellt, dass die geistliche Leitung weiterhin in den
Händen eines Priesters liegen solle. Vielmehr gelte es, beide Leitungsaufgaben und
-formen zu einer neuen Einheit zusammenzuführen zu einer Leitung in „Mitverantwortung".
Explizit verwies Kardinal Schönborn auf die bereits bestehenden Möglichkeiten die
Laienbeteiligung zu stärken, wie dies das Kirchenrecht in Canon 517 § 2 vorsieht.
Schließlich dankte Kardinal Schönborn den rund 1.400 anwesenden Delegierten
für die zahlreichen Impulse, die er aus der Diözesanversammlung mitnehmen werde. „Es
fällt mir nicht schwer zu sagen, dass ich hinter euch stehe" und „gemeinsam Christ
und für euch Bischof" zu sein, so der Kardinal. (kap 16.10.2010 gs)