Am Freitag Vormittag schlug auf der Nahost-Bischofssynode im Vatikan die Stunde der
Ökumene: Da ergriffen im Beisein des Papstes Beobachter aus anderen christlichen Kirchen
(so genannte „brüderliche Delegierte“) das Wort. Einige von ihnen forderten mit Verve
eine baldige Lösung des israelisch-palästinensischen Konflikts. Es wurde klar, dass
sich die Christen im Nahen Osten angesichts eines schwierigen Umfelds in einem Boot
fühlen. Hier sind Kernsätze aus wichtigen Statements, zusammengestellt von Stefan
Kempis. Der griechisch-orthodoxe Erzbischof Makarios Tillyridis aus Kenia: „Im
Nahen Osten bedeutet Religionsfreiheit gewöhnlich nur Kultfreiheit und nicht Gewissensfreiheit
– also nicht das Recht, seine Religion zu wechseln. Religion wird hier als eine soziale,
ja nationale Sache angesehen und nicht als eine individuelle. Religionswechsel gilt
als Verrat an der Gesellschaft.“ Der griechisch-orthodoxe Erzbischof von Byblos
im Libanon: „Den Papst von Rom in den ostkirchlichen Liturgien zu erwähnen, ist
eine neue Praxis, die man im Orient noch nie gekannt hat!“ Der armenische Bischof
Armash Nalbandian aus Syrien: „Der Hauptgrund für die Emigration von Christen
ist häufig, dass westliche Politiker die Existenz von Christen in Nahost ignorieren
und unsere Länder als Terroristenländer oder –gesellschaften bezeichnen. Islamisches
Land bedeutet nicht automatisch Terroristenland! ... Wir können die Kirchen im Westen
nur bitten, ihre Stimme zu erheben, wenn Politiker oder Geschäftemacher versuchen,
Krieg aus wirtschaftlichen oder politischen Interessen mit Religion zu rechtfertigen.“ Shaban
Sarkissian, ebenfalls armenischer Bischof in Syrien: „Wir sollten die Einheit
der Kirchen noch konkreter und klarer zeigen... Patriarch Aram I. sieht diese Synode
in gewisser Weise als eine Synode aller Kirchen des Nahen Ostens an, weil wir unter
denselben Bedingungen leben und mit denselben Problemen und Herausforderungen konfrontiert
sind.“ Der assyrische Metropolit des Irak, Gewargis Sliwa: „Alle Christen
im Nahen Osten und vor allem im Irak haben von dieser Synode gehört und glauben, dass
Gott uns alles geben wird, was wir für ihre Sicherheit und ihr Glück erbitten. Die
Probleme der Christen im Irak sind andere als die der anderen Christen im Nahen Osten.
Die Lage braucht schnelles Handeln – sonst verlieren die Christen jede Hoffnung auf
Treffen wie dieses hier und sagen: Wie lange sollen wir denn noch warten.“ Der
evangelische Pastor Olav Fykse Tveit vom Weltrat der Kirchen (seine Botschaft
wurde verlesen): „Jerusalem hat eine besondere Bedeutung für alle, und der israelisch-palästinensische
Konflikt hat starke negative Implikationen für die ganze Region und weit darüber hinaus.
Wir glauben, dass ein gerechter Friede für Jerusalem eine starke positive Wirkung
hätte, auch für die Kirchen und ihr Zeugnis in der Region. Als ich kürzlich in Jerusalem
war, drängten mich die Oberhäupter der Ortskirchen, mich für ein Ende der Besatzung
starkzumachen... Das ist auch der wichtigste Wunsch, den die palästinensischen Christen
vorbringen.“ Ansonsten gab es am Freitag Vormittag aber noch weitere Wortmeldungen
von „regulären“ Teilnehmern der Nahost-Bischofssynode. Hier also eine weitere, kleine
Übersicht. Kardinal Jean-Louis Tauran vom Päpstlichen Dialograt: „Wir
sollten nicht zu ängstlich sein, nicht nur Kult-, sondern auch Religionsfreiheit zu
fordern: Gesellschaft und Staat dürfen niemanden zwingen, gegen sein Gewissen zu handeln!“ Bischof
Giacinto-Boulos Marcuzzo aus Nazareth, Israel: „Bildung und Ausbildung ist das
größte Bedürfnis der Kirche in Nahost – das ist die pastorale Priorität, die die Synode
setzen sollte. Natürlich hat der christliche Nahe Osten einen starken Glauben – aber
dieser ist erblich, sozial, konfessionell. Um unseren Glauben persönlicher, aktiver
und lebendiger zu machen, brauchen wir eine (neue) kulturell-historische Vermittlung
des Glaubens... Im 7. und 8. Jahrhundert haben die Kirchen im Orient überlebt, weil
sie ... eine christlich-arabische Theologie entwickelten. Das hat sie buchstäblich
gerettet in Nahost, während sie anderswo verschwanden.“ Erzbischof Riccardo
Fontana von Arezzo, Italien: „Man sagt uns oft, dass ein großer Teil der Entscheidungen,
die den Kirchen in Nahost helfen könnten, im Westen fallen. Der Heilige Stuhl und
wir Bischöfe können auf die öffentliche Meinung einwirken und den Regierungen klarmachen,
dass Jerusalem und die Christen in Nahost unaufgebbare Prioritäten für alle Christen
sind.“ Der maronitische Bischof Joseph Koury aus Kanada: „Es ist paradox,
dass in dem globalen Dorf, zu dem die Welt geworden ist, die Fundamentalismen und
das Sektierertum gewalttätiger werden.“ (rv 15.10.2010 sk)